Die Krypto-Pioniere von Gstaad

  01.02.2019 Wirtschaft

Im Saanenland wagen sich die ersten Geschäfte an Versuche mit Bitcoins und anderen Kryptowährungen. Viele warten aber noch ab, wie sich der Markt mit dem virtuellen Geld weiterentwickelt.

SABINE REBER
Für die meisten Menschen ist das noch eine mysteriöse Sache: Alle reden von Bitcoins und Kryptowährungen, aber kaum jemand versteht, wie das tatsächlich funktioniert. Auch im Saanenland hätten einige, vor allem jüngere Leute aus der Gamerszene, schon mit dem virtuellen Geld experimentiert, ist hier und dort zu hören. Und unter den vermögenden Gästen würden sich nicht wenige sogenannte Kryptomillionäre befinden. Aber das wissen bei genauerem Nachfragen alle nur vom Hörensagen, und offen über das Thema reden will dann doch niemand von denen, die Bescheid wissen.

Schauen, was passiert
In Gstaad gibt es einige wenige Pioniere unter den Geschäften, die nun Bitcoins und andere Kryptowährungen akzeptieren. Das «Private Snowsports Team psst» wirbt auf seiner Webseite damit, dass der Unterricht auch mit den beiden bekannten Kryptowährungen Bitcoin oder Ethereum bezahlt werden kann. Inhaber Stef Reber sagt: «Wir wollten schauen, was passiert, also haben wir letzten Herbst beschlossen, das einfach mal anzubieten. Aber bis jetzt hat noch niemand davon Gebrauch gemacht. Das Interesse ist schlicht gleich null!» Ein Thema sei die Kryptowährung hingegen schon, vor allem bei den jüngeren Gästen, die das cool und interessant finden. Aber darüber reden und die Kryptowährung dann tatsächlich selber verwenden, das sind offenbar noch zwei verschiedene Sachen. Reber jedenfalls meint, wenn bis im Frühling keiner komme, der tatsächlich mit Bitcoin oder Ethereum bezahlen wolle, dann würden sie das Angebot erst mal wieder von der Webseite löschen. der Würzbar in Gstaad, der zu den Krypto-Pionieren im Saanenland gehört. In seinem Laden kann man seit einem Jahr mit verschiedenen Kryptowährungen bezahlen. Hier werden sogar Kryptos geschürft. Auf zwei Bildschirmen rauschen Zahlen durch. Es sieht in etwa aus wie bei Börsencomputern. An der Wand steht ein grosser Rechner, der vor sich hinsurrt und Wärme abgibt.

Genau das sei der Clou an der Sache, freut sich Fiedler. Früher habe er sich nämlich immer über die hohe Stromrechnung geärgert. Aber irgendwie müsse er ja seinen Laden heizen. Also hat er aus der Not eine Tugend gemacht. Nun schürft er mit seinem grosbraucht er nicht mehr, weil der Rechner genug Wärme abgibt, um den ganzen Raum zu heizen. Kryptowährung schürfen mache hier allerdings nur im Winter Sinn, gibt Fiedler zu bedenken. Im Sommer läuft sein Rechner deshalb nicht, denn das wäre aus ökologischer Sicht ein Blödsinn, wie er sagt. Dass die Rechner viel Strom fressen und viel Wärme abgeben sei auch der Grund, warum der grösste Teil des «Mining» in Island und in nördlichen Gegenden Russlands stattfindet, wo riesige Rechnerfarmen nebst Kryptowährung auch Fernwärme produzieren.

Günstig Geld überweisen
Für den Laien ist das alles etwas «gspässig». Geld schürfen und dabei verdienen, wie soll das gehen? Und ist das überhaupt legal? «Ja,» versichert Fiedler, «das ist alles hundert Prozent legal.» Sobald er die Kryptowährung in normales Geld umwandelt, zahlt er darauf Steuern.

Für das Geschäft und auch für seine Kunden sei es auf jeden Fall eine gute Sache, ist Fiedler überzeugt. Er sagt, er nehme keine Kreditkarten, weil die viel zu teuer seien. Er habe diese Phase übersprungen und sich gleich direkt der Kryptowährung zugewandt. Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: «Keine Bankgebühren, sofortige Ueberweisung, das geht alles fast in Echtzeit! Ich kann innert Sekunden für ein Minimum auf der ganzen Welt Überweisungen machen. Eine Zahlung mit Bitcoin kostet den Kunden derzeit gerade mal sieben Cent. Im Vergleich mit den Kreditkartengebühren ist das natürlich sehr günstig.»

Etwas Gutes tun
Auch aus grundsätzlichen Überlegungen ist Fiedler fasziniert vom virtuellen Geld und dem dezentralen Prinzip dahinter. Er sagt: «Ich bin selber und ganz allein verantwortlich für meine Krypto-Konten. Ich muss dafür sorgen, dass sie sicher gespeichert sind. Wenn jemand seine Passwörter verliert, ist er selber schuld. Dafür nimmt aber auch niemand irgendeine Kommission heraus.» Die Nachfrage bei den Kunden halte sich aber derzeit noch in Grenzen.
Fiedler sagt, er habe viele Gespräche mit Interessierten. Aber es seien bis jetzt erst Einzelne, die tatsächlich damit bezahlen. Bei den ausländischen Gästen gebe es aber schon welche, die das Angebot nutzten. Und für diejenigen, die mit Kryptowährungen allzu reich geworden sind und das Geld nun loswerden wollen, hat er an der Türe seines Ladens die Codes für verschiedene Spendenprojekte angeschlagen, «für den Fall, dass jemand etwas Gutes tun will!»

