Das Ärgernis

  18.04.2019 Gstaad

Der Preussenkönig Friedrich der Grosse sollte einst entscheiden, der Amtsenthebung eines Pfarrers zuzustimmen. Dieser hatte zu Ostern gepredigt, er könne aus Gründen der Vernunft nicht an die Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag glauben. Der König soll das Ansinnen abgewiesen haben mit den Worten: «Das ist ganz und gar seine Sache. Wenn er nicht auferstehen will, dann soll er eben liegen bleiben.»

Die Anekdote, so liebenswürdig und hintergründig sie ist, verweist auf die Schwierigkeiten des Osterglaubens: Wie ist Auferstehung zu verstehen? Handelt es sich um ein reales Geschehen? Oder um Fantasie und Wunschvorstellung? Neu freilich sind die Debatten rund um Ostern nicht, das Ereignis der Auferstehung war bereits zur Zeit der ersten Christen umstritten, Unsicherheit und Zweifel begleiteten auch sie. Denn mit dem Tod Jesu am Kreuz starb gleichsam die Hoffnung auf eine neue, andere und bessere Welt. Zudem kam jemand, der gekreuzigt worden war, fortan für höhere Weihen nicht mehr in Frage, für die Würde des Messias, des Retters, galt so einer als nicht länger geeignet. Und eben dieser, ein Gekreuzigter, sollte nun auferstanden sein und für die neue Welt Gottes bürgen?! Unmöglich, ein Traum bestenfalls.

Damit allerdings können wir Ostern nicht hinter uns lassen und abschreiben, denn religionsgeschichtlich stellt weder Weihnachten noch Erntedank, sondern Ostern den Ausgangspunkt des christlichen Glaubens dar. Die Auferstehung Jesu Christi ist das Fundament der Kirche; mit Paulus, dem klugen und streitbaren Theologen, zu reden: «Ist Christus nicht auferweckt worden, dann ist (…) euer Glaube sinnlos.» (1. Kor 15,14)

Wie also ist von Ostern zu reden? Was bedeutet Auferstehung? Es fällt auf, dass die Bibel dieses Ereignis nicht beschreibt, sondern einzig von der Auffindung des leeren Grabes erzählt und von Erscheinungen des Auferstandenen. Die freilich muten eigenartig an: Gemäss den Schilderungen des Neuen Testamentes soll der auferstandene Christus unmittelbar auftreten und wieder verschwinden, er soll durch geschlossene Türen treten, mit Freunden essen und sich berühren lassen; die sehen ihn zwar, erkennen ihn aber nicht. Mit solchen und ähnlichen, zuweilen abwegig anmutenden Geschichten versucht die Bibel, eine neue Wirklichkeit in den Kategorien der alten zur Sprache zu bringen. Anders formuliert: «Auferstehung» bezeichnet ein vollkommen neues, nie dagewesenes Ereignis; beschreiben lässt sich dieses aber nur mit Worten, Bildern und Szenen, die der alten, uns zugänglichen Welt entstammen.

Wir können also festhalten: Auferstehung bedeutet weder die Rückkehr eines Toten in das irdische Leben noch die biologische Wiederbelebung eines Leichnams. Auferstehung bezeichnet vielmehr die Verwandlung zu einer neuen, unverbrüchlichen Existenz und meint ein Leben in der unmittelbaren Gegenwart Gottes. Der Auferstandene ist der erste Mensch der neuen Schöpfung, über ihn haben der Tod und seine Handlanger auf Erden keine Macht mehr. Darin besteht das Ärgernis des christlichen Glaubens: dass einer als Erster in dieser neuen Weise, im Gottesreich, lebt, der zuvor verlacht, gedemütigt und gefoltert worden ist und zu nichts mehr getaugt hat. Nebenbei bemerkt: Eine solche Geschichte ist dermassen irrwitzig und unwahrscheinlich, die erfindet keiner. Ostern begründet die Hoffnung des christlichen Glaubens. Gewiss, der Tod und seine Schergen zerstören und wüten noch immer, sie quälen und peinigen, sie lassen mich Schmerz und Not erfahren. Doch die neue Schöpfung, eine Welt ohne Tränen und Trauer, scheint bereits auf; die Macht des Todes ist gebannt.

Diese Hoffnung wirft ein neues Licht auf den Umgang mit Sterblichkeit und Tod. Sie lässt mich ahnen: Der einzelne Mensch und seine Geschichte werden nicht für immer verschwinden, sondern bleiben über den Tod hinaus bei Gott aufgehoben.

Die Osterhoffnung lässt mich Spuren der Auferstehung im Hier und Jetzt entdecken und ziehen. Wenn Verzweiflung zur Hoffnung und Hass zu Liebe wird, wenn die Wahrheit über die Lüge und die Gerechtigkeit über das Unrecht siegt, dann scheint, einem Polarlicht gleich, die neue Welt auf.

BRUNO BADER


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote