Echte Selbstbestimmung ja, aber …?

  13.11.2018 Leserbriefe

Ich bin mit Erich von Siebenthals Satz im Leserbrief vom 9. November: «Die Erfolgsgeschichte unserer Schweiz ist geprägt von Selbstbestimmung, Weisheit und Mut» zu hundert Prozent einverstanden. Wie zwischen seinen Zeilen zu lesen ist, identifiziert er offenbar auch die «Selbstbestimmungsinitiative» mit Weisheit und Mut. Und diese Folgerung finde ich sehr gewagt und wenig realitätsbezogen. SVP-Präsident Albert Rösti sagte kürzlich in einer Diskussion, das höchste aller Menschenrechte sei die Selbstbestimmung. Der Moderator warf darauf die Frage in die Runde, ob im Initiativtext der Begriff «Selbstbestimmung» nicht vielleicht etwas gar sehr mit Egoismus verwechselt werde. Echte Selbstbestimmung in Ehren, aber täuscht man im Abstimmungskampf dem Stimmbürger nicht einfach vor, die Initiative schaffe klarere Verhältnisse und mehr Rechtssicherheit, und realisiert nicht, wie sie mehrheitlich das Gegenteil bewirken würde? Die Schweiz ist dank ihrer Humanität und Menschenrechtsachtung stark und international angesehen worden. Im Initiativtext steht nun aber unmissverständlich, dass verfassungsmässig letztlich nur noch das zwingende Völkerrecht für uns verbindlich sei – dieses verbietet lediglich die menschenunwürdigsten Schandtaten wie Völkermord, Angriffskrieg, Sklaverei, schwere Folter usw.. Da kann ich nur ausrufen: Gnad’ Gott unserer auf Humanität und Menschenrecht gegründeten Schweiz, wenn diese so tief sinkt, dass in ihrem ethisch-moralischen Bewusstsein künftig das zwingende Völkerrecht die oberste verbindliche Messlatte sein soll! Wie soll unsere «alte» Verfassung beispielsweise die Menschenrechte garantieren, wenn ihr diesbezüglich gleichzeitig mit einem solchen «neuen » Verfassungsartikel die Hände gebunden werden? Allein schon dieses Faktum zeigt das unehrliche Gesicht der Initiative. Ist das Einreichen einer solchen Abstimmungsvorlage nicht letztlich auch eine Geringschätzung und Entwürdigung unserer ehrenhaften Vorfahren, die mit viel Herzblut für unser Volk und Land nur dank hohem humanem, verantwortungsbewusstem Einsatz 1847/48 das drohende Auseinanderbrechen unserer Eidgenossenschaft verhinderten?

GOTTFRIED VON SIEBENTHAL, 3703 AESCHIRIED


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