Glauben ist wie Schokoladekuchen

  21.12.2018 Gstaad, Gesellschaft

Claudia Bach ist 31 Jahre alt, hat einen tiefen Glauben an Gott und ist in Kambodscha unterwegs, um die Welt mit viel Respekt vor den Menschen ein bisschen besser zu machen. Ein Land wie Kambodscha ist nicht einfach zu lieben, aber die Einheimischen sind es wert, dass man es probiert.

KEREM S. MAURER
Sie treffen sich in einem kleinen Team zu viert und frühstücken zusammen in Siem Reap, jener kambodschanischen Stadt, in der die berühmten Angkor-Wat-Tempel stehen. Es gibt, wie meistens, Schweinefleisch und Reis. Zwei von ihnen sind Khmer-Christen. Khmer nennt man die Einheimischen in Kambodscha und zwei von ihnen sind Christen aus dem Ausland. Eine davon ist Claudia Bach aus der Gruben, zwischen Schönried und Gstaad. Nach ihrem Frühstück besteigt die kleine Gruppe ein geländetaugliches Fahrzeug und fährt hinaus aus der Stadt, rund eine Stunde lang über holprige Strassen. Fröhlich winken sie den Menschen zu, denen sie auf ihrer Fahrt in ein kleines Dorf namens Da Hok begegnen. «Beziehungen pflegen ist für unsere Arbeit sehr wichtig», sagt Claudia Bach.

Die 31-jährige Theologin ist im Auftrag der Organisation OMF International (Overseas Missionary Fellowship) unterwegs, um den Khmer den christlichen Glauben nahezubringen oder besser ausgedrückt: in einer liebevollen Art vorzuleben. Etwa zweimal in der Woche fährt sie mit ihren Teamkollegen und -kolleginnen in dieses Dorf. «Da Hok ist ein typisches kambodschanisches Dorf», erzählt sie. «Die Einwohner sind Reisbauern, ihre Häuser, unter denen sie ihre Kühe anbinden, stehen auf Holzstelzen und sie kochen auf offenen Feuerstellen.» Eine Foto-Idylle in den Augen der «Westler». Claudia Bach berichtet von einer alten Frau im Dorf, die sie jedes Mal zuerst besuchen, wenn sie nach Da Hok kommen. Das sei sehr wichtig, denn von ihr und ihrer Familie, die den Christen wohlgesinnt seien, werden sie eingeladen. «Die Einladungen dieser Familien geben uns das Recht, das Dorf zu besuchen und uns hier mit den Menschen zu unterhalten», fügt Bach hinzu. Sie sprechen mit den Einheimischen in deren Sprache, die sich ebenfalls Khmer nennt. Auch das ist wichtig, so begegnet man sich auf Augenhöhe und spricht nicht in einer Sprache, welche die Missionare besser beherrschen als die Einheimischen, wie zum Beispiel Englisch.

Wenn es um das Thema «Missionieren» geht, spricht Claudia Bach mit Bedacht, wählt ihre Worte vorsichtig und weist immer wieder darauf hin, dass es bei ihrer Arbeit nicht darum gehe, den Khmer den westlichen Glauben und die westliche Kultur aufzudrängen. Westliche Kultur sei in der Missionsarbeit oft mit dem christlichen Glauben gleichgesetzt worden, und das sei nicht korrekt. Diesen Fehler gelte es zu vermeiden.

«Wenn jemand meinen Glauben als kostbar erachtet und annehmen will, braucht er dazu weder meine Vorstellung von Fortschritt noch meine Kultur!», betont die engagierte Christin.