Man hört es allenthalben, dass Leute mit virtuellem Geld reich geworden seien. Aber wie sieht es mit dem Risiko aus? Fiedler sagt, erstens sei er es als Ladeninhaber gewohnt, ein gewisses Risiko einzugehen, «jeder, der Ware am Lager hat, geht ein Risiko ein.» Und zweitens habe er sich eine Regel auferlegt, die er eisern einhalte. Er lacht: «Ich investiere immer nur so viel Geld auf einmal, wie ich früher in einer Nacht versaufen konnte. So kann ich unter dem Strich nur gewinnen. Denn auch wenn es mal schiefgeht mit einer Währung, ist es für mich insgesamt immer noch gesünder, dass ich das Geld dort investiert habe.»

Ein Buch mit sieben Siegeln
Michael Fiedler ist einer, der gern etwas Neues ausprobiert und auch Freude daran hat, stundenlang am Computer herumzutüfteln. Das gehöre natürlich dazu, sagt er, denn viel Zeit und Wissen brauche das Ganze schon. Aber wenn er im Laden sitze und auf Kunden warte, dann könne er sich wunderbar damit beschäftigen. Und es interessiere ihn halt einfach.

Erst im Kreditkartenzeitalter
Die meisten Geschäfte im Saanenland beschäftigen sich aber noch kaum mit Kryptowährungen. Viele wissen auch schlicht gar nicht Bescheid. David Schmid von der Projektgruppe Detailhandel beim Gewerbeverein Saanenland gibt offen zu: «Kryptowährung, das ist für uns ein Buch mit sieben Siegeln, das wir bis jetzt noch gar nicht angefasst haben. Wir stehen inmitten des Kreditkartenzeitalters. Aber selbst da muss ich immer noch ab und zu zum Beispiel einem Skilehrer erklären, dass Kartenzahlungen heutzutage zum Alltag gehören. Wenn ich denen etwas von Kryptowährung sagen würde, dann wüssten viele gar nicht, um was es geht. Diese ganze Bitcoin-Geschichte ist für uns im Saanenland wohl noch weit weg. Bei uns laufen ja auch die Kühe noch in echt durch die Strassen. Im Detailhandel kann man heute statt mit Bargeld und per Karte auch schon vielerorts mit dem Handy bezahlen. Auch die Giftcard, die durch den Gstaad Saanenland Tourismus lanciert wurde, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Die Zahlungsmöglichkeiten sind im stetigen Wandel – der Detailhandel versucht sich dabei nach seinen Möglichkeiten anzupassen.»

Für das Thema bereits sensibilisiert ist Matthias In-Albon, Geschäftsführer Bergbahnen Destination Gstaad (BDG): «Letztes Jahr haben einige Skigebiete damit experimentiert. Wir haben das damals angeschaut und sind zum Schluss gekommen, dass das wohl eher ein PR-Gag war. Das ganze Thema Bitcoin war wohl vorerst ein Hype. Wir behalten das Thema jedenfalls auf dem Radar, und wenn es wieder anzieht, dann prüfen wir es erneut. Nicht dass dann plötzlich etwas an uns vorbeigeht!»


WAS IST KRYPTOWÄHRUNG?

Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel. Sie bestehen nur in virtueller Form, es gibt dafür keine Münzen oder Banknoten. Die bekannteste Kryptowährung ist der Bitcoin. Der Begriff steht für «binary digit». Letzten Herbst war er in den Schlagzeilen, weil der Kurs einbrach. Andere bekannte Kryptowährungen sind Etherum, Ripple oder der neuere V-Unit. Dieser ist die bis jetzt einzige Block-Chain-Währung mit Goldabdeckung. Insgesamt gibt es weltweit über 2500 verschiedene Kryptowährungen, was das Thema auch für Insider recht unübersichtlich macht. Die verschiedenen digitalen Währungen basieren alle mehr oder weniger auf dem gleichen Prinzip. Ihnen liegt ein weltweit verwendbares dezentrales Buchungssystem zugrunde. Es ist eine kryptografisch legitimierte Zuordnung von Arbeitsund Rechenaufwand. Die Grundlage jeder digitalen Währung ist eine von den Teilnehmern gemeinsam verwaltete dezentrale Datenbank, die sogenannte Blockchain, in der alle Transaktionen verzeichnet sind. Die Währungseinheiten werden durch die Lösung kryptografischer Aufgaben geschaffen. Diese Rechenaufgaben stellen sicher, dass gültige Transaktionen nur vom Besitzer durchgeführt werden und dass die Geldeinheiten nicht mehrfach ausgegeben werden. Dafür braucht es grosse Rechner, viel Speicherplatz und Strom. Dieses digitale Herstellen der Bitcoins und anderer virtuellen Währungen bezeichnet man mit dem englischen «mining» oder auf deutsch «schürfen». Digitale Währungen werden immer direkt von den einzelnen Besitzern und nicht über Börsen oder Banken gehandelt. Es gibt also keine zentrale Abwicklungsstelle. Eigentumsnachweise an Bitcoin und anderen Kryptowährungen werden in einem persönlichen digitalen Portemonnaie gespeichert, dem sogenannten Wallet. Der Umrechnungskurs von Bitcoin und anderen digitalen Währungen verändert sich je nach Angebot und Nachfrage.


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