«Vor dem Ernten muss man säen!»

  17.05.2019 Hotellerie / Gastronomie

Seine wallende Mähne und sein Bart sind zu seinem Markenzeichen geworden und wie sein in unzähligen Grüntönen schimmernder Forellensee schillert auch seine Persönlichkeit in vielen Facetten. Dani Müller ist ein Mann, der schematisch vorgeht, um zu erreichen, was er sich vorgenommen hat und dennoch in kein Schema passt.

KEREM S. MAURER
Der Besitzer des Forellensees erscheint im lockeren weissen Leinenhemd, einer stilvollen Weste in blau kariertem Jeansstoff und dazu passendem Jackett zum Gespräch in seinem Restaurant. Er setzt sich so hin, dass er seinen Blick über einen der idyllischsten Flecken im Obersimmental schweifen lassen kann, trinkt Tee und erzählt aus seinem Leben. Vom gelernten Maschinenmechaniker über Designer für Möbel im gehobenen Segment bis hin zum Generalbauunternehmer oder vom Go-Kart-Weltmeisterschaftsfinalist über Formel 3 und heutigen Oldtimer-Crack bis hin zum Edelkrebszüchter: Der Betriebswirt mit höherem Fachabschluss hat in seinem Leben viel gemacht, viel erlebt und viel erreicht. Etwas vom Wichtigsten, was er je gelernt hat, war – wie er selber sagt – eine Lektion, die ihm sein Vater, der ehemalige Rennfahrer Herbert Müller, beigebracht hatte, als Dani Müller sechzehn Jahre alt war. «Ich war oft zu Hause in der elterlichen Garage und habe an meinem VW-Käfer herumgeschraubt», erinnert sich der Seebesitzer. «Wenn dann mein Vater die Werkstatt betrat, wandten sich alle Mitarbeiter ihm zu. So stark und besonders war seine Aura!» Das passierte regelmässig und das beeindruckte den jungen Dani Müller stark und er beschloss für sich, selber so zu werden wie sein Vater. Doch er merkte schnell, dass dies kein einfaches Unterfangen war. Denn praktisch niemand habe sich in jener Zeit wirklich dafür interessiert, was der kleine Müller gerade schraubte und werkelte. Um dies zu ändern und um Eindruck zu schinden, begann Müller den Mitarbeitern seines Vaters Geschichten zu erzählen. Geschichten, die nie statt gefunden und Begebenheiten, die er er nie erlebt hatte. Dani Müller flunkerte, was das Zeug hielt, doch keiner nahm in ernst. «Statt Anerkennung gabs bestenfalls Kopfschütteln», reflektiert Müller schonungslos. Daraus habe er gelernt, dass er die Anerkennung seines Vaters, die ihm so wichtig war, nur durch Taten erreichen würde. «Muäsch liferä, nöd laferä!», lacht er heute selbstbewusst. «So eifach isch es!» Müller lächelt, lehnt sich zurück. Sein Blick ist offen. Er wirkt gelassen, ruhig und überlegt. Wählt seine Worte mit Bedacht, wenn er von seinem Vater spricht. Doch wenn er auf das Thema Autorennsport kommt, dann schweift er ab und seine Augen beginnen zu funkeln. Man merkt, auch in seinen Adern fliesst Benzin. Das liegt wohl an den Genen.

«Er macht seinem Vater alle Ehre!»
Auch Dani Müller hat bis heute eine ausgesprochene Affinität zum Autorennsport. Schon als Jüngling drehte er in seinem selber aufbereiteten VW-Käfer Runde um Runde um das elterliche Fabrikgebäude in Reinach AG, wo er aufwuchs. Und es wundert kaum, dass ein für Dani Müller prägendes Erlebnis am Rande einer Rennstrecke stattgefunden hat. Mit 19 Jahren wurde er für das Go-Kart-Nationalkader nominiert, qualifizierte sich für die Weltmeisterschaftsfinals und erkämpfte unter anderem direkt gegen den späteren dreifachen Formel-1-Weltmeister Ayrton Senna den achtbaren achten Schlussrang als Privatier unter Werkteams. An jenem Rennen kämpfte er, als gebe es kein Morgen, gab alles und es wird spürbar, dass das, was er jetzt erzählt, sich für immer in sein Gedächtnis eingeprägt hat. Müller erreichte damit endlich, worum er seit Jahren gekämpft hatte: die Anerkennung seines Vaters. Dieser habe ihn nach dem Rennen geherzt und mit Tränen in den Augen gesagt: «Du kannst es doch, mein Kleiner! In Zukunft fahren wir als Team gemeinsam die Langstrecken-Weltmeisterschaft, Le Mans, Nürburgring, Monza …!» Noch heute wirkt Dani Müller ergriffen von diesem Moment. Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – es diese gemeinsame Zukunft mit seinem Vater auf den Rennstrecken dieser Welt nicht mehr gegeben hat, nicht mehr geben konnte. Sein Vater verstarb im darauffolgenden Jahr bei einem Unfall auf dem Nürburgring. Dani Müller gibt zu verstehen, dass er nach der Go-Kart-Weltmeisterschaft etwas Grundlegendes begriffen hat: Wenn er etwas wirklich erreichen will und es mit Herz und Verstand angeht, dann schafft er es! Diese Gewissheit, so sagt Müller heute, habe ihn weitgebracht. Seine Motorsportkarriere bescherte ihm internationale Formel-3-Titel und Auftritte in Monaco, wo er auf spätere Formel- 1-Weltmeister wie Mika Häkkinen, Jacques Villeneuve und Michael Schumacher traf. Die Fachpresse machte ihm das schönste Kompliment, als sie schrieb: «Er macht seinem Vater alle Ehre!»

