Rekordjahr beim Chinderhuus Ebnit

  18.04.2019 Gstaad

Die Jahresauslastung des Chinderhuus Ebnit betrug rekordhafte 104 Prozent. 2018 stand die Institution im Namen der Revisionen. In einem Punkt verlangte das Bundesamt für Justiz sofortige Anpassungen. Im personellen Bereich hatte der Vorstand viel Lob übrig.

SARA TRAILOVIC
«Wir sind erprobt und gestrählt für die nächsten vier Jahre.» Der Institutionsleiter Patric Bill gewährte an der diesjährigen Generalversammlung des Mitgliedervereins Chinderhuus Ebnit Einblick in die zahlreichen Inspektionsbesuche des vergangenen Jahres und zog dabei eine positive Bilanz. «Man kann Bürokratie nicht mit Bürokratie, sondern nur mit gesundem Menschenverstand bekämpfen», kommentierte Vereinspräsident Christian Gafner den organisatorischen Aufwand des vergangenen Jahres. Die Kontrollen seien grundsätzlich wichtig für die Qualität und Weiterentwicklung der Institution.

Anpassung bei der Notfallplatzierung
Im vergangenen Jahr unterzogen Kanton und Bund das Chinderhuus Ebnit einer umfassenden Qualitätskontrolle. Vom Bundesamt für Justiz über die Sozialbehörde bis zum Lebensmittelinspektorat kamen fast alle Instanzen einmal zu Besuch. «Die Inspektionen verliefen grösstenteils reibungslos», freute sich Patric Bill am vergangenen Montag.

Einen Punkt hatte das Bundesamt für Justiz allerdings zu bemängeln. Der Institutionsleiter erklärte: «Bei einer Notfallplatzierung bleibt ein Kind im Durchschnitt drei Monate im Chinderhuus, seit Jahren waren dabei die ersten acht Wochen rein stationär, Elternbesuche an den Wochenenden inbegriffen. Unserer Erfahrung nach ist so der Stabilität von Kind und Eltern am meisten geholfen.» Das Bundesamt für Justiz war da anderer Meinung: Das Chinderhuus Ebnit übe mit dieser Regelung strukturelle Gewalt aus. Man müsse jeden Fall situativ anschauen und dann entscheiden, ab wann das Kind an den Wochenenden nach Hause gehen könne. Ohne Reaktion seitens Chinderhuus Ebnit würden die Subventionen in der nächsten Periode gestrichen. Der Institutionsleiter konnte die Anwesenden sogleich beruhigen: «Wir waren uns dieses Verstosses nicht bewusst und haben die Auflage sofort konzeptionell angepasst.»

100 Stellenprozent mehr
Patric Bill erläuterte daraufhin die Folgen der konzeptionellen Anpassung: «Die Individualisierung bringt einen Mehraufwand mit sich, weshalb der Bund 100 Stellenprozent mehr vom Chinderhuus Ebnit verlangt.» Um diesen Vorgaben gerecht zu werden, müsse der Kanton der Institution zusätzliche 100’000 Franken jährlich zur Verfügung stellen.

Im Rahmen der Inspektion des Chinderhuus Ebnit deckte der Bund aber auch einen bisher unbemerkten Rechnungsfehler auf. Es stellte sich heraus, dass er dem Kanton 110’000 Franken mehr pro Jahr zur Verfügung stellen muss. Dadurch sind die höheren Ausgaben hinsichtlich Notfallplatzierung im Chinderhuus Ebnit für den Kanton kostenneutral.

Überlastung in allen Bereichen
Beim familienergänzenden Angebot des Chinderhuus Ebnit herrschte nach wie vor eine Überbelegung und es mussten lange Wartelisten geführt werden. Die Jahresauslastung der Institution betrug 104 Prozent. In den Kindertagesstätten gab es im August aufgrund des Kindergartenbeginns einen Einbruch. Allerdings lag die Quote der Kindergarteneintritte mit 14 Prozent tiefer als im Normalfall. Bei den Notfallplätzen blieb die Baisse 2018 sogar ganz aus. Patric Bill führte dies unter anderem auf die hohe Zahl von Platzierungen durch die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zurück. «Wir waren noch nie so stark ausgelastet.» 68 Prozent der Kinder wurden ohne elterliche Zustimmung eingewiesen und blieben daher oft länger im Heim, welches zu 127 Prozent ausgelastet war. «Mehr verdient hat die Institution dadurch nicht, das Team leistete eher Gratisarbeit», so Bill. Im laufenden Jahr erwarte die Institution im Vergleich zum Vorjahr die doppelte Anzahl Kindergarteneintritte, was die Wartelisten etwas auflockern könnte.

Frischer Wind beim Personal
Mit Rahel Wimmer und Chantal Landmesser übernahmen zwei sehr junge Frauen die Gruppenleitungen in den Kindertagesstätten Gstaad und Saanen. «Ich bin mir sicher, dass wir mit dem jungen Führungspersonal den richtigen Weg eingeschlagen haben.» Der Institutionsleiter zeigte sich äusserst zufrieden mit den beiden Leiterinnen.

