Kirschblüten ersetzen Schnee

  07.12.2018 Kultur, Event, Schönried

Harmonieren libanesische Kaffeehausgeschichten und Jazz? Erstaunlicherweise schon, wie der kulturelle Abend im Wellness- & Spa-Hotel Ermitage in Schönried bewies.

BLANCA BURRI
Die Liebe macht erfinderisch. Das beweist auch die Geschichte vom arabischen Kalifen, der im 12. Jahrhundert in Portugal lebte und ein grosses Reich rund um Lissabon regierte. Jusuf Naoum erzählte, dass der Kalif beim Volk sehr beliebt war, da er Schulen und Krankenhäuser unterhielt. Auch seine tolerante Art, was den Glauben betraf, kam bei den Andersgläubigen gut an. Der Kalif verliebte sich schliesslich unsterblich in die Tochter eines spanischen Handelspartners. «Sie war wunderschön. Sie war belesen und klug. Sie war aus gutem Haus. Er verliebte sich aber wegen etwas anderem in die junge Dame mit dem blonden Haar und den blauen Augen», erzählte Naoum in blumigen Worten. «Es war der Limonenduft, nach dem sie roch.» Nicht, dass sie sich mit Limonenparfüm bestäubt hätte. «Sie duftete ganz einfach so», beteuerte der Schriftsteller am vergangenen Dienstagabend.

Der Schnee fehlt
«Die Hochzeit dauerte 40 Tage und 40 Nächte», führte der Kaffeehausgeschichtenerzähler aus. Nach einem wunderschönen halben Jahr an der Seite ihres reichen Ehegatten wurde sie krank. Die renommierten Ärzte aus der ganzen Welt waren ratlos. Sie habe nur noch ein halbes Jahr zu leben, war ihr ernüchternder Befund. Der traurige Kalif beschloss, mit ihr in ihre alte Heimat zu reisen, damit sie sich von ihren Eltern verabschieden könne. Einen Monat lang zog der grosse Tross mit Elefanten und Pferden in den Norden. Als sie über die hohen Pässe in heimatliche Gefilde gelangten, blühte die Kranke auf. Sie freute sich am Schnee und spielte mit ihm. Sie fuhr sogar Ski (im 12. Jahrhundert!), wie Jusuf Naoum behauptete. Nach der Genesung kehrte das Paar nach Lissabon zurück, wo der Kalif einen Garten voller Kirschbäume pflanzen liess. Die weissen Blüten erinnerten seine Frau an den Schnee und liessen sie gesund bleiben. Das Paar lebt, wenn es nicht gestorben ist, bis heute. Ihre Familie wächst von Jahr zu Jahr, weil die Ehefrau ihrem Mann regelmässig Kinder gebärt.

Funktioniert das auch bei uns?
Ob Kirschblüten dereinst auch in unserer Höhenlage den Schnee ersetzen werden, bleibt fraglich. Sicher ist aber, dass der Geschichtenerzähler die Zuhörer mit seinen bildhaften Beschreibungen und den grotesken Übertreibungen unterhielt. Seine verrückten Ausführungen unterstrich Patrick Bebelaar mit leisen und lauten Klavierklängen. Die erst filigranen Melodien gipfelten immer in hochkomplexer, jazziger Vollkommenheit. Die beiden in Deutschland wohnhaften Künstler freuten sich nach einer noch wilderen Geschichte über Onkel Howdoyoudo und Donald Trump selbst über den gelungenen Abend und meinten: «Wenn ihr wissen möchtet, wie die Geschichte weitergeht, so kommt ins Kaffeehaus.»


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