Der Velohelm

  05.04.2019 Leserbeitrag

Ist der Velohelm auch ein Teil des Velos oder gehört der Helm nicht zum Velo? Diese Frage ist auf den ersten Blick berechtigt. Kluge Köpfe, die sich schützen, sagen aber ganz klar: «Ja, der Helm ist ein Teil des Velos, denn es gibt keinen vernünftigen Grund, ohne Helm Velo zu fahren!» Köpfe, denen die gute Frisur wichtiger ist als der gesamte Kopf oder die sich durch einen Helm in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen und darum auf einen Helm verzichten, sagen dagegen eher: «Es ist statistisch extrem unwahrscheinlich, genau einen solchen Unfall zu bauen, bei dem dieser Kunststoffdeckel Schlimmeres verhindert. Darum gehört der Helm nicht zum Velo.»

Es stimmt: Das Risiko, einen Unfall zu bauen, bei dem der Velohelm einen vor dem Schlimmsten bewahrt, ist recht klein. Aber sobald man aufs Velo steigt, besteht dieses Risiko halt doch und der Helm wirkt dabei wie eine Versicherung. Und bei Versicherungen gilt ja der Grundsatz: «Es ist besser, eine Versicherung zu haben und sie nicht zu brauchen, als eine Versicherung zu brauchen und sie nicht zu haben.» Auf den Velohelm übertragen heisst dieser Grundsatz: «Es ist besser einen Velohelm zu tragen und ihn nicht zu brauchen, als zu stürzen, ohne einen Helm auf dem Kopf zu tragen.» Der deutsche Journalist Wolfram Weidner sagt: «Eine Versicherung ist ein Lotto, in dem man nur gewinnt, wenn man Pech hat.» Beim Velohelm merkt man darum erst, wie viel man gewonnen hat, wenn man bei einem Sturz auf den Kopf von einem Helm geschützt worden ist.

Der Velohelm ist zwar nur eine Art «Versicherung» im Falle eines Sturzes, doch der Helm verhindert keinen Sturz. Im Gegenteil: Psychologen habe herausgefunden, dass mit Helm sogar eher mehr Unfälle passieren. Denn weil man sich mit Helm sicherer fühle, werde im Durchschnitt mit Helm schneller gefahren als ohne Helm. Und je schneller man unterwegs sei, desto grösser sei natürlich auch das Risiko, einen Unfall zu bauen. Wer das Risiko eines Sturzes mit dem Velo ganz ausschliessen möchte, sollte darum auch ganz aufs Velofahren verzichten. Aber auch ohne Velo besteht trotzdem noch das Risiko, auf einer Bananenschale auszurutschen oder über eine Schwelle zu stolpern und auf den Kopf zu stürzen.

Tatsache ist: Wer ohne Helm Velo fährt, lebt gefährlicher als mit Helm. Und diese Tatsache schleckt keine Geiss weg. Sie wird sogar statistisch bestätigt. Denn die drei meistbetroffenen Körperregionen, die bei einem Sturz mit dem Velo zu Schaden kommen, sind fast immer der Kopf, gefolgt vom Brustkorb und den Armen und Händen. Schädel-Hirn-Traumata sind dabei die häufigste Verletzungsart.

Da diejenigen, die einen Helm tragen, bei Unfällen normalerweise glimpflicher davonkommen als die «Helmlosen», gilt in einigen Ländern Helmtragpflicht – zum Beispiel in Malta und Finnland. In Spanien und der Slowakei muss der Velohelm ausserhalb geschlossener Ortschaften getragen werden. In der Schweiz gibt es keine Helmtragpflicht, auch nicht für Kinder. Die Zählung 2016 der Beratungsstelle für Unfallverhütung zeigt, dass auch in der Schweiz immer mehr Leute beim Velofahren einen Helm tragen. Heute tragen in der Schweiz rund die Hälfte der Velofahrenden auf freiwilliger Basis einen Helm, bei den Kindern sind es zwei Drittel. Bei den schnellen E-Bikes tragen aber auch neun Jahre nach der Einführung des Obligatoriums noch immer nicht alle einen Helm.

Eine Studie aus Australien soll übrigens festgestellt haben, dass in den Ländern, in denen die Helmtragpflicht eingeführt worden ist, die Zahl der Velofahrenden stark zurückgegangen ist. Wenn die Studie Recht hat, würde das bedeuten, dass gewisse Leute nur darum aufs Velo verzichten, weil sie einen Helm tragen müssen. Denn für diese Leute bedeutet Freiheit, dass sie keinen äusseren Zwängen folgen müssen. Den Schutz des eigenen Lebens und die Gesundheitsvorsorge beim Sport empfinden sie als Einschränkung der persönlichen Freiheit. Dieses Verständnis von Freiheit ist jedoch vor allem eine Glaubenssache. Und im Laufe der Menschheitsgeschichte gehörte es schon immer zum Schwierigsten, jemanden mit vernünftigen Argumenten vom Gegenteil dessen, was er oder sie glaubt, zu überzeugen. Da nützen auch die besten und bewiesenen Fakten und Zahlen nichts. Da hilft nur die Einsicht: «Kluge Köpfe schützen sich!»

ROBERT SCHNEITER


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