Sollen Hörner entschädigt werden?

  13.11.2018 Saanenland

Am 25. November kommt die Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere» (Hornkuhinitiative) zur Abstimmung. Die Meinungen gehen auseinander – auch bei den Landwirten. Wir haben zwei Betriebe im Saanenland besucht: einen Laufstall mit behornten Tieren und einen mit hornlosen Tieren.

ANITA MOSER
Um es vorweg zu nehmen: Auch wenn sie unterschiedlich stimmen, vertreten weder David Perreten und Thomas Schläppi noch Alexander Gobeli eine radikale Haltung, sondern akzeptieren andere Ansichten.

«Jeder Landwirt, jeder Betrieb muss selber entscheiden, welche Tiere, welche Rasse er halten will.» Thomas Schläppi und David Perreten sehen in der Initiative auch eine Chance, dass behornte Kühe nicht ganz aussterben. «Die genetische Hornlosigkeit ist dominant, die Hörner zurückzuzüchten ist extrem schwierig.» Alex Gobeli hält aus wirtschaftlichen Gründen hornlose Tiere – und aus Tierliebe. Einig sind sich alle drei Landwirte, dass den Konsumenten eine wichtige Rolle zukommt. «Wie produziert wird, wird nicht mit einer Initiative bestimmt, sondern beim Einkauf», betont Perreten. Gobeli outet sich als Gegner der Direktzahlungen. «Diese hätten nie eingeführt werden dürfen. Der Bauer hätte immer über das Produkt entgeltet werden müssen.»


INTERVIEWS: ANITA MOSER

Für Kühe mit Horn: David Perreten und Thomas Schläppi
David Perreten und Thomas Schläppi betreiben zusammen die Hofkäserei Spitzhorn, sind aber auch Viehzüchter mit je einem eigenen Bio-Betrieb. Thomas Schläppi hält rund 14 behornte Milchkühe der Rasse Simmental sowie Jungvieh und Mastkälber. Den Laufstall hat er vor zwei Jahren gebaut. David Perreten hält 20 Kühe der Rasse Rätisches Grauvieh sowie Jungvieh. Sein Anbindestall ist rund 20-jährig.

Thomas Schläppi, Sie haben sich bewusst für einen Laufstall und für behornte Tiere entschieden. Weshalb?
Es ist in erster Linie ein grosses Vorurteil, dass man behornte Tiere nicht in einem Laufstall halten kann. Je nach Betriebsgrösse, je nach Rasse und Betriebsleitung kann es sehr gut funktionieren, aber vor allem hängt es von der Einstellung des Bauern ab: Welchen Umgang er mit den Tieren pflegt, welche Tiere er für die Aufzucht einsetzt und wie man einen Stall einrichtet.

Und wie plant man einen Laufstall für behornte Kühe?
Es gibt ein paar Sachen, die man beachten sollte: Es braucht sicherlich mehr Platz als das Minimum, d.h. es haben weniger Kühe auf der gleichen Fläche Platz – was automatisch mit höheren Kosten verbunden ist.

Was gilt es noch zu beachten?
Wir haben zum Beispiel einen Tandem-Melkstand, in dem jede Kuh in einem Abteil für sich steht und nicht gestört werden kann. So hat sie ihre Ruhe und kommt auch gerne zum Melken. Im Gegensatz dazu stehen im Gruppenmelkstand mehrere Kühe frei nebeneinander. So kann bei rangunterschiedlichen Kühen eher eine Unruhe entstehen. Und Unruhe gilt es in einem Laufstall mit behornten Kühen möglichst zu vermeiden.

David Perreten, Sie haben einen Anbindestall. Weshalb?
Dazumal hat man noch weniger gewusst, wie man Laufställe plant, damit es mit behornten Kühen funktioniert. Heute würde ich mich wohl auch für einen Laufstall entscheiden. Seit dem Neubau des Anbindestalls haben wir auch die Rasse von Swiss Fleckvieh zu Rätischem Grauvieh gewechselt.

Inwiefern spielt die Rasse eine Rolle bei der Wahl des Stalls?
Der Charakter der Tiere spielt auch eine Rolle. Die Simmentaler Kühe sind einfacher zu haben im Laufstall als die Grauen. Diese haben eine starke Rangordnung und können schon «eklig» sein zu einem schwächeren Tier. Aber mit dem richtigen Stall würde es gehen, ich hätte schon Ideen, wie es funktionieren könnte. Aber nicht im gleichen System wie bei Thomas Schläppi.

