Blick auf die beinahe Übersehenen

  15.03.2019 Kultur

Die Lesung der Autorin Alice Grünfelder setzte den Schlusspunkt unter das gelungene Winterwochenende der Soroptimisten Gstaad-Saanenland. Überraschend viele Besucher kamen dafür ins Sun&Soul Panorama Pop-Up Hotel Solsana.

JENNY STERCHI
Dicke Regentropfen klatschten an die Fensterscheiben. Und während sich der Raum im Hotel zusehends füllte, rieb sich Mägi Kunz, Programmdirektorin der Soroptimisten Gstaad-Saanenland, die Hände: «Wir hätten nicht gedacht, dass das Interesse an einem Sonntagmorgen so gross ist.» Zusätzliche Stühle wurden organisiert und so fand jeder einen Platz. «Demnach ist Petrus wohl ein Literaturliebhaber», begrüsste Mägi Kunz, offensichtlich nachhaltig begeistert von so viel Interesse an der Veranstaltung, das Publikum offiziell.

Glückliche Fügung
Dem Netzwerk der im Saanenland wohnhaften Theres Rütschi sei Dank fand die Autorin Alice Grünfelder den Weg in die Region und stellte bei dieser Gelegenheit ihren ersten Roman vor. Die in Zürich lebende Autorin arbeitete als Lektorin für verschiedene Verlage und verfasste bereits vorher Sachbücher und Übersetzungen über Kulturen im asiatischen Raum.

Für ihren ersten Roman «Die Wüstengängerin» nahm sich Alice Grünfelder ganze zehn Jahre Zeit. Ihre Faszination für eher unbekannte Vielvölkerregionen im asiatischen Raum fand somit Raum in ihrem belletristischen Erstling.

Bei der Umschlaggestaltung schliesst sich dann der Kreis zum Saanenland. Besagte Theres Rütschi, Verlagskollegin von Alice Grünfelder, erhielt den Auftrag, den Umschlag für jenes Buch zu gestalten.

Alice Grünfelder las nicht einfach nur aus ihrem Buch, vielmehr nahm sie als Asienkennerin die Zuhörer mittels ausgewählter Hintergrundinformationen mit zum Schauplatz des Romans.

Fremd in jeder Hinsicht
Ort des Geschehens ist Xinjiang – ein Landstrich im Nordwesten Chinas, der an der Seidenstrasse liegt und geprägt ist durch die Taklamakan-Wüste, die zweitgrösste Sandwüste der Welt. Um die «Wüste ohne Wiederkehr» – so die wörtliche Übersetzung – sind zahlreiche Oasenstädte angesiedelt. Die Stammbevölkerung dieser Region sind die Uiguren. Jahrhundertelang wurde das autonome Gebiet und seine Bevölkerung aufgrund seines Reichtums an Bodenschätzen von Grossmächten der ganzen Welt aufgerieben.

Den Uiguren eine Stimme geben
Und so wird klar, dass die Uiguren sowohl in der Vergangenheit als auch heute dem Druck aus allen Richtungen unterliegen und als Minderheit der öffentlichen Aufmerksamkeit vielfach entgehen. Trotzdem habe sie nicht mit erhobenem Zeigefinger und belehrend über diese Region berichten wollen, wie die Autorin selber sagte. Viel wichtiger sei es ihr gewesen, die Uiguren zu Wort kommen zu lassen. Daher habe sie sich für die Romanform und gegen ein Sachbuch entschieden. Geschickt arbeitete sie sachliche Informationen über die geschichtliche und gesellschaftliche Entwicklung von Xinjiang in die Geschichte um ihre beiden Hauptfiguren ein.

Durch biografische Einschübe der Autorin wird der ohnehin sehr lebendige Buchinhalt noch greifbarer. Behutsam und mit sorgsam ausgesuchten Bildern streut sie die Problematik der andauernden Verdrängung der Uiguren und des Diktats durch fremde Mächte in die Erlebnisse der beiden Handlungsträgerinnen Roxana und Linda. Die beiden, zeitlich unterschiedlich agierenden Hauptfiguren miteinander zu verstricken und sie schliesslich in die tatsächlichen Gegebenheiten der Region einzubinden, scheint dem Laien unmöglich. Der Roman beweist, dass die Autorin Alice Grünfelder genau das geschafft hat und erklärt die zehn Jahre währende Arbeit an dem Buch.


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