Wir feiern 500-Jahr-Jubiläum

  28.12.2018 Kirche

Das Jahr 2019 ist das Jubiläumsjahr der Zürcher Reformation 1519.

Liebe Leserin, lieber Leser
Sie werden sich nun vielleicht denken: Reformationsjubiläum? Das war doch vorletztes Jahr. Und Sie haben ja auch recht: 2017 war das Jubiläum der lutherischen Reformation. Da wir Evangelisch-Reformierten in der Schweiz aber doch etwas anders geprägt sind, möchten wir das Zwinglijahr nun mit Ihnen feiern. Wir hoffen, Sie freuen sich gemeinsam mit uns darauf!

Die Evangelischen Kirchen Saanenland (reformierte Kirchgemeinden Lauenen und Saanen-Gsteig; Evangelisches Gemeinschaftswerk, Evangelisch-methodistische Kirche, Christliches Begegnungszentrum und die Heilsarmee) stellen anlässlich dieses Jubiläums ein grosses Projekt auf die Beine: Wir wollen (ähnlich dem Ostergarten vor einigen Jahren) im November den Menschen in einem «Reformationsgarten» die Möglichkeit geben, in die Geschehnisse von vor 500 Jahren einzutauchen. Weiter freuen wir uns auf den Zwingli-Film, der am 17. Januar 2019 im Ciné-Theater Gstaad Vorpremiere feiert (in Anwesenheit von Team und Darstellern).

Aber nun ein paar Worte zur Zürcher Reformation:

Die Zürcher Reformation aus reformierter Sicht
Als evangelisch-reformierte Landeskirche führen wir die von Huldrych Zwingli und Heinrich Bullinger begonnene Reformation weiter. Dies aus der tiefen Überzeugung, dass Reformation kein Besitz und die Kirche immer wieder neu zu reformieren ist. Das war ein Leitmotiv der Reformatoren. «Ecclesia semper reformanda» (Die Kirche ist stets zu erneuern): Diese Formel drückt inhaltlich ein Grundanliegen der Reformation aus. Dabei geht es um die stets neu zu erfolgende Rückbesinnung, Ausrichtung auf Christus und das Evangelium, keine Anpassung an den Zeitgeist, aber ein mutiges Auftreten für die Sache.

Kirchliche Traditionen und christliche Identität befinden sich heute in tiefgreifendem Wandel. Gesellschaftliche Umbrüche und Traditionsabbrüche, verschiedene Entwicklungen und Anstrengungen fordern das kirchliche und theologische Selbstverständnis heraus. Das heisst, wenn wir als Kirche von Reformen sprechen, geht es um weit mehr als um Strukturen. Es geht um die stets neu zu entdeckende und frisch umzusetzende Botschaft des Evangeliums.

Mit dem Reformations-Jubiläum freuen wir uns gemeinsam an der Wiederentdeckung des Evangeliums und seiner befreienden, Hoffnung vermittelnden Botschaft damals und es inspiriert uns, Gleiches heute zu tun – eben immer wieder neu. Das ist unsere lebendige Tradition, die die Herzen von Menschen erreichen soll.

Gleichzeitig wollen wir – am Jubiläum verstärkt – darüber nachdenken, woran wir uns orientieren, was wichtige Leitplanken sind und wie wir heute zu ihnen stehen.

Fragen, die uns dabei beschäftigen:
• Wer sind wir als Kirche? Woher kommen wir? Wer wollen wir sein?
• Worin besteht unser gesellschaftlicher Auftrag aufgrund des Evangeliums?
• Ist unser Gottes- und Menschenbild zeitgemäss?
Ein Jubiläum wie das Reformationsjubiläum 2019 soll zu Fragen anregen und uns Perspektven für die Zukunft öffnen. Ein Jubiläum ist nur dann sinnvoll, wenn es Freude macht, Raum zum Nachdenken bietet und in verschiedener Form etwas weiterträgt. Wir wollen feiern, reflektieren und inspirieren – jubilieren für die Zukunft.

