Die Suche nach der Unbeschwertheit

  22.02.2019 Sport, Interview, Ski

Am Mittwoch wurde im österreichischen Seefeld die Nordische Skiweltmeisterschaft eröffnet. Langläuferin Nathalie von Siebenthal hat morgen ihren ersten Einsatz. Im Gespräch verrät sie, wie die Vorbereitungen gelaufen sind, wie sie die Saison bisher erlebt hat und wie es weitergehen wird.

JENNY STERCHI

Nathalie von Siebenthal, gehen Sie gut vorbereitet nach Seefeld?
Ja, ich bin zufrieden mit der Vorbereitung. Wir hatten das Trainingslager in Engelberg, das Anfang Februar mit dem ersten Teil der Schweizermeisterschaft abgeschlossen wurde. Anschliessend habe ich meine täglichen Trainingseinheiten auf den Ski absolviert.

Sie gingen am vergangenen Wochenende noch an ein Weltcuprennen in Cogne (Italien). Raubt das nicht Energie so kurz vor der WM?
Nein. Es passt hervorragend in die Vorbereitung, zumal es nicht so weit weg ist. Im Training kann ich schnell laufen, habe aber nicht die Wettkampfatmosphäre. Rennpraxis ist immer gut vor so grossen Wettkämpfen. Ausserdem ist es ein klassisches Rennen und ich bekomme eine Rückmeldung, auf welchem Niveau ich mich derzeit befinde (sie erreichte Rang 20/ Anm. der Redaktion).

Wann haben Sie Ihren ersten Einsatz in Seefeld?
Für mich ist der Skiathlon am Samstag das erste Rennen. Und ein für mich sehr wichtiges Rennen, weil ich diese Disziplin sehr gern habe.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in diese Weltmeisterschaft?
Meine Saison war keineswegs zufriedenstellend bisher. Daher wäre es unrealistisch, von Medaillenrängen zu sprechen. Aber ich strebe natürlich ein Resultat unter den ersten zehn an.

Sie sagten es gerade selber, Ihre Saison ist nicht nach Ihren Wünschen verlaufen. Können Sie die Ursache dafür ausmachen?
Dass der Saisonstart bei mir nie brillant verläuft, kenne ich aus den Saisons vorher. Die Rennen der Tour de Ski waren bis anhin die, in denen ich mich in meine Bestform bringen und mich steigern konnte. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an mich in dieser Rennserie. Angestrebt hatte ich Platzierungen zwischen dem 7. und 12. Rang und die Ausgangslage nach den ersten drei Rennen der Tour war besser denn je. Dann kam Oberstdorf und ich kam in den nachfolgenden Rennen nicht über den 15. Rang hinaus. Und selbst der 7. Rang im letzten Rennen im Val di Fiemme konnte mich im Gesamtklassement nicht mehr so weit nach vorn schieben, wie ich es mir erhofft hatte. Das war eine völlig neue Situation für mich.

Inwiefern eine neue Situation?
Ich musste mich in der Vergangenheit nicht mit Stagnation auseinandersetzen. Lief es in einem Rennen nicht nach Plan, konnte ich in einem folgenden Rennen den Schritt nach vorn machen. Das lief in dieser Saison anders. Ich blieb mit meinen Resultaten deutlich hinter den Erwartungen, die ich selber an mich gestellt hatte, zurück.

Der 40. Rang im klassischen Rennen über zehn Kilometer in Oberstdorf war demnach symptomatisch. Was macht eine Athletin wie Sie mit solch einem Resultat im Laufe der Saison?
Das war echt ein Rennen zum Vergessen, aber nicht unbedingt meiner Form entsprechend. Die Materialwahl hatte sich dort auf meine Platzierung ausgewirkt. Aber für mich ist das kein Grund, zu hadern oder sogar zu verzagen. Für mich rückt relativ schnell das nächste Rennen in den Fokus und ich versuche, ein anderes, besseres Resultat zu erzielen. Solche Streichresultate sehe ich vielmehr als Ansporn und eine Motivation für die kommenden Einzelresultate.