Was, einen See kaufen?
Nach dem Tod seines Vaters führte Dani Müller zehn Jahre lang den Betrieb seiner Eltern, bevor er diesen verkaufte und die HWV (Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule) absolvierte. Noch während dieser Ausbildung übernahm er eine Stahlrohrmöbelfirma, kreierte unter seinem eigenen Label Moobel Designermöbel für gehobene Ansprüche und verkaufte das Label wieder. Was auch immer Dani Müller in seinem Arbeitsleben anpackte, machte er mit einem Engagement, das über das normale hinausging. «Ich arbeitete zu oft bis zu 16 Stunden am Tag!», sagt er und resümiert, dass darunter wohl auch sein Familienleben gelitten hat. Er hat heute drei erwachsene Kinder. Zuletzt führte der umtriebige Macher seine eigene Generalunternehmung für Wohneigentum. Ausgelaugt, abgekämpft und einem Burn-out nahe gab der Ein-Mann-Kämpfer diese hektische Tätigkeit mit 49 Jahren auf. Just in dieser Zeit war das Areal mit dem Forellensee in Zweisimmen zu erwerben. Müller, der wie er selber sagt damals noch keine Ahnung hatte, was er mit einem See anstellen sollte, überlegte sich nur: «Wann kann man sich schon einen eigenen See kaufen?» Er war an der Versteigerung am 9. August 2011 im Konkursamt Interlaken der Einzig- und gleichzeitig Höchstbietende. Inzwischen hat sich Dani Müller umgezogen. Er trägt jetzt Workerhose und Flanelljacke. Stolz zeigt er seine Zuchtbecken für Europäische Flusskrebse und erzählt, wie er nach dem Erwerb des Forellensees dazu kam, gastronomisch tätig zu werden. Das war Neuland für ihn. «Ich hatte davon doch keine Ahnung!», gibt er unumwunden zu und windet Ruth Wedekind, die ihn dazu ermutigt hatte, im gleichen Atemzug ein Kränzchen für ihren unermüdlichen Einsatz an seinem See. Jahr für Jahr erweiterte er das Restaurant und das Angebot darum herum sukzessive und hatte dabei zum Wohl seiner Gäste eines immer im Blick: den See. Von jedem Platz aus sollen seine Gäste auf den See blicken und die Idylle geniessen können. Als vorläufig letzten Coup, nach dem schwimmenden Chaletboot, setzt Müller auf die Ansiedlung, Aufzucht und den Vertrieb von Edelkrebsen. Er nutzt sie einerseits als Delikatesse in seinem Restaurant. Doch er verkauft sie auch. «Vorwiegend in die Sterne-Gastronomie im Saanenland», sagt er. Es gibt ein Thema, über das Müller nicht gern spricht. Er, der nie vergessen hat, woher er kommt und vielleicht auch deshalb noch immer ein Aargauer Kennzeichen an seinem Auto führt, spricht nicht über Geld. Weder nennt er den Betrag, den er seinerzeit für das Grundstück mit seinem Haus am See bezahlt hat, noch will er die am Forellensee getätigten Investitionen näher beziffern. Wer ihn kennt, weiss, dass das für ihn nicht wichtig ist. Was zählt, sei einzig und allein das, was man im Leben lerne und was man daraus mache. Dani Müller blickt noch einmal über seinen See und verabschiedet sich. Die Arbeit ruft. Selbst mit anpacken ist für ihn noch immer etwas vom Wichtigsten. Er zeigt seine Hände und sagt: «Das sind meine liebsten Werkzeuge!»


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