Das Licht

  02.11.2018 Leserbeitrag

Licht ist Leben, und alles, was lebt, braucht Licht zum Leben – auch Velofahrer und Velofahrerinnen. In der Dämmerung und in der Nacht brauchen Velofahrende das Licht nicht nur zum Leben, sondern sogar zum Überleben. Denn so wie auf Promi-Anlässen ist auch beim Velofahren das Gesehenwerden oft wichtiger als das Sehen. Dass es lebensgefährlich ist, in der Dämmerung, in unbeleuchteten Tunnels oder in finsterer Nacht ohne Licht im Strassenverkehr unterwegs zu sein, sind sich leider nicht immer alle Velofahrenden bewusst. Die Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS), Art. 213 ff., schreibt darum für strassentaugliche Velos folgende Ausrüstungsgegenstände vor: Reflektoren vorne (weiss) und hinten (rot), je mind. 10 cm2 gross, und an den Pedalen (orange; nicht nötig bei Rennvelos). Bei Dämmerung, nachts und in Tunnels: ein ruhendes Licht vorne (weiss) und hinten (rot). Zusätzliche blinkende Lichter sind erlaubt. Schnelle Velos – Rennvelos und Mountainbikes – haben jedoch meistens kein fest montiertes Licht. Denn mit weniger Gewicht am Velo kommt man ja auch schneller vorwärts. Dafür sind die schnellen Velofahrer in Tunnels oder in der Dämmerung dann oft als Geisterfahrer unterwegs – schnell, aber gefährlich.

Ob man nun schnell oder gemütlich mit dem Velo unterwegs ist, alle haben aber dabei genügend Zeit, sich über das Licht ein paar Gedanken zu machen. Licht ist ja nicht nur biologisch lebenswichtig, sondern Licht ist auch ein Symbol des Lebens. Licht erinnert zum Beispiel daran, dass kein Mensch vollkommen ist. Denn überall, wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Das heisst: Jeder Mensch, auch der gütigste und vorbildlichste, hat seine Schattenseite. Mark Twain sagt es so: Jeder Mensch ist wie ein Mond: er hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt. Und es ist tatsächlich so: Über die eigenen Schattenseiten im Leben spricht man nicht gerne. Aber die Angst davor, dass doch etwas, das nicht ans Licht kommen sollte, plötzlich ans Licht kommen könnte, kann die Lebensqualität stark einschränken. Denn die dunklen Seiten eines Menschen, die plötzlich doch ans Tageslicht kommen und in der Öffentlichkeit und in den Medien ausgebreitet werden, sind ja nicht nur peinlich, sondern sie können auch den Ruf schädigen oder eine geplante Karriere vorzeitig beenden. Sobald etwas ans Licht kommt, was im Verborgenen hätte bleiben sollen, nützt es jedoch nichts, das Licht eines anderen auszublasen, um das eigene Licht zu retten (nach Phil Bosmans).

Die gesetzliche Verordnung, in der Dunkelheit immer ein Licht einzuschalten, macht auch dann Sinn, wenn man nicht mit dem Velo unterwegs ist. Denn Licht ist immer und in jeder Lebenslage stärker als das Dunkle und die Dunkelheit. Auch die allergrösste Finsternis bringt es zum Beispiel nicht fertig, ein ganz kleines flackerndes Kerzenlicht auszulöschen. Konfuzius rät daher den Menschen: Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu fluchen. Ein solches kleines Licht zünden zum Beispiel alle an, die mit dunklen oder schweren Gedanken aufs Velo steigen und unterwegs versuchen, auf neue, befreiende und freundliche Gedanken zu kommen. Denn freundliche und versöhnliche Gedanken und Worte wirken wie ein Licht in der Dunkelheit. Und eine Velofahrt durch die Schönheiten der Natur kann gerade dann viel neues Licht ins Leben bringen, wenn man traurig, niedergedrückt, depressiv oder eben schwarzseherisch ist, wenn der Himmel voller Wulche steit und einen nichts mehr freut. Eine erholsame oder sportliche Velofahrt wirkt nämlich wie Licht, das die langen Schatten des Lebens kürzer werden lässt. Man kann das Leben plötzlich wieder in einem neuen Licht sehen und gewisse Dinge mit anderen Augen betrachten. Man erkennt vielleicht sogar, dass vieles nur halb so schlimm ist und dass das Glas, das man schon halb leer vor sich sah, ja noch halb voll ist. Oder man entdeckt, dass es in jeder Situation Möglichkeiten gibt, etwas zu verändern, und dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Oder wenn man das eigene Leben in einem neuen Licht betrachtet, erkennt man vielleicht sogar etwas besonders Gutes oder Schönes, das nicht einfach selbstverständlich ist und wofür man dankbar sein kann. Und Dankbarkeit ist ja bekanntlich ein garantierter Schlüssel zur Zufriedenheit.

ROBERT SCHNEITER


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote