Andrea Scherz schreibt über die Zukunft

  12.03.2019 Gstaad

In dem grossangelegten Buchprojekt «Schweiz2291» haben diverse Persönlichkeiten über die Zukunft unseres Landes nachgedacht. Unter den Autoren ist auch Palace-Besitzer Andrea Scherz. Der «Anzeiger von Saanen» hat sich mit ihm übers Schreiben und über die Zukunft unterhalten.

SABINE REBER

Herr Scherz, wie sind Sie als Hotelier dazu gekommen, bei einem Buchprojekt mitzuarbeiten?
Herausgeber Christian Häuselmann hat mich angefragt, ob ich etwas über die Zukunft der Schweiz schreiben möchte. Ich dachte mir, warum nicht. Ich träume und phantasiere ja gerne. Manchmal ist es sowieso gut, Visionen zu haben – sie motivieren einen! Als ich den Text fertiggeschrieben hatte, merkte ich, dass er mich für mein tägliches Tun hier im Palace anspornt. Weil ich das alles schriftlich formuliert habe, glaube ich selber jetzt noch viel stärker daran, dass unserem Hotel eine gute Zukunft bevorsteht.

Sie zeichnen in Ihrem Text eine optimistische Vision für den Tourismus im Saanenland. Ist das Wunschdenken, oder glauben Sie wirklich, dass Gstaad eine rosige Zukunft bevorsteht?
Das Rad des Tourismus können wir nicht neu erfinden, und die Bergbahnen, diese genialen Erfindungen, die sind halt eben schon gebaut. Im Gesundheitsbereich könnte man vielleicht noch etwas machen. Auf dem Gebiet der Luxuskliniken und Pflegeheime gibt es sicher Potenzial. Für uns wäre das gut, dann hätten wir wieder mehr Ärzte vor Ort. Diese könnten dann auch für die einheimische Bevölkerung Pikettdienste leisten. Im gehobenen Gesundheitsbereich gibt es gewiss eine Nachfrage, die noch steigen dürfte. Aber bei uns im Saanenland hat das keine Tradition. Da sind die Bündner weiter, weil sie schon früher grosse Sanatorien hatten. Aber grundsätzlich ist der Tourismus erfunden, viel Neues kommt da sicher nicht mehr. Trotzdem, ich träume manchmal davon, dass ich selber mal eine geniale Idee habe, damit mir alle die Bude einrennen (er lacht bei dem Gedanken laut heraus). Vielleicht finden wir eines Tages ein spezielles Alpengras, das Wunderheilungen vollbringt, oder sonst etwas, an das wir heute noch nicht denken.

«Kein Plastik», fordern Sie in Ihrem Text und betonen, wie wichtig der Weg zurück zur Natur, zurück zu ursprünglichen Materialien sei.
Die Landschaft, die Natur, die Gastfreundschaft werden an Wert gewinnen. Darum habe ich die Schweiz als eine letzte Insel der Gastfreundschaft und der heilen Natur beschrieben. Das ist das Kostbarste, was wir haben. Und im Palace legen wir sowieso wert drauf, möglichst nur natürliche Materialien und keinen Plastik zu verwenden.

Sie skizzieren eine Zukunft des Tourismus, die ganz klar zurück zur Einfachheit geht.
Die Trendforscher reden von «The Age of Less», dem Zeitalter des Weniger-istmehr. Das ist ein weltweiter Trend. Vor 100 Jahren hatten wir die Industrialisierung, die vielen Menschen materiellen Reichtum brachte. Jeder meinte, er brauche nun fünf Sonnenbrillen und zehn Paar Schuhe, um glücklich zu sein. Die Damen sammelten teure Handtaschen und die Herren kauften sich möglichst viele Autos. Es war die Zeit der Statussymbole. Die Leute haben das mitgemacht, weil sie diesen materiellen Überfluss vorher eben nicht gekannt hatten. Aber diese Zeit geht zu Ende. Nun wollen die Menschen wieder mehr erleben und weniger Besitz anhäufen.

Das Nonplusultra des einfachen Lebens ist wohl das Leben in einer Alphütte. Das Gstaad Palace bietet auch solche Übernachtungen an.
Wir haben eine Alphütte beim Vorder Walig, die ist zurzeit unser grösster Hit! Die Gäste sind total begeistert von der Einfachheit dort. Wir hatten neulich einen Herrn aus New York zu Gast, der war sehr reich und sehr griessgrämig. Er hat zwei Nächte im Palace verbracht und ist überhaupt nicht aufgetaut. Dann verbrachte er eine Nacht in der Alphütte und war wie ein neuer Mensch. Plötzlich hat er gelacht, hat alle umarmt, er ist auch mir um den Hals gefallen beim Abschied, man hat ihn fast nicht wiedererkannt. Er war wirklich gerührt und verändert von dieser einen Nacht draussen in der Natur. Ich bin mir sicher, immer mehr Leute wollen zurück zu den einfachen Erlebnissen, zum Ursprünglichen. Gerade diejenigen, die sich alles kaufen können, sind zutiefst berührt von der einfachen Schlichtheit in einer Alphütte.

Über die Generationen hat das Gstaad Palace gewiss gute und schlechte Zeiten erlebt. Schöpfen Sie Zuversicht aus der langen Geschichte?
Der Optimismus liegt in meiner Natur. Sonst würde man ja kaputt gehen, wenn man nicht glaubt, dass es gut kommt. Das Palace ist das Lebenswerk von drei Generationen. Und ja, der Erfolg meiner Vorfahren hilft mir sicher, die Gegenwart richtig einzuordnen und in schwierigen Momenten Gelassenheit zu bewahren. Sie haben ja einige wirklich harte Zeiten durchgemacht. Am schwersten hatten es sicher meine Grosseltern während der Kriegsjahre. Mein Vater hat während der Petrolkrise in den Siebzigerjahren auch sehr kritische Momente erlebt. Einmal konnte er gar nicht mehr telefonieren, weil die Rechnung nicht bezahlt worden war.

War das Ihr erstes Mal als Buchautor?
Ja. Ich fand es recht aufregend. Also das Schreiben, das ist ja eigentlich nicht so meine Stärke. Ich habe einfach meine Ideen aufgeschrieben und einen groben Entwurf gemacht. Dann hat sich Reto Wilhelm, der unser Hoteljournal schreibt, um den Feinschliff gekümmert. Darum ist das jetzt so ein schöner Text geworden (er lacht).

Und was war das für ein Gefühl, als Sie das fertige Buch zum ersten Mal in den Händen hielten?
Meine Freundin hat es mir zu Weihnachten geschenkt. Ich habe es zum ersten Mal unter dem Tannenbaum gesehen, ich hatte eine Riesenfreude!

Informationen über das Buchprojekt und die weiteren Veranstaltungen: www.schweiz2291.ch


Zukunftsdialog im Gstaad Palace

Im Gstaad Palace trafen sich am letzte Freitag Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, um eine Serie von Zukunftsdialogen zu beginnen. In zwei Panels wurde rege und aus diversen Blickwinkeln über das Thema «Erfolg im Wandel» diskutiert. Die Dialoge werden über das ganze Jahr an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Teilnehmern fortgeführt. Ingesamt 70 Persönlichkeiten haben am Buch «Schweiz2291» von Christian Häuselmann mitgeschrieben. Viele von ihnen führen nun auch auf den Podien den Dialog weiter. Und jedes Mal mit dabei sind auch Vertreter der Generation 7. Diese sollen dann in 50 Jahren einen weiteren Band des Buches herausgeben und ihrerseits wieder eine Gruppe von jungen Leuten verpflichten. So soll der Dialog über sieben Generationen fortgeführt werden. Zu dieser Idee inspiriert wurde Häuselmann auf Hawaii, wo die Eingeborenen jeweils für sieben Generationen ihre Projekte planen.

Infos über das Buch und die weiteren Veranstaltungen: www.schweiz2291.ch

FOTOS: SABINE REBER/SARA TRAILOVIC


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