«Wir hatten in den letzten Jahren Glück»

  21.12.2018 Saanen, Gesellschaft

33 Jahre war Ueli Haldi bei der Wasserversorgung Saanen, die letzten 23 Jahre als Brunnenmeister. Seit zwei Monaten ist er im verdienten Ruhestand, die Verantwortung liegt nun bei seinem langjährigen Stellvertreter Arno Romang.

ANITA MOSER

Ueli Haldi, was macht ein Brunnenmeister?
Der Brunnenmeister – heute sagt man Betriebsleiter Wasser – ist verantwortlich, dass eine Gemeinde über gutes und genügend Trinkwasser verfügt. Das umfasst das ganze Spektrum von der Quellfassung über die Brunnstube bis zum Reservoir und dem Leitungssystem.

Wie setzt sich unser Trinkwasser zusammen?
Im Jahresdurchschnitt besteht es etwa je zur Hälfte aus Quellwasser und Grundwasser. Im Winter stehen aber nur rund 20 bis 30 Prozent Quellwasser zur Verfügung, im Frühling sind es zwischen 60 und 70 Prozent.

Wie hoch ist der Wasserverbrauch?
2017 lag er bei knapp 2,5 Millionen Kubikmetern, 2012 waren es über drei Millionen. In der Schweiz liegt der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Kopf und Tag bei 400 Litern. Davon werden 160 Liter pro Kopf und Tag in privaten Haushalten verbraucht.

Ist der Wasserverbrauch in der Gemeinde Saanen in den letzten Jahren gestiegen?
Nein, der Gesamtwasserverbrauch ist in den letzten Jahren sogar zurückgegangen.

Obwohl mehr Leute versorgt werden? 1980 zählte man 5522 ständige Einwohner, 2018 rund 7500.
Der Wasserverbrauch hat sich verändert, es wird mehr geduscht als gebadet, es gibt wassersparende Brausen und WC-Spülungen usw. Aber der Hauptgrund liegt bei der Infrastruktur. Früher ging viel Wasser durch undichte Leitungen verloren. Heute haben wir ein intaktes Leitungsnetz.

Sind die Menschen sensibler geworden im Umgang mit Wasser?
Jein. Der Wasserverbrauch durch Bewässerungsanlagen ist gestiegen. Es werden tropische Bäume gepflanzt, die viel Wasser benötigen. Oder Rasensprenger laufen Tag und Nacht. Das alles wäre nicht nötig.

In unserer Gemeinde haben zahlreiche Chalets private Schwimmbäder. Wie stark belasten diese den Wasserverbrauch?
Nicht so sehr, wie man meinen könnte. Jede Füllung muss der Wasserversorgung gemeldet werden und während der Wintersaison sind Füllungen ganz verboten.

Und wie wird das kontrolliert?
Wir haben eine elektronische Steuerung. Man sieht am Computer, wo wie viel Wasser verbraucht wird. Liegt der Wasserverbrauch zehn Prozent über dem Normalen, wird Alarm ausgelöst und man geht der Ursache nach.

Für viele unverständlich ist, dass man beschneit, obwohl man von Wasserknappheit spricht.
Für die Beschneiung fliesst kein Tropfen Wasser aus dem Leitungsnetz. Ich war frisch Brunnenmeister, als das ein Thema war und ich vor dem Gemeinderat antraben musste, weil ich mich geweigert hatte, auch nur einen Liter für die Beschneiung zu geben. Das Wasser für die Beschneiung kommt ausschliesslich aus der Saane und aus anderen Bächen

Das Klima verändert sich, seit 2003 hat es mehrere trockene Sommer gegeben, das Wasser wird rar. 2003 hat die Gemeinde zum bisher einzigen Mal zum Wassersparen aufgerufen.
Wir hatten die letzten zehn Jahren immer Glück. Glück, dass es im November Schnee gegeben und diesen wieder weggeregnet hat. So konnten sich die Wasserstände immer erholen.

Der Sommer 2018 war heiss und trocken. Viele Quellen sind versiegt, die Niederschläge dürften kaum ausreichen für die Versorgung während der Hochsaison.
Ja, es könnte diesen Winter knapp werden. Gibt es keine ergiebigen Niederschläge vor dem Einschneien, wird die Gemeinde Saanen wohl Sparmassnahmen einführen müssen. Um den häuslichen Wasserbedarf zu decken, werden wir keine Probleme haben. Aber es könnte sein, dass Bewässerungsanlagen nicht mehr genutzt werden dürfen.