Und wo wäre der Unterschied?
Die Kühe von Thomas Schläppi haben einzelne Liegeboxen, jede kann, wenn sie will, in ein Abteil gehen. Das würde wohl bei den Grauen nicht funktionieren. Die Herde müsste in mehrere kleine Gruppen unterteilt werden und der Stall über offene Liegeflächen verfügen.

Weshalb haben Sie sich für Kühe mit Hörnern entschieden?
Thomas Schläppi (lacht):
Sicher nicht wegen der Initiative. Meiner Meinung nach gehört zur Simmentaler Kuh das Horn. Es ist eigentlich unnatürlich, dass man es wegzüchtet oder den Hornansatz abbrennt. Als Biobauer stimmt das für mich nicht. Andererseits haben hornlose Tiere auch Vorteile. Die Verletzungsgefahr für den Menschen ist sicher kleiner mit hornlosen Tieren, aber mit bewusstem Umgang ist es im Normalfall kein Problem.
David Perreten: Das Verletzungsrisiko wird aufgebauscht. Es ist besorgniserregend, dass die Zahl der behornten Kühe innerhalb so kurzer Zeit so drastisch zurückgegangen ist. Europaweit hat nur noch ein ganz kleiner Teil der Kühe Hörner. Von den Milchkühen wohl noch gerade drei Prozent.

Denken Sie, mit der Initiative lässt sich dieser Trend stoppen?
David Perreten:
Es ist unwahrscheinlich, dass jemand aufgrund der Beiträge mit dem Enthornen aufhört. Es muss für jeden einzelnen Landwirt, Betrieb stimmen. Die genetische Hornlosigkeit ist an und für sich eine gute Sache, weil man die Hörner nicht künstlich ausbrennen muss. Aber auch dies hat Tücken: die genetische Hornlosigkeit ist dominant – die Hörner zurückzuzüchten ist extrem schwierig.
Thomas Schläppi: Vermutlich lässt sich der Trend nicht stoppen, jedoch regt die Initiative dazu an, sich mit diesem Thema zu befassen.

Was stimmen Sie am 25. November?
David Perreten:
Ich habe Ja gestimmt, habe mich aber schwer getan mit dem Entscheid. Erstens ist es ein Blödsinn, so etwas in der Verfassung zu verankern, zweitens weil bestehende Beiträge umgelagert werden müssen.
Thomas Schläppi: Ich werde Ja stimmen. Die Grundidee der Initiative ist eigentlich gut, aber dass es in die Verfassung soll, ist fragwürdig. Aber mit der Initiative will man auch dafür sorgen, dass die behornte Kuh nicht ausstirbt, das ist schon wichtig. Denn diese Gefahr besteht.

Es wird wohl eine Umlagerung der Gelder geben – zum Beispiel auf Kosten der reichen Bauern?
David Perreten:
Das dürfte wohl schwierig sein durchzubringen. Es wäre allerdings das Beste, wenn man für die Direktzahlungen wieder Einkommens- und Vermögensgrenzen einführen würde. Aber wahrscheinlicher ist, dass das Geld aus dem Landschafts-Qualitäts-Beitragstopf kommt.
Thomas Schläppi: Ich sehe das ähnlich. Ein zusätzliches Problem ist die Kontrolle. Der bürokratische Aufwand ist relativ gross im Verhältnis zu dem, was es dann wirklich bringt. Schöner und dankbarer ist es sowieso, wenn man aus dem Produkt etwas lösen kann. Wir vermarkten unsere Produkte unter dem Slogan «Milch von Kühen mit Horn». Aber nicht alle haben diese Möglichkeit.
David Perreten: Eigentlich müsste jeder Konsument, der Ja stimmt, bewusster darauf achten, was er konsumiert. Es ist heute kein Problem, Produkte zu kaufen von Kühen mit Hörnern. Im Prinzip reicht es schon aus, Demeter-Produkte zu kaufen (Anm. ein Demeter-Betrieb darf nicht enthornen) oder über den Direktvermarkter. Viele Konsumenten finden behornte Tiere, Bioprodukte und das Tierwohl super, aber wenn sie einkaufen, schauen sie dennoch auf den Preis. Das stimmt nicht zusammen. Letztlich geht es um die Nachfrage. Wie produziert wird, wird nicht über eine Initiative bestimmt, sondern beim Einkauf. Es ist wichtig, dass man sich dessen bewusst ist. Wenn zum Beispiel mehr Bio eingekauft wird, wird auch mehr Bio produziert. In Biobetrieben darf man nur Kälber enthornen. Erwachsene Tiere zu enthornen, gehört meiner Meinung nach dringendst verboten.

