Gefühlsbetont, elegant und charmant durch den Menuhin-Festival-Sommer

  11.12.2018 Kultur

Vom 18. Juli bis zum 6. September verzaubert das Gstaad Menuhin Festival die Region wieder mit auserlesendster Musik und einer Weltelite von Interpreten. Das diesjährige Motto heisst «Paris» und widmet sich bekannten und unbekannten Kostbarkeiten aus der französichen Klangwelt.

LOTTE BRENNER
Gibt es sie, die typisch französische Musik, und was hat sie, was jene aus anderen Kulturkreisen nicht hat? Festival-Intendant Christoph Müller spürt mit seinem diesjährigen Programm dieser Frage nach und spricht dabei die Festival-Region direkt an, grenzt doch Saanen-Gstaad an die frankophone Nachbarschaft. Die Stilrichtung, die eindeutig in Frankreich entstand und eigenständig typisch da steht, ist der Impressionismus. Der Name kommt vom Wort «impression», übersetzt «Eindruck». Diese Stilrichtung der modernen Kunst entstand zwischen 1860 und 1870 und basiert auf einem Gemälde von Claude Oscar Monet mit der Bezeichnung «Impression, soleil levant». Im Impressionismus kommen fliessende Licht- und Farbeindrücke zur Geltung – farbige Schattenbilder. Die Musik hat solche Stimmungen übernommen, es werden Klänge ohne harmonischen Zusammenhang aneinandergereiht, rhythmische Formen verwischt und so farbflächig – impressionistisch – umgesetzt. Der Hauptvertreter dieser Stilrichtung ist Claude Debussy, gefolgt von Maurice Ravel. Auch ausserhalb von Frankreich fasste diese Art von Musik Fuss, etwa bei Delius, Scott, Skrjabin oder de Falla, und auch die Musik von Richard Strauss und Max Reger weisen impressionistische Züge auf.

80 Jahre Bartók in Gstaad
Es ist aber nicht nur der «hauseigene» Impressionismus, der die französische Musik prägt. Wie Christoph Müller sagt, spricht die gesamte französische Klangwelt eine eigene Sprache. So beinhaltet das Programm nicht nur Musik französischer Tonmeister wie Bizet, Saint-Saëns, Messiens, Rameau und viele andere vom Barock bis in die Neuzeit, sondern auch französische Interpreten. Der «pianiste en résidence» heisst Bertrand Chamaillon. Er spielt mehrere Konzerte in der Reihe «Semaine française», darunter im Duo mit Sol Gabetta oder als Solist mit einem Rezital. Zusammen mit dem Kammerorchester Basel zelebriert er auch die Gedenkfeier am 11. August in der Kirche Saanen, die an Béla BartÓks Aufenthalt und sein Wirken vor 80 Jahren in Gstaad erinnert. Es war damals das Kammerorchester Basel, für welches BartÓk das Divertimento schrieb. Gast war er im Chalet des Dirigenten Paul Sacher. Die Paul-Sacher-Stiftung in Basel stellt zu diesem Musikbeitrag eine Ausstellung mit Originaldokumenten zur Verfügung.

Direktbezug zu «Paris»
Weitere namhafte französische Interpreten sind im Festival unter anderem mit dem jungen Pianisten Jean Rondeau, dem Cellisten Gautier Capuçon, dem Orchestre philharmonique de Radio-France aus Paris, dem Orchestre national de Lyon oder dem Organisten der Eglise Notre-Dame vertreten sowie mit Olivier Latry, der am 28. Juli gar mit einem reinen Orgelkonzert in der Kirche Saanen aufwarten wird. Christoph Müller hat zahlreiche Ensembles und Künstlerinnen und Künstler aufgespürt – das Programm ist gespickt mit echt französischen, typischen Klängen und Interpretationen.

Vielfach besteht im Programm ein direkter Bezug zum Thema «Paris». So gibt es einen Zyklus «Semaine française». Aber auch die Tatsache, dass Sir Yehudi Menuhin, dessen Name das Festival trägt, einen prägenden Aufenthalt in Paris hatte, und auch, dass diese Stadt Mozart ebenfalls inspirierte, schlägt sich in einzelnen Anlässen nieder.

Instrumente – Stile – Vielfalt
Die einzelnen Instrumente treten im Festival wunderbar in Erscheinung. So sind beim Klavier Namen von Interpreten zu finden wie András Schiff, der in dieser Saison auch wieder einen Meisterkurs durchführen wird, Francesco Piemontesi, Khatia Buniatishvili, die Starpianistin Yuja Wang (mit der Staatskapelle Dresden am 6. September im Zelt), Seong-Jin Cho, der am 17. August im Zelt mit dem Gstaad Festival Orchestra auftreten wird, Fazil Say oder Claire Huangci, Gewinnerin des Géza-Anda-Wettbewerbs 2018, welche die Menuhin-Wochen eröffnen wird.

Grosse Namen auch unter den Violonisten: Vilde Frang, Isabelle Faust, Daniel Lozakovich, Hilary Hahn und Patricia Kopatchinskaja. Als Cellist tritt unter anderen Gautier Capuçon auf und fehlen wird auch Sol Gabetta nicht. Andere Instrumente, Flöte, Klarinette, Trompete, kommen ebenfalls nicht zu kurz. Der Gesang hat auch Grossartiges zu bieten: Da gibt es ein Wiedersehen mit Cecilia Bartoli, die am 23. August in der Kirche Saanen mit einem Gala-Orchesterkonzert mit «Les Musiciens du Prince» (Monaco) aufwartet. Ein weiterer gesanglicher Höhepunkt gibt es sicher in der konzertanten Oper «Carmen» von Bizet, die am 24. August im Zelt halbszenisch zur Aufführung gelangt, mit den Stimmen von Gaëlle Arquez, Mezzosopran, dem Tenor Marcelo Alvarez und der Sopranistin Julie Fuchs. So viel zu einzelnen Instrumenten. Toll ist die Programm-vielfalt mit Blick auf die Stile, den Musikgenre. Innerhalb der Klassik gibt es Bekanntes und Raritäten vom Barock über die Klassik und Romantik bis hin zur Moderne ein reiches Repertoire zu hören. Daneben gehören natürlich das Chanson und die Cabarettmusik (Sängerin Ute Lempre) zum französischen Musikgut. Ebenso wird dem Jazz in einer «Hommage à Django Reinhardt» gefrönt. Im Rahmen des Projekts «Discovery», in das auch Schulen und Institutionen eingebunden werden, gibt es erneut ein Kinder- und Familienprogramm. Am 4. September wird im Zelt der «Karneval der Tiere» von Saint-Saëns aufgeführt und erläutert. Im digitalen Bereich werden auch wieder Hintergrundberichte und Mitschnitte verfasst, und die verschiedenen Sparten der Acadedmy sowie die Amateurorchester- und die Jugendorchesterwoche sind auch im kommenden Jahr fester Bestandteil des klassischen Sommerfestivals.

Ein freches Experiment
Die Austragungsorte sind wiederum Lokale in und um Gstaad, Saanen, Lauenen, Gsteig, Rougemont, Château-d\\'Oex, Zweisimmen und seit letztem Jahr auch Boltigen. Neu hinzu gesellt sich die Lenk, die seit der Sommerakademie mit Kurt Pahlen keinen Sommer-Event mehr zu bieten hatte. In Zusammenarbeit mit Lenk Tourismus steigt jetzt das Gstaad Menuhin Festival mit zwei Konzerten (5. und 6. August) an der Lenk ein: eines in der Kirche und ein ganz spezielles in der Mehrzweckhalle, mit der Improvisationspianistin Gabriela Montero, die zu Charlie Chaplins Stummfilm «The Immigrant» (einem heute wieder aktuellen Thema) spielen wird.

Wie experimentierfreudig sich Christoph Müller immer wieder gibt, zeigen sowohl die beiden Uraufführungen, worunter eine Auftragskomposition von Tristan Murail (1. September im Zelt), wie das Konzert mit der Cellistin Sol Gabetta und dem Kammerorchester Basel vom 21. Juli in der Kirche Saanen unter dem Titel «Parfum et musique». Tatsächlich gibt es da nicht nur einen Ohrenschmaus, sondern auch einen «leckeren» Genuss für den Geruchssinn. Also eine sinnliche Erfahrung in zweifacher Ausführung. Bruno Soeiro verteilt zu seiner Musik nämlich mit vier verschiedenen Duftnoten besprühte Blätter im Publikum. Ergänzt wird diese zeitgenössische witzig-sinnliche Musik mit dem zweiten Cellokonzert von Saint-Saëns und der C-Dur-Sinfonie von Bizet.

Es findet sich also für jeden Geschmack etwas im reichhaltigen Programm. Der «Klangduft» von Paris wird sich während zwei Monaten über die ganze Region ausbreiten.

Vorverkauf für Billette im Festzelt ab 20. Dezember; für den Rest der Festival-Anlässe ab 1. Februar 2019.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote