Saanen trotzt der Kälte mit Paukenschlag und Glockenspiel

  28.12.2018 Kultur

Das alte Jahr wurde in der Altjahrswoche energiegeladen und ganz ohne Sentimentalität ausgeläutet. Die bis auf den letzten Platz gefüllte Saaner Mauritiuskirche ertönte am 26. und 27. Dezember mit energischen Streichern und raffinierten Klaviersoli.

Mit Reto Reichenbach am Klavier und Michael S. Bach in der Leitung hatte das Orchestra degli Amici Unterstützung durch Musiker aus der Region. Das Orchester mit Konzertmeisterin Theresa Bokany inszenierte sich mal zahm, dann wieder rasant und stets mit musikalischer Präzision.

Das Orchester gleichauf mit dem Klavier
Den Auftakt gaben Streicher mit Wolfgang A. Mozarts Klavierkonzert in d-Moll, KV 466. Gedämpfte Bässe steigerten sich mit den einsetzenden Bläsern und schliesslich dem ganzen Orchester zu einem unruhigen Klangteppich.

Reto Reichenbach übernahm nach dieser Exposition und fuhr leichtfüssig und verträumt weiter. In der Folge standen das Klavier und das Orchester im harmonischen Wechselspiel und ergänzten einander mit wunderbaren Einfällen. Das dramatische Klavierkonzert endete in grossem Beifall. In der Zugabe begeisterte Pianist Reichenbach mit einem nicht minder dramatischen kurzen Stück, das er launisch und nonchalant präsentierte. Seine unangestrengten und brillanten Triller sorgten für Raunen im Publikum. Unter unablässigem Applaus brachte der Pianist seine Soli zu Ende.

Ein bisschen Ironie statt klassischem Ernst
Beinahe nahtlos schloss das Orchester an und blieb bei Mozart. In der fulminanten Ouverture «La Nozze di Figaro«, KV 492, von Figaros Hochzeit, zeigte es all sein Können. Äusserst klangvoll liessen heitere Violinenläufe die Turbulenzen der bevorstehenden Hochzeit erahnen. Mit Enthusiasmus führte Dirigent Michael S. Bach durch das Intermezzo. Fröhliche Bläser traten immer wieder aus der Aufregung der Streicher hervor und verliehen der feierlichen Ouverture wohlwollende Ironie. Der Vortrag endete schwungvoll.

Diese Energie nahm das Orchester mit in das nächste Stück. Es folgte Joseph Haydns Sinfonie Nr. 94 in G-Dur mit dem Paukenschlag. Nach einem sanften und manchmal ruhigen Adagio fügte sich das kunstvolle Andante mit dem ersten Paukenschlag an, für welches die Sinfonie ihre Bekanntheit geniesst. Das Finale im Walzertakt bewegte zum innerlichen Mitwiegen. Mit zwei energischen Takten kam die Sinfonie zum Schluss.

Die Zugabe gestaltete der Dirigent eigenwillig mit weihnächtlichem Glöckchenspiel und auch im allerletzten Schlusstakt zeigte das Orchester, dass ihm der Schalk im Nacken sitzt. Ein kecker Trompetenstoss erregte Gelächter, das sogleich in nicht enden wollenden Applaus überging. Mit diesem gewitzten Übermut wurde das Publikum nach draussen in die klirrende Kälte entlassen.

JULIA OCHSENBEIN


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