Liest man momentan die Zeitung, entsteht der Eindruck, behornte Kühe in Laufställen seien eine tödliche Gefahr für Mensch und Tier. Wie hoch ist das Verletzungsrisiko?
David Perreten:
Ganz unproblematisch ist es sicher nicht. Früher hat man die Kühe von Herbst bis Frühling im Stall angebunden gehalten. Mit dem RAUS-Programm lassen wir die Tiere jeden zweiten Tag in den Laufhof. Beim Losund Anbinden ist man halt nah am Horn und ist der «Gefahr» entsprechend mehr ausgesetzt als früher.
Thomas Schläppi: Die Verletzungsgefahr unter den Kühen im Laufstall wird hochgespielt. Normalerweise ist es kein Problem. Die Kühe haben eine Hierarchie, ob sie Hörner tragen oder nicht. Die Schwächeren gehen aus dem Weg, sofern sie Platz haben, ordnen sich unter. Einverstanden, mit dem Horn gibt es schnell mal eine Schramme, die man sieht, aber meistens nicht schlimm ist. Auch hornlose Kühe tragen Kämpfe aus und rammen sich zum Beispiel in den Bauch. Das kann zu inneren Verletzungen führen, die unter Umständen schlimmer sind, aber weniger gut erkennbar. Für mich ist dies also kein Argument.
David Perreten: Man muss sich auch bewusst sein, wie mit behornten Tieren umzugehen ist. Auf jedem Betrieb ist immer entscheidend, wie der Betriebsleiter mit den Tieren umgeht und nicht nur das Stallsystem. Es muss nicht immer sein, dass sich die Tiere nur in einem neuen Stall wohlfühlen. Als Biokontrolleur stelle ich fest, dass sich Tiere auch in einem älteren, kleineren Stall pudelwohl fühlen können. Der Bauer muss ein Gespür haben für das Wohl des Tieres, das gehört zum Beruf.
Thomas Schläppi: Grundsätzlich gilt: Hat man behornte Tiere, spielt der Bezug zum Tier eine entscheidende Rolle. In kleineren Herden wie hier im Berggebiet funktioniert das eher als in einem Grossbetrieb im Flachland.

Gegen die Initiative: Alexander Gobeli
Alexander Gobeli hält auf seinem Betrieb um die 100 Tiere, davon ca. 35 bis 40 Milchkühe. Die Milch – ausschliesslich Heumilch – bringt er in die Molkerei Gstaad, wo sie zu Käse und Spezialitäten verarbeitet wird. Zudem ist die Viehzucht ein wichtiges Standbein.

Alexander Gobeli, in Ihrem neuen Laufstall halten Sie Kühe der Rassen Holstein und Red Holstein. Weshalb?
Ich bin mir bewusst, dass unsere Region eine Hochburg der Simmentaler Zucht ist und das ist auch gut so. Aber ich habe eine Leidenschaft für die Holsteinkuh.

Warum?
Mich faszinierte diese Kuh schon immer. Für unseren Betrieb ist sie die richtige Rasse. Aber ich würde nie einen anderen Landwirt und Viehzüchter überzeugen wollen, auf diese Rasse umzustellen. Jeder kann und soll die Rasse halten, die er will und die zu seinem Betrieb passt. Auf vielen Alpen und für viele Betriebe ist sicher die Simmentaler Kuh die richtige Rasse.

Ihre Kühe haben keine Hörner, weshalb?
Unsere Kühe haben aus einem Grund keine Hörner: wegen dem Viehhandel.

Also aus wirtschaftlichen Gründen.
Ja, ganz klar. Wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Unsere Tiere gehen zu fast 100% ins Unterland, zum grössten Teil in Laufställe. Diese Bauern wollen keine behornten Tiere. Deshalb enthornen wir unser Tiere.

Wie werden die Tiere enthornt?
Wir sind ein Zuchtbetrieb. Das Ziel sind jedes Jahr 20 bis 30 Kuhkälber, welche wir dann als Kühe verkaufen. Die Kälber werden zwei bis drei Wochen nach der Geburt enthornt. Nach Vorschrift, unter lokaler Betäubung.

Die Initianten sagen, die Enthornung sei ein massiver Eingriff, viele Kälber litten unter Langzeitschmerzen.
Ich möchte nicht behaupten, dass sie keine Schmerzen haben. Es wird wohl ähnlich sein wie bei einem Menschen nach einem Eingriff. Die einen haben Schmerzen, die anderen nicht. Wir haben in unserem Betrieb die Erfahrung gemacht, dass die Kälber nicht leiden, dass sie zwei Stunden nach der Enthornung wieder herumspringen.

Die Verletzungsgefahr mit behornten Tieren ist grösser. War das mit ein Grund, dass Sie sich für hornlose Kühe entschieden haben?
Nein. Wir planen und bauen ja auch Ställe, auch Laufställe für behornte Kühe. Einige funktionieren, andere nicht. Mit ein Grund, dass es so ist, mag sein, dass einige Tiere heissblütiger sind als andere. Wie bei den Menschen. Aber wenn die Laufställe gross genug sind, können auch behornte Tiere in Laufställen gehalten werden.

Und trotzdem setzen Sie auf hornlose Tiere.
Ich habe in grossen Handelsbetrieben mitbekommen, wie die Kühe enthornt wurden und das will ich meinen Tieren nicht antun.

Das müssen Sie erklären.
Es gibt zwei Varianten: Wwenn wir die Tiere nicht enthornen, bricht der Handel und damit ein wichtiges Standbein unseres Betriebes um 80 Prozent ein. Behornte Tiere unserer Rasse sind kaum gefragt. Deshalb müssen wir unsere Tiere enthornen, aus Liebe zum Tier. Denn wenn ich sie nicht enthorne, werden sie als Kuh enthornt, das will ich nicht. Während meiner Laufbahn als Viehzüchter habe ich in grossen Handelsbetrieben mitbekommen, wie erwachsene Tiere enthornt wurden und das will ich meinen Tieren nicht antun. Dazu kommt, wie erwähnt, der wirtschaftliche Aspekt: Im Unterland will kein Betrieb Kühe mit Hörnern oder nur vereinzelte. Ich bin nicht gegen die behornten Tiere. Aber wenn ich sehe, was sonst auf der Welt abgeht, wie Lebewesen leiden … Auf unserem Betrieb geht es den Tieren sehr gut. Aber letztlich muss jeder selber verantworten, was er macht.

Was stimmen Sie am 25. November?
Nein! Ich bin gegen all diese Beiträge. Und auch ganz klar der Meinung, dass die Direktzahlungen nie hätten eingeführt werden dürfen. Der Bauer hätte immer über das Produkt entgeltet werden müssen. Nehmen wir unseren Bergkäse oder den Alpkäse: Es sind super Produkte, die wir hier produzieren. Im Verhältnis zum Aufwand aber viel zu günstig im Handel.

Sie votieren für bessere Produktpreise?
Ja. Überlegen wir mal, was eine Familie vor 50 Jahren ausgegeben hat für den Lebensunterhalt und wie wenig heute noch für Lebensmittel ausgegeben wird. Es würde niemandem schaden, wenn wir einen Milchpreis von 1.50 Franken hätten. Die Initiative ist ein falscher Ansatz. Und vor allem, dass er in der Verfassung verankert werden soll.

Denken Sie, dass mehr Landwirte auf Kühe mit Hörnern umstellen, wenn die Initiative angenommen wird?
Es kann zu einem Missbrauch führen, der nicht vorteilhaft ist für die Tiere. Ich bin stolz auf meine Berufskollegen, welche die Hörner gut pflegen, sie jochen und gut dazu schauen. Aber ich kann mir vorstellen, dass es einigen nur ums Geld geht und sie die Hörner ihrer Tiere irgendwie wachsen lassen.

Wäre der finanzielle Anreiz denn gross genug, behornte Tiere zu halten?
Je nach Grösse des Betriebs gibt es «scho no chly» Geld. Rechnen Sie aus, bei 100 Stück Vieh mit einem Franken pro Tag macht das gut 36 000 Franken im Jahr.

Sie haben auch aus wirtschaftlichen Gründen hornlose Tiere.
Ja, es geht immer irgendwie ums Geld. Wie erwähnt, das Produkt ist so günstig, dass wir auf die Direktzahlungen angewiesen sind. Eigentlich sind sie eine Unterstützung, damit der Konsument das Produkt günstiger bekommt. Und das ist der falsche Ansatz. Wir haben schon genügend Gesetze. Aber verstehen Sie mich richtig, ich bin nicht gegen Kühe mit Hörnern.

Könnten die Bauern, wenn sie über das Produkt bezahlt würden, ohne Direktzahlungen überleben?
Vor knapp 30 Jahren – ich war 17-jährig und Zimmermannslehrling – hat mein Vater 1,03 Franken pro Liter Milch bekommen, Direktzahlungen gab es damals noch kaum. Der Stundenlohn für einen gelernten Zimmermann betrug rund 16 Franken. Heute liegt der Stundenlohn für einen frisch ausgelernten Handwerker bei 28 bis 30 Franken. Wenn die Milch in der gleichen Indexierung gestiegen wäre, wären wir auf ca. 1,70 Franken pro Liter. Dadurch werden die Direktzahlungen längstens kompensiert. Der grösste Teil der Milchproduzenten in der Schweiz – auch hier im Saanenland – bekommt einen Milchpreis von 50 Rappen. Wir kämen alle besser weg, wenn wir – wie in anderen Branchen üblich – über das Produkt bezahlt würden. Wir Landwirte wären damit auch weniger der Kritik von Nichtlandwirten ausgesetzt. Ein älterer Bauer sagte mir kürzlich: «Als es die ersten Direktzahlungen gab, haben wir Bauern unsere Selbständigkeit verkauft.» Dem kann ich nur beipflichten.

Das sehen aber nicht alle Landwirte so.
Der Unternehmer im Bauern ist verloren gegangen. Er hortet das Geld zwar nicht, sondern er investiert, z.B. in die Maschinenindustrie. Das Geld kommt in den Umlauf und davon profitiert auch der Rest der Bevölkerung. Dass aber jemand, der arbeiten geht und Lohn bezieht, frustriert ist, wenn er diese Zahlen hört, verstehe ich. Aber der Bauer braucht es. Denn auch der Marktpreis ist eingebrochen. Wurden die Rinder vor 25 Jahren für 7000 bis 8000 Franken oder mehr gehandelt, gibt es heute in der Regel nicht mal mehr die Hälfte. Und den Bergkäse – ein super Produkt – verschenken wir für 13 Franken …

Wie sehen Sie die Unfallgefahr, die von behornten Tieren ausgeht?
Die Enthornung ist ein Eingriff in die Natur, das bestreite ich nicht. Aber die Unfallgefahr ist bei Tieren mit Hörnern grösser.

Um diese Gefahr zu minimieren, sei die Beziehung zu den Tieren wichtig. Haben Sie eine Beziehung zu Ihren Tieren?
Ja. Die Aufzucht machen wir geteilt bei uns und bei meinem Vater. Er ist viel bei den Tieren. Die Stimmung überträgt sich auf die Tiere, egal, ob sie hornlos, behornt, in einem Laufstall oder Anbindestall sind. Wenn du ruhig bist, überträgt sich die Ruhe auf die Tiere, umgekehrt, wenn du nervös bist, werden auch sie unruhig. Wir streben auch nicht eine riesige Milchleistung an. Unsere Kühe bekommen zwar Kraftfutter und geben zwischen 8500 und 9000 Liter Milch im Jahr. In der Schweiz gibt es jedoch viele Betriebe mit Kühen, die weit über 10 000 Liter pro Jahr geben. Aber das macht für uns keinen Sinn. Wichtig für uns ist, dass wir Milch produzieren können für die Molkerei Gstaad plus im Sommer Käse. Und ein wichtiges Standbein ist für uns die Zucht.

Spielt die Ästhetik auch eine Rolle oder anders gefragt: Gefallen Ihnen hornlose Kühe?
Es ist eine Gewöhnungssache. Wenn wir eine Kuh unserer Rasse mit Hörner sehen, kommt uns das komisch vor, weil es bei dieser Rasse nur noch wenige Exemplare mit Hörnern gibt. Umgekehrt ist aber eine Simmentaler Kuh ohne Hörner ebenfalls gewöhnungsbedürftig.