Erst die Sprache, dann die Arbeit
Seit vier Jahren wohnt und arbeitet Claudia Bach in Kambodscha. Die ersten beiden davon, so erzählt sie gegenüber dieser Zeitung, war sie in Phnom Penh, um die Sprache zu lernen. Khmer sei eine alphabetische Sprache. Das heisst, jeder Laut habe wie bei uns einen eigenen Buchstaben. Das sei einfacher zu lernen als eine Silbensprache, wie es beispielsweise die chinesischen Sprachen sind. Erst nach diesen zwei Jahren wurde sie einem bestehenden Team als Mitarbeiterin zugeteilt. «Der Umgang mit den Menschen im direkten Gespräch hat meinen Sprachkenntnissen einen entscheidenden Schub gegeben», sagt sie. Dennoch gäbe es nach wie vor Themen, über die sie sich nicht zu sprechen traue, weil sie sich zu wenig gut ausdrücken könne.

Für Claudia Bach ist es wichtig, mit den Khmer in ihrer eigenen Sprache zu sprechen. «Wenn wir Khmer sprechen, benutzen wir eine Sprache, welche die Einheimischen besser beherrschen als wir», erklärt die Theologin. Das sei wichtig, um den Khmer nicht das Gefühl zu vermitteln, Menschen aus dem Westen könnten und wüssten alles besser als sie. Gerade in Kambodscha sei, hinsichtlich der schwierigen Geschichte dieses Landes (siehe Kasten), diesbezüglich Fingerspitzengefühl von grosser Bedeutung.

Was man liebt, will man teilen
Natürlich haben die Khmer ihren eigenen Glauben, erklärt Claudia Bach. «Die Mehrheit sind Buddhisten, aber ihr Alltag ist sehr stark von Animismus (=Allbeseeltheit) geprägt.» Davon gehe enorm viel Angst einher vor Geistern, Mächten und Gewalten. «Es gibt sogar einen Dorfgeist, der für das Dorf zuständig ist!», weiss Bach. Jede dieser Mächte – Claudia Bach verzichtet bewusst auf den vorbelasteten Begriff «Dämonen» – werde anders verehrt, mit verschiedenen Altären und Zeremonien gelobt oder besänftigt.

Ist das Christentum denn wirklich besser? «Religionen sind konkurrierende Weltbilder und alle grossen Religionen haben einen Absolutheitsanspruch, das ist ein Teil davon», ist Claudia Bach überzeugt. Und, nein, es sei keine Frage von besserer oder schlechterer Religion. Wenn gläubige Menschen – egal ob sie denselben Glauben haben oder nicht – aufeinandertreffen, entstehe ein Austausch über den Glauben. Und als gläubige Christin sei es ihr Weltsystem, dass der christliche Glaube etwas sei, das auch für andere Menschen und nicht nur für ein auserwähltes Volk gelte. Es sei wie mit Schokoladekuchen: Wenn man etwas liebt und gerne hat, will man es auch teilen! Oder mit Claudia Bachs Worten formuliert: «Wovon man von Herzen überzeugt ist, das trägt man nach aussen. Was man liebt, will man teilen.» Ihre Arbeit werde nicht an der Anzahl neuer Christen bewertet. Aber natürlich hofft Claudia Bach, dass Menschen durch sie ihren christlichen Glauben entdecken können. Finanziert wird ihre Arbeit durch private Geldgeber und Sponsoren aus Claudia Bachs direktem Umfeld, die ihr Wirken unterstützen.