Im Mai 2018 stellte das Chinderhuus Ebnit zum ersten Mal einen Asylbewerber ein. Man habe sehr positive Erfahrungen gemacht, so Bill. «Der Asylbewerber hat sich dank dem Beschäftigungsprogramm schnell integriert. Mittlerweile arbeitet er in der Privatwirtschaft, wir sind Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden», schmunzelte Patric Bill an der Generalversammlung. Jana Peretten trat die Nachfolge von Corinne Trummer an, die aufgrund ihrer Schwangerschaft die Arbeit im Sekretariat beendete. Patric Bill lobte auch Perettens Arbeit: «Als ich Jana das erste Mal Französisch sprechen hörte, wusste ich: Das kommt gut.»

Ein weiterer positiver Aspekt im personellen Bereich sei das Streichen der Praktikumsstelle gewesen. Diese sei bis vor kurzem vorgeschrieben gewesen, weil der Beruf Kindererzieher/in vor zehn Jahren noch eine Weiterbildung gewesen sei und keine eigenständige Berufsausbildung, erklärte Bill. «Das Praktikum macht heute keinen Sinn mehr, da viele nach der Oberstufe direkt mit der Berufsausbildung beginnen.» Nun könne das Chinderhuus Ebnit einen zusätzlichen Lehrling ausbilden.

«Die Leute hier arbeiten zusammen»
Patric Bill und Christian Gafner sprachen ein grosses Dankeschön an alle Mitarbeitenden der Institution aus. Der Job im Chinderhuus Ebnit sei sehr spannend, aber genauso anspruchsvoll. «Die Arbeit mit Kindern braucht viel Geduld und Hartnäckigkeit.» Der Institutionsleiter offenbarte daraufhin das Geheimrezept des Chinderhuus Ebnit: «Die Leute hier arbeiten nicht nur auf dem Papier als Team zusammen.» Auch Vereinspräsident Christian Gafner bezeichnete den «positiven Spirit» innerhalb der Mitarbeitenden als wichtigsten Motor der Institution..

Das Ziel: weniger Rückstellungen
Infolge des kantonalen Sparpakets 2018/21 musste das Chinderhuus Ebnit im vergangenen Jahr mit 40’000 Franken weniger wirtschaften. 2017 hatte das Chinderhuus Ebnit zu hohe Rückstellungen verzeichnet, wodurch der Bund den Leistungspreis gesenkt hatte. «Wer wirtschaftlich arbeitet, wird bestraft», bedauerte Patric Bill die seit Weihnachten 2017 geltenden Massnahmen. Trotzdem konnte sich das Chinderhuus Ebnit mit der neuen Lage arrangieren und im vergangenen Jahr die Rückstellungen deutlich senken. «Wir konnten nachhaltig investieren, zum Beispiel in die Sanierung der Balkone», so Bill. Das Ziel sei es nun, die Rückstellungen laufend zu minimieren, ohne dabei «Geld aus dem Fenster zu schmeissen».

Bei der letzten Vereinsversammlung zählte der Bund auch die Spenden zum Eigenkapital, sodass die Mitglieder 2018 einen Gönnerverein gründeten. Patric Bill verkündete die glückliche Anpassung der Regelung: Zweckgebundene Spenden zählen heute nicht mehr zu den Rückstellungen.

Dritte Kita steht zur Diskussion
2018 durfte das Chinderhuus Ebnit die zweite Kindertagesstätte in Saanen ebenfalls zertifizieren lassen. «Wir konnten die Qualität von Gstaad gut auf Saanen übertragen», freute sich Patric Bill.

Die Gemeinde Saanen zeigt nun Interesse an der Eröffnung einer dritten Kindertagesstätte in der Region, und das, obwohl die Kinderzahlen allgemein und in den Schulhäusern rückläufig sind. Die Auslastung der Kitas hingegen nimmt stetig zu – eine «diametrale Entwicklung», so Patric Bill. Eine Statistik zeigt, dass 60 Prozent der Eltern ausländischen Ursprungs sind. Das komme zum Teil daher, dass viele ausländische Familien hier in der Gastronomie arbeiten. Das Chinderhuus Ebnit wolle die Nachfrage der Kita-Plätze weiterhin gewährleisten. Der Vorstand sei nun daran, ein Konzept auszuarbeiten und hoffe, bei der nächsten Generalversammlung konkrete Pläne präsentieren zu können.

Highlight Jubiläumsfest
Das Fest zum 30-Jahr-Jubiläum zähle klar zu den Highlights des letzten Jahres, sind sich Vereinspräsident Christian Gafner und Institutionsleiter Patric Bill einig. Bei schönstem Wetter erschienen auch ehemalige Zivildienstleistende, Heim- und Hauswartsmitarbeiter/innen, was das Team des Chinderhuus Ebnit besonders freute. Patric Bill fügte eine kleine Anekdote an: «Die Einladungen zum Fest haben wir auch in den Alterswohnungen neben der Kita in Saanen verteilt. Eine alte Frau, die sonst nichts mit uns zu tun hatte, kam tatsächlich ans Jubiläum. Sie freute sich sehr, dass wir an sie gedacht hatten – kleine Glücksmomente wie dieser sind wertvoll.»


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