HORNKUHINITIATIVE

Rund drei Viertel der Kühe und ein Drittel der Ziegen in der Schweiz tragen keine Hörner. Grund für die Zunahme der hornlosen Tiere sind die Freilaufställe. In solchen Ställen sei es einfacher, hornlose Tiere zu halten als behornte. Die Hornlosigkeit wird auf zwei Arten erreicht: Man entfernt den Jungtieren in den ersten Lebenswochen die Hornanlagen oder man züchtet hornlose Tiere. Es gibt aber auch Rassen, die seit jeher hornlos sind – zum Beispiel Aberdeen Angus.
Gemäss Initiativtext wollen die Initianten der Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere» (Hornkuhinitiative), dass mehr Landwirtinnen und Landwirte Kühe und Ziegen mit Hörnern halten. Die Enthornung sei ein massiver Eingriff, der nur mit dem Einsatz von Betäubungs- und Schmerzmitteln halbwegs erträglich gemacht werde. Über ein Fünftel der enthornten Kälber litten unter Langzeitschmerzen, weitere Belastungen seien unerforscht. Da die Haltung von behornten Tieren mit grösserem Aufwand verbunden ist, soll der Bund diesen Mehraufwand mit einem Beitrag entschädigen. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab mit der Begründung, sie würde dem Tierwohl mehr schaden als nützen. Ein Beitrag könnte dazu führen, dass wieder mehr Anbindeställe gebaut würden. Bei horntragenden Tieren sei diese Haltungsform einfacher. Zudem erhöhten Tiere mit Hörnern das Verletzungsrisiko. Wird die Initiative angenommen, rechnet man mit Kosten von rund 15 Millionen Franken jährlich. Gemäss den Initianten sollen die Beiträge durch Kürzungen bei anderen Beiträgen an die Landwirtschaft kompensiert werden.
Quelle: Abstimmungsbüchlein


NACHGEFRAGT BEI DR. VET. FELIX NEFF

Er werde mehrmals im Jahr mit Verletzungen, die sich Tiere gegenseitig zuführen, konfrontiert, sagt Tierarzt Felix Neff auf Anfrage. Und zwar sowohl bei hornlosen wie bei behornten Tieren.

Behornte Kühe verletzten sich gerne gegenseitig an der Vulva oder am Euter. Diese Wunden würden chirurgisch versorgt, manchmal müsste auch genäht werden. Dass ein Mensch von einem Kuhhorn verletzt worden sei, habe er bis jetzt selber nicht erlebt.

Aber auch enthornte Kühe gingen schon mal aufeinander los, so Neff. Das führe zu stumpfen Traumata, zu Blutergüssen, vorwiegend in der Seite.

In der Frage pro oder kontra Hörner bleibt Neff neutral. Aber: Hörner brauchten Pflege. «Es gibt jedoch auch Rassen, die genetisch, also von Natur aus hornlos sind, wie zum Beispiel die Angus-Rinder.»

Er enthorne etwa 100 Kälber pro Jahr, so Neff. «Bei den Kollegen im Unterland gehört dies zum Tagesgeschäft.» Die Tiere bekommen ein Narkosemittel zur Schmerz-Ausschaltung. Für die Enthornung braucht es nicht unbedingt den Tierarzt. «Die Landwirte können einen Kurs absolvieren, müssen fünf Kälber unter Aufsicht des Tierarztes enthornen und bekommen dann eine Bestätigung des Kantonstierarztes», erklärt Amtstierarzt Neff. «Gegen Vorweisung dieser Bestätigung kann er die Medikamente beim Tierarzt beziehen. Er darf aber nur Tiere auf seinem Betrieb selber enthornen.» Im Saanenland hätten etwa sechs Landwirte diese Bewilligung, so Neff.

Ab und zu würden auch erwachsene Tiere enthornt. «Meistens, wenn der Bauer am Umstellen ist von behornten auf hornlose Kühe.» Oder wenn die Tiere in den Verkauf gehen – an Betriebe mit hornlosen Tieren. «Dann werden sie enthornt.»

ANITA MOSER


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