Was war bei den Rennen der vergangenen Saisons anders?
Ich habe das Sommertraining zu wenig ernst genommen und vor allem viel zu wenig Bergläufe gemacht. Dadurch habe ich meine grosse Stärke geschwächt. Das heisst, meine super «Pumpe» ist geschrumpft. Wenn man nicht mehr «mag seckle», dann ist das in der klassischen Technik verheerend. Das ist in dieser Saison bei mir ganz deutlich zu sehen. Das lässt mir jetzt den Kopf auch nicht mehr frei. Ich denke viel zu viel darüber nach, wie ich das nun in diesem Moment wieder gut machen kann. Ich stehe also jedes Mal mit vielen Gedanken am Start und bin nicht frei. So kann ich keine Höchstleistungen abrufen. Eine TV-Journalistin hat es genau getroffen, als sie sagte, ich hätte den Knopf in diesem Jahr noch nicht gefunden. Genau jenen Knopf, der in meinem Kopf meine maximale Leistungsfähigkeit im Rennen freischaltet und mich unbekümmert laufen lässt.

Viele Athleten im Leistungssport nutzen in dieser Situation das mentale Training, um den Kopf wieder neu zu «sortieren». Ist das eine Option für Sie?
Ich bin überzeugt, dass mentales Training für jeden Sportler einen anderen Stellenwert einnimmt und sehr hilfreich sein kann. Ich finde meine psychische Stärke bei mir selber, kenne mich gut. Ich kann den Grund der Stagnation definieren und muss nun für mich herausfinden, wie ich zu dieser Unbeschwertheit im Rennen zurückkomme. Ich kann mich da auf meine eigene Wahrnehmung verlassen und mit dieser arbeiten. Mir bringt der Austausch mit meiner Familie viel mehr als mentale Unterstützung von «aussen». Ich brauche ein «erlösendes» Resultat, um zum unbekümmerten Rennen zurückzufinden.

Zurück zur WM, die vor Ihnen liegt. In welchen Disziplinen werden Sie starten?
Wie gesagt steht der Skiathlon auf meinem Programm. Auch das Skatingrennen über 30 Kilometer mit Massenstart ist ein Schwerpunkt für mich. Mit einem Massenstart finde ich meist schneller einen guten Rhythmus. Anders als im Einzelstart kann ich mich an anderen Athletinnen orientieren. Für mich erscheint das einfacher. Ausserdem werde ich in der Staffel dabei sein. Die Teilnahme am klassischen Rennen über 10 Kilometer behalte ich mir noch offen.

Weil Sie die klassischen Rennen nicht so sehr mögen?
Oh doch, ich laufe sehr gern klassisch. Ich finde die klassischen Rennen viel schöner, allerdings ist deren Ausgang jeweils sehr materialabhängig.

Wagen wir einen Blick auf die Zeit nach der WM. Was haben Sie noch in Ihrem Rennkalender für diese Saison?
Ich werde noch nach Falun (Schweden) reisen für die Weltcuprennen. Dann kommt Ende März der Weltcupfinal in Kanada. Die Schweizermeisterschaften Ende März in Engelberg sind auch gleichzeitig das Saisonende. Eine Premiere habe ich auch noch in der Agenda: Ich werde zum ersten Mal am Engadiner Skimarathon mitlaufen.

Und dann folgt schon wieder die Vorbereitung für die kommende Saison?
Nein. Ich habe mich schon zu Beginn der laufenden Saison entschieden, in der kommenden Saison eine Weltcuppause einzulegen. Und wie es im Anschluss für mich weitergehen wird, ist noch offen. Wenn ich den Spitzensport nicht vermisse, dann werde ich auch nicht mehr zurückkommen. Ich werde im Sommer wieder an Bergläufen teilnehmen, was ich extrem gerne mache.


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