300-Kilometer-Marke noch nicht geknackt

  22.02.2019 Sport

Chrigel Maurer wollte am diesjährigen Wispile XC Contest einen Streckenflug von 300 km hinlegen. Fast hätte er es geschafft.

BLANCA BURRI
Bei Streckenflügen gelingen Gleitschirmpiloten nicht selten Flüge von mehreren Hundert Kilometern. So auch Christian Erne, der letztes Jahr in Brasilien unglaubliche 520 Kilometer am Stück gleitete. Der Zürcher Oberländer lässt auch in der Schweiz nichts anbrennen. Am Wispile XC Contest holte er sich 2018 mit 224,42 Kilometern den zweiten Rang. Ungeschlagen bleibt aber der Adler von Adelboden alias Chrigel Maurer mit 292,61 Kilometern. «Eigentlich wollte er die 300-Kilometer-Marke knacken», wusste Felix Aegerter, Präsident des Gleitschirm Clubs Gstaad (GCG) an der Preisverleihung beim alljährlichen Winterhöck im Restaurant North Pole in Saanen.

Seriensieger und Traumtag
Chrigel Maurer gewann den Wispile XC Contest bereits zum vierten Mal in Folge. Erstmals aber konnte er den Preis vor einer Woche nicht selbst abholen, weil er mit einer Mittelohrentzündung im Bett lag. Auch weitere Gleitschirmcracks wie Sebastian Huber und Kari Eisenhut waren in den vergangenen Jahren jeweils am Start. Noch vor zwei Jahren kam man mit 148 Kilometern aufs Podest. 2018 flogen die Piloten fast doppelt so weit. «Das beweist, wie gut das Flugwetter war», betonte der Präsident. Besonders der zweitletzte Tag im Juli entpuppte sich für die Piloten als Traumtag: Alle Podestflüge fanden an jenem Montag statt.

«Als ich auf die Wispile kam, war bereits die ganze Prominenz vor Ort: Chrigel Maurer und Chrigel Erne», blickt der drittplatzierte Thomas Rast auf jenen Morgen zurück. Das habe ihm gezeigt, dass ideales Flugwetter herrscht. «Breits ein paar Tage vorher wurden über 200 Kilometer erreicht, ich wusste, dass ich weiter fliegen musste, falls ich aufs Podet wollte», fügte er schmunzelnd an.

Durch Zufall gestartet
Am XC-Contest zählt nicht nur die Länge des Fluges, sondern vor allem auch die Form: Am meisten Punkte gibt es für einen Flug in Dreiecksform. Mit einem gleichschenkliges Dreieck erreicht man am meisten Punke. Um als Dreieck gewertet zu werden, muss dieses nicht zu 100 % geschlossen werden, also befinden sich der Start und die Landung meist nicht genau am gleichen Ort.

«Wie kommt ein Zürcher Oberländer dazu, im Berner Oberland zu starten?», wollte Felix Aegerter von Christian Erne wissen. Die Geschichte hörte sich spannend an. «Ich wollte mit meinen WG-Kollegen eine schöne Melkerin besuchen, die den Sommer im Saanenland verbrachte», sagte er verschmitzt. Da er nicht gerne eingeklemmt in einem kleinen Wagen sitze, habe er beschlossen mit ÖV und Gleitschirm anzureisen. Somit sei er bis auf den Niesen gefahren und von dort ins Saanenland geflogen. Weil am besagten Folgetag so gutes Flugwetter vorausgesagt war, hat der erfahrene Pilot die Chance gepackt und den Contest spontan in Angriff genommen.

Krach mit der Technik
Christian Erne ist ein Naturbursche. Er hat das Fliegen im Blut und verlässt sich nicht einzig auf die Technik. Das merkt man, wenn man seinen Erzählungen zuhört. Dasselbe gilt, wenn man sein Handy betrachtet, auf dem eine ziemlich ausgeprägte Form von Spider-App (Defekt) geladen ist, sodass die Bedienung nur bedingt gelingt. «Auch während meinem Flug hatte ich manchmal etwas Krach mit der Technik», lachte er. Die trockene Art lässt die Zuhörer schmunzeln. Er erzählte, wie ihm die geplante Flugroute nicht ganz gelingen wollte, als er lange nicht auf die entsprechende Höhe gelangte, um ein Tal zu überqueren und sich dies als schwierig gestaltete. Er meinte knapp: «Ich hatte eine grössere Baustelle.» Das machte seiner guten Leistung aber keinen Abbruch. Trotz Baustelle gelang ihm ein ausgezeichneter Flug. Am meisten ärgerte ihn aber, dass er während dem Flug seinen Plan änderte, weil er sich von der Konkurrenz ablenken liess und dadurch den Wendepunkt abändernte. «Eigentlich hätte ich bis zur Grimsel fliegen wollen», sagte er den Clubmitgliedern. Stattdessen flog er den Walliser Alpen entlang bis nach Lenk.

Niveau-Unterschied
«Den Niveau-Unterschied zwischen den Profis und mir bemerkte ich beim Wendepunkt im Saastal», meinte Thomas Rast. Beim Weissmies kehrte er aufgrund des Gegenwindes um, Chrigel Maurer und Christian Erne aber flogen weiter bis ins Gebiet des Pizzo d’Andolla bzw. Stellihorn, wo sie schliesslich den Wendepunkt setzten. Chrigel Maurers erster Wendepunkte lag in Chamonix und Thomas Rasts bei Lesyin. Der zweite und dritte Wendepunkt lagen im Saasertal und im Entlebuch, bevor sie schliesslich am Thunersee landeten.

Wetter machte Strich durch Rechnung
Drei Jahre in Folge hatte der GCG versucht, die Gleitschirm-Schweizermeisterschaft im Saanenland zu organisieren. Drei Mal machte ihnen das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Mit dem Geldstock, den der Club von 2010 bis 2012 für den Grossanlass auf die Seite gelegt hatte, wollte er etwas Besonderes machen. «Thomas Rast hatte die Idee, einen Streckenflug-Wettbewerb ins Saanenland zu holen», informierte Felix Aegerter. Gesagt getan: Seit 2013 gibt es den Wispile XC Contest, der Teil des nationalen und internationalen XC Contests ist. «Wir haben unser Ziel erreicht», frohlockte Aegerter, denn der Club habe mit dem Contest in der Szene auf die Attraktivität der Region hinweisen wollen. «Bei uns startet man zu den besten Flügen der Welt, das hat der Vergleich in der XC-Contest-Reihe gezeigt.»

Flugvideo: http://tinyurl.com/y5x6hqkn

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AUFGABEN DES GLEITSCHIRM CLUBS GSTAAD

Der Gleitschirm Club Gstaad wurde 1987 gegründet und zählt heute etwa 100 Mitglieder. In erster Linie kümmert sich der Club um die Start und Landeplätze im Saanenland. Dazu muss er mit Landeigentümern, Pächtern, Wildhut, Flugplatz und weiteren Personen verhandeln, um das Gleitschirmfliegen im Saanenland möglich zu machen. Die Gastpiloten können im Saanenland noch ohne Lande- oder Startgebühr fliegen. Das ist in anderen Destinationen anders, dort wird einkassiert. Die jährlichen Entschädigungen für Lande- und Startplätze zahlt der Club aus eigener Kasse ohne Mithilfe von der Gemeinde oder Organisationen, die vom Tourismus profitieren.


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