«Ein Land kann ich nicht lieben»
Auf die Frage, warum Claudia Bach ausgerechnet in Kambodscha gelandet sei und ob sie dieses Land liebe, sagt sie ganz bestimmt: «Nein, ein Land kann ich nicht lieben.» Lächelnd ergänzt sie, dass Kambodscha von seiner Natur her viel weniger bieten könne als das Saanenland – trotz Anstoss an den thailändischen Golf. Der Regenwald sei weitgehend abgeholzt, die einst dort einheimischen wilden Leoparden, Tiger und Elefanten praktisch ausgerottet. Das System in Kambodscha sei korrupt, häusliche Gewalt weitverbreitet, Prostitution und Menschenhandel an der Tagesordnung. Zwischen Arm und Reich klaffe ein extrem grosses Loch. Sie habe sich die Frage gestellt, welches Land von ihr als christliche Theologin profitieren könne. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung für Kambodscha waren die vielen Möglichkeiten, die es in der dortigen christlichen Kirche im Bereich Seelsorge und theologischer Ausbildung gebe. Das habe sie besonders angesprochen. Viele Khmer hätten Traumata und schwierige Lebensgeschichten, die nicht aufgearbeitet seien und ihr Leben bestimmten. Auch gebe es dort zwar zwei Krankenhäuser, wo man wohl Medikamente kaufen, aber kaum therapeutische Ansätze oder seelsorgerische Hilfe bekommen könne. Darin sieht Claudia Bach Möglichkeiten für ihre Zukunft.

Momentan ist sie nach vier Jahren in Kambodscha wieder zu Hause in Gstaad im Heimataufenthalt. Sie arbeitet im Evangelischen Gemeinschaftswerk in Gstaad (EGW) mit und macht eine Weiterbildung als psychosoziale Beraterin auf christlicher Basis. Leute in ihrer Organisation, welche diverse Ausbildungen in dieser Richtung gemacht haben, überlegen sich jetzt zusammen mit anderen Organisationen, wie man in Kambodscha das Gesundheitswesen mitgestalten könnte. «Menschen brauchen Tools, um mit anderen Menschen mit Belastungen umgehen zu können.»

Claudia Bach wird im kommenden August wieder nach Kambodscha reisen, um sich, ihr Leben und ihr Wissen an der Seite von Khmer und anderen Ausländern einzusetzen und einzubringen.


SICHERHEIT IM STURM

Claudia Bach: «Die Vergangenheit ist wie eine Wolke, die über den Menschen schwebt. Kriegstrauma, Alkoholismus und häusliche Gewalt. Diese Wolke überschattet ihr Dasein, doch die Menschen haben sich an sie gewöhnt. Aber sie können sich nicht richtig mit dieser Wolke auseinandersetzen, weil sie keine tauglichen Werkzeuge haben dafür. Und dann fängt es an, aus dieser Wolke zu regnen, Emotionen und Gefühle brechen an die Oberfläche und die Menschen drohen zu ertrinken. Für diese Menschen ist es ganz wichtig zu wissen, dass, wenn es regnet, sie Leute haben, die mit ihnen durch diesen Regen gehen und dass christliche Gemeinden Orte sind, in denen sie sicher sind in diesem Sturm.»


KAMBODSCHA

Das südostasiatische Königreich Kambodscha liegt am Golf von Thailand zwischen Thailand, Laos und Vietnam. Die Hauptstadt ist Phnom Penh und die Sprache heisst Khmer. Heute ist Kambodscha eine parlamentarische Wahlmonarchie, das Staatsoberhaupt ist der König, und es zählt rund 16 Millionen Einwohner.
1863 kam Kambodscha unter französische Vorherrschaft und wurde ein Teil von Französisch-Indochina. Kambodscha wurde 1953 unabhängig und nach einem Militärputsch 1970 in den zweiten Indochinakrieg hineingezogen. Nach etlichen Bürgerkriegsjahren errichteten die Roten Khmer 1975 eine Schreckensherrschaft, die je nach Schätzungen zwischen 1,7 Millionen und weit über 2 Millionen Menschenleben forderte. 1979 wurden die Roten Khmer durch die Vietnamesen entmachtet, die das Land zehn Jahre lang besetzten. Die Roten Khmer leisteten in dieser Zeit guerillamässigen Widerstand. 1989 erfolgte unter der Mitwirkung der UNO ein Friedensabkommen und der Neuaufbau stattlicher Strukturen, welcher 1993 mit einer Verfassung und der Wiederherstellung der Monarchie endete. Zu diesem Zeitpunkt war Kambodscha eines der ärmsten Länder der Welt.

QUELLE: INTERNET


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