WAS feiern wir?
Historische Grundlagen
Es gärte schon länger im Abendland, Stimmen und Rufe nach Erneuerung verhallten um 1500 immer weniger. Vielerorts regierten Unrecht, Gewalt, Krankheit. Die Kirche ist omnipräsent. Doch: Wem dient die Kirche? Wer hat das Recht und die Macht, Missstände in Kirche und Gesellschaft zu korrigieren? Die Angst vor dem Fegefeuer wurde zum «Katalysator» in einer gewaltigen «Fundraising-Maschinerie»: Die Kirche, die auf dem Felsen Petrus gebaut worden war, errichtete ihre grösste Kathedrale auf dem schlechten Gewissen der Menschheit: Der Ablasshandel blühte. Einerseits blieb das Bedürfnis nach Religiosität gross, anderseits wuchs das Bewusstsein, dass die eine katholische Kirche einer Erneuerung, einer Rückbesinnung auf das Wort, bedurfte – Reformation lag in der Luft. Quasi vor Zürichs Haustür war am Konzil zu Konstanz (1414 bis 1418) die «Causa Reformationis», die Erneuerung der Kirche, als öffentliches Thema ein erstes Mal prominent vorgetragen worden. Zwar wurde mit Jan Hus (1370 bis 6. Juli 1415) eine reformatorische Stimme zum Schweigen gebracht, die Sache liess sich aber nicht mehr ersticken.

Schliesslich war aber die Zeit gekommen: Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther seine berühmten Thesen an die Schlosstür zu Wittenberg.

Wie weit diese Hammerschläge den historischen Tatsachen entsprechen, sei dahingestellt. Der Wiederhall der Tat, der Anstoss zur Reformation, war auch in der Eidgenossenschaft zu hören. Der Humanismus, der den denkenden und mündigen Menschen ins Zentrum stellte, war der Humus, der Nährboden für kritische Stimmen, die es genauer wissen wollten und in dieser geistigen Strömung der Renaissance die Quellen mit neuem Blick zu lesen begannen.

So war es nur eine Frage der Zeit, bis Renaissance und Reformation auch in Zürich im humanistisch gebildeten Pfarrer Ulrich Zwingli zusammenfanden. Er brachte die Reformation in Zürich ins Rollen. Nach seinem Tod 1531 waren es sein Nachfolger Heinrich Bullinger und Zwinglis Mitstreiter, die das Errungene auf eine tragfähige Basis im Schosse staatlicher Strukturen brachten.

Den Reformatoren ging es nicht einfach um Veränderung an sich. Dass es zu einem schmerzlichen Prozess in Form einer Kirchenspaltung kommen musste, lag nicht in ihrer Absicht. Sie wollten sich ganz im Wesen des Wortes «Reformation» innerhalb der einen Kirche davon befreien, was den Blick auf das Wesentliche verstellt hatte, und so wieder Anschluss an die alte Kirche zu finden.

Mit dem Wirken Ulrich Zwinglis begann in Zürich und von hier ausgehend die Reformation, die die Grundlage der evangelisch-reformierten Kirchen in der Schweiz darstellt, aber auch Wirtschaft, Politik und Gesellschaft der Eidgenossenschaft nachhaltig, bis heute, geprägt hat.

2019 gedenken wir dieser historischen Ereignisse. Wir sind uns auch der schmerzlichen Folgen der Trennungen bewusst. Unser Fokus liegt vor allem auf der geistigen Erneuerungskraft der Reformation, der Freude an der Wiederfreilegung des Evangeliums damals und wie diese heute und künftig Kraft entwickeln kann. Das Erbe der Reformation gehört nicht der reformierten Landeskirche allein, sondern allen evangelischen Kirchen und der ganzen Gesellschaft.

