Tierschutz ist wichtig

  29.03.2019 Interview

Ernst Voegli äussert sich zu seinem langen Arbeitsweg, den er nicht vermissen wird. Er nimmt Stellung zu den Forderungen des Tierschutzes.

BLANCA BURRI

Wo haben Sie während den 17 Jahren gewohnt, während denen Sie in Gstaad gearbeitet haben?
Zu Hause in Unterseen.

Wie oft waren Sie in Gstaad?
In der Regel an fünf Tagen pro Woche. Ich habe aber nur ein einziges Mal in Gstaad geschlafen, das war bei der Aufrichte der neuen Reitanlage.

Wie haben Sie sich organisiert?
Ich habe das Büro ins Auto verlegt, mit der Freisprechanlage habe ich alle Anrufe erledigt und so die Zeit effizient genutzt.

Was werden Sie vermissen?
Die Fahrt ist es auf jeden Fall nicht! Das ganz sonderbare Ambiente im Saanenland jedoch schon. Eine solche gibt es in der ganzen Schweiz nicht. Wir haben ganz tolle Pferde und sehr emotionale Pferdebesitzer, die sich stark um ihre Pferde kümmern.

Was fehlt in Gstaad?
Das Reitgelände. Es ist sehr schade, dass vor allem im Sommer fast nur asphaltierte Wege zur Verfügung stehen. Dies obwohl eine Interessensgemeinschaft für Reitwege sehr grosse Anstrengungen unternommen hat. Andererseits befinden wir uns in den Alpen, wo man jeden Meter, den man hinaufreitet, auch wieder zu Fuss absteigen muss. Bei genug Schnee im Winter sind die Reitpisten bis in den Grund und fast bis nach Rougemont fantastisch.

Sind die neusten Veränderungen im Tierschutz beängstigend?
Eigentlich nicht, es war notwendig, insbesondere bezüglich Haltung, Ausbildung und Einsatz der Pferde und Ponys zu handeln. Gefährlich wird es, wenn Pferde vermenschlicht oder zu Sportgeräten degradiert werden. Sie sind ursprünglich Lauf- und Herdentiere und als Vegetarier auch Fluchttiere, eben sogenannte Steppentiere. Zuwenig Bewegung, monotone Arbeit, Stehtage und üppige, nicht der Bewegung angepasste Fütterung machen ausser den Tierärzten vielen Probleme, trotz einer weltweit hochstehenden Zucht. Deshalb sind profunde Kentnisse über Haltung, Fütterung und Ausbildung unerlässlich.

Welche Massnahmen habe Sie im Reitzentrum umgesetzt?
Aus Platzgründen konnten wir leider keine Stallungen mit direktem Freilauf vor den Boxen realisieren. Wir haben aber für alle Pferde sogenannte Aussenpaddocks installiert, wo die Pferde 365 Tage pro Jahr bis zu vier Stunden täglich verbringen. Unsere eigenen Schulpferde arbeiten täglich, die Fütterung wird der Arbeit und der Leistung angepasst. Entsprechend sind auch die Tierarztkosten gering.

Wie sieht es mit den Einschränkungen im Pferdesport aus?
Im Wettkampfsport, aber auch schon in den Pferdebetrieben werden inkognito Videos gemacht und von sogenannten «Fachleuten» ausgewertet und die Pferdehalter angepgrangert. Meiner Meinung nach gibt es gegenwärtig zwei Extreme, über die sehr viel debattiert wird: Die Rollkur bei Dressurpferden, wo der Kopf des Pferdes durch eine starke Einwirkung des Reiters an die Brust herangezogen wird, was eine extreme Verbiegung der sieben Halswirbel ergibt, das ist absolut unnatürlich. Das andere Extrem ist vor allem bei Springpferden zu beobachten, und zwar meist bei wenig gut ausgebildeten Reitern. Man nennt es «Kissing Spins» und ist eigentlich das Gegenteil von dem, was ich vorgängig erwähnt habe. Das Pferd springt und dabei können sich die Dornfortsätze der Brustwirbel berühren, was sehr schmerzhaft ist. Es gibt inzwischen soviele Zaum-, Gebissund Hilfssysteme, die von geübten Reitern angewannt sicher schadlos sind, aber heute ganz klar reglementiert werden müssen.

Woher kommt die Coupierung der Pferdeschwänze?
Der Ursprung ist bei den Fuhrhalterund Postkutschenpferden sowie bei den damaligen ästethischen Gründen zu suchen. Bei Fuhrhalterpferden war das Problem das sogenannte Leinenfangen. Durch die Bewegung des langen Schweifes zur Abwehr gegen Ungeziefer konnte er sich in den Fahrleinen des Kutschers verfangen, was unweigerlich ein Verweisen des Fuhrwerks verursachte und oft zu grauenvollen Unfällen führte.

Weshalb sagt man, dass ein Hufeisen Glück bringt?
Pferde werden beschlagen, seit sie von den Menschen als Zug- und Reittiere genutzt werden. Als urspüngliches Steppentier und Äser ist die Hornschicht des Hufes nicht so stark, um über lange Strecken auf festem Weg zu gehen. Früher konnte sich der Hufbeschlag nur leisten, wer begütert war. Also war es ein Glück, wenn man ein Hufeisen fand. Es gibt aber noch weitere Metaphern: «Nimm ihn an die Kandare», was heisst, dass jemand aus der Reihe tanzt und wieder eingeordnet werden muss. Auch aus der Pferdewelt stammt «den sticht der Hafer», also jemand der übermütig ist, oder «die Sporen abverdienen», was soviel heisst wie Gelerntes umsetzen.


ZUR PERSON

Ernst Voegeli ist in Unterseen geboren, wo der Vater eine Fuhrhalterei betrieb. Er absolvierte eine Ausbildung zum Hochbauzeichner und weiter zum Baufachmann.

Nach einem schweren Unfall des Vaters musste er sich als Ältester um den elterlichen Betrieb kümmern. Erst einige Jahre später übernahm er mit seiner Frau Erika den Pferdebetrieb, entwickelte ihn weiter und baute ein weiteres Standbein im Freilichtmuseum Ballenberg auf, wo alle Personentransporte per Ross und Wagen gemacht werden.

Das Militär war für Ernst Voegeli eine wichtige Lebensschule. In der Kavallerie erreichte er den Rang des Majors. Er machte schon früh die Zweitausbildung zum Berufsreiter und erlangte das eidgenössische Reitlehrerdiplom. Er unterrichtete in verschiedenen Reitbetrieben und an der Berufsschule in Burgdorf für angehende Pferdefachleute.

Einer seiner grossen Träume, den grössten Betrieb der Schweiz zu führen, ging in Erfüllung, als er das Nationale Pferdezentrum in Bern übernahm. Eine grosse Herausforderung. 55 Mitarbeiter, über 150 Pferde und dazu ein grosser Umbau der ehemaligen eidgenössichen Militärpferdeanstalt Bern. Die Zusammenarbeit mit dem ganzen Verwaltungsrat empfand er als sehr schwierig. Nach dem Umbau kündigte er, um sich wieder voll in den eigenen Betrieben einzubringen. Er ist Dressur-, Stil- und Lizenzrichter, Experte J+S Pferdesport im Schweizerischen Verband für Pferdesport sowie auch als Experte in der Pferdezucht tätig. Die Grundausbildung Pferde Schweiz, das Brevet und der Silbertest basieren massgebend auch auf seiner Initiative.

Als Mitbegünder der berittenen, historischen Formation des Staates Bern und der Armee, den Berner Dragonern 1779, ist er heute deren Kommandant. Er vertiefte mit seiner Frau die Ausbildung im Westernreiten in Wyoming, USA, und brachte am Schluss vier Pferde der Rasse Morgan Horse nach Unterseen.


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