Am ehesten werden wohl jene Probleme bekommen, welche von Privatwasser abhängig sind. Gibt es noch viele Gebäude mit eigenen Quellen?
Es sind meines Wissens um die 300 Gebäude, welche mit Privatwasser versorgt werden, darunter das ganze Chalberhöni, die obere Bissen und diverse Landwirtschaftsbetriebe.

Es gibt Einzelne, die bereits Probleme haben. Was können sie tun?
Wenn möglich an die Wasserversorgung anschliessen. Oder – wie im Chalberhöni – mit Nachbarn schauen, ob man neue Quellen erschliessen kann. Die Wasserversorgung kann das Chalberhöni nicht versorgen, es gibt kein öffentliches Leitungsnetz.

Weshalb nicht?
1986 habe ich alle Gebäudebesitzer im Grund angeschrieben, um das Interesse abzuklären. Gerade drei wollten damals anschliessen. Im Chalberhöni war es das Gleiche. Letztlich ist es eine Kosten-/Nutzenrechnung. Eine Gemeinde kann nicht drei Millionen Franken investieren für drei Interessenten.

Ist die Gemeinde verantwortlich, dass ihre Einwohner mit Wasser versorgt werden?
Ja, zumindest für Gebäude in der Bauzone. Damals lagen sie alle in der Landwirtschaftszone.

Wie werden die Spitzen während der Hochsaison abgedeckt, wenn ein Mehrfaches an Bedarf besteht?

Die Spitzen abzudecken ist in der Tat eine grosse Herausforderung. Die letzten drei, vier Jahre war es über Weihnachten-Neujahr ganz eng. Mit dem neuen Grundwasserpumpwerk auf dem Flugplatz Saanen sind wir für die nächsten Jahrzehnte gut versorgt. Auch wenn das Werk erst auf April 2020 fertig ist, können wir bei Bedarf bereits diesen Winter mit mobilen Pumpen bis zu 1000 Liter Wasser pro Minute ins Leitungsnetz einspeisen.

Während den letzten Jahren gab es sicher auch «unliebsame» Ereignisse. Was war das Schlimmste?
Das liegt genau zehn Jahre zurück: An Silvester 2008 fielen im Pumpwerk Farb die Pumpen aus. Hätte ich nicht sofort reagiert und von Bern Motorspritzen kommen lassen, hätte Schönried am Neujahrstag kein Wasser gehabt. Dann habe ich in all den Jahren auch diverse Leitungsbrüche erlebt, teils mit grossem Schaden, aber auch verschiedene Kleinstwasserstände usw.

Wer bezahlt, wenn durch einen Leitungsbruch eine Wohnung überschwemmt wird?
Der Verursacher respektive dessen Versicherung. Für den Unterhalt der Hauptleitung ist die Wasserversorgung verantwortlich, der Unterhalt der Hauszuleitung ist Sache des Hauseigentümers.

Was bleibt nach 33 Jahren bei der Wasserversorgung?
Ich war stolz, bei einer so schönen Versorgung arbeiten zu dürfen. Ich durfte viele Projekte mitrealisieren, so zum Beispiel den Neubau von drei Reservoirs, die Erschliessung der Wasserversorgung Turbach oder den Neubau des Werkhofs. Wir haben nicht nur eine wunderschöne und tadellose Versorgung, sondern mit einem Franken für 1000 Liter auch sehr günstiges Wasser. In Zürich bezahlt man fast das Dreifache, in Bern knapp das Doppelte. Und nun bauen wir für 14,3 Millionen Franken ein neues Pumpwerk und der Wasserzins bleibt vermutlich gleich oder wird nur minimal erhöht. Das ist grossartig.

Sie sind seit dem 25. Oktober pensioniert. Wie fühlt es sich an?
Ich kann mich gut anpassen und habe mir schon früh Gedanken über das «danach» gemacht. Ich habe nun Zeit für meine Hobbys: Wandern, Skifahren, Skitouren, Schwimmen, Pilzlen, Jagen, Fischen und daneben halten mich die Grosskinder auf Trab. Mir wird nicht langweilig.


WASSERVERSORGUNG SAANEN

Arno Romang ist neuer Brunnenmeister
Nachfolger von Ueli Haldi als Brunnenmeister ist Arno Romang. Der 50-Jährige wurde 1998 als stellvertretender Brunnenmeister angestellt. Neuer stellvertretender Betriebsleiter der Wasserversorgung ist ab 1. Januar 2019 Thomas Kummer aus Zug.


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