Wir feiern Tradition, die zur Innovation befähigt.
Tradition besteht nicht nur aus dem, was gewissermassen schon immer so war, worauf man sich besinnt, Tradition ist auch eine innovative Kraft, die in die Zukunft weist. «Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.» Dieses Zitat, zwar eines humanistischen Zeitgenossen Zwinglis, aber alles andere eines Freundes der Reformation (Thomas Morus), kann als Motto für diese Erneuerungskraft und das stetige Fragen nach ihr verstanden werden. Erneuerung ist das eine, nimmt man Reformation ernst, geht es aber vor allem auch um Rückbesinnung. Die Reformatoren gingen mit ihrem Blick auf die Quellen zurück zu den Wurzen: Was macht uns als Kirche aus, wenn wir uns auf die Autorität des Wortes, der Bibel, zurückbesinnen?

Das Jubiläum soll die Blickrichtung noch bewusster auf die Frage fokussieren, welche Erkenntnisse und Kräfte der Reformation sich für die Gestaltung der Zukunft als tragfähig erweisen. Andere Elemente des reformierten Erbes werden als Erinnerung an endgültig Vergangenes aufbewahrt bleiben, wieder andere werden als Irrweg der Vorfahren ausgeschlossen werden müssen – so etwa die Verdammung anderer. Christinnen und Christen werden also im Rahmen des Jubiläums vor allem nach dem Erneuerungspotenzial des durch die Reformation neu ans Licht getretenen Evangeliums fragen: für das Individuum, für Gemeinde und Kirche sowie für Gesellschaft und Welt. So geht es nicht primär um das Gründungsjubiläum der Zürcher oder einer anderen protestantischen Kirche oder gar um die unkritische Verehrung einzelner Protagonisten. Das Erbe der Reformation als grossartigen Triumph zu verallgemeinern, würde ihrem Wesen und Anliegen nicht gerecht. Zwinglis Reformation reduzierte die kirchliche Lehre und Praxis radikal aufs Wesentliche und Tragfähige, um Gott und den Menschen unter den damaligen Gegebenheiten angemessen zu dienen. Die heutige, im Kern analoge Aufgabe der Kirche ist keine geringere. Schon in diesem spezifisch zwinglianischen Ansatz von Reformation als Konzentration aufs Wesentliche liegt einer der Schlüssel zur gelingenden Erneuerung der Kirche heute. «Ecclesia reformata semper reformanda» – eine Kirche ist nicht einfach ein für alle Male «reformiert», sondern bleibt nur reformierte Kirche, wenn sie sich stets neu reformiert, sich immer neu zu ihren Quellen hin öffnet. Eine solche Kirche lebt vom Zuspruch und Anspruch der Frohen Botschaft, die ihr und allen Menschen immer neu entgegenkommt. Sie darf dabei gewiss sein, dass die Reformation der Kirche letztlich nicht aus dem eigenen Sorgen und Mühen, sondern aus Gottes Verheissung heraus geschieht und unverfügbar bleibt.

Denn Reformation war und ist auf Veränderung aus und lehrt, kritisch nach vorne und niemals unkritisch nach hinten zu blicken.

MARIANNE AEGERTER / MIRJAM SCHMID


BEREITS GEPL ANTE VERANSTALTUNGEN ZUM REFORMATIONSJUBIL ÄUM 2019

Wir freuen uns, mit Ihnen das Zürcher Reformations-Jubiläum 2019 zu feiern. Folgende Veranstaltungen sind bereits geplant:
– 17. Januar 2019, 20.30 Uhr: Vorpremiere Zwinglifilm im Ciné-Theater Gstaad
– 2. November 2019: Podiumgespräch mit Prof. Dr. Martin Sallmann, Pfr. Mag. theol. Peter Henning und Dr. Matthias Wenk.
– 3. November 2019: grosser Reformationsgottesdienst in der Kirche Saanen
– 3. bis 17. November 2019: Reformationsgarten für Führungen geöffnet


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