Musik in der Kirche bei den Reformatoren

  31.05.2019 Kirche

Liebe Leserinnen, liebe Leser
Viele von Ihnen, besonders die älteren, können sich sicher noch daran erinnern, wie sie im kirchlichen Unterricht die Unterschiede der Abendmahlslehre von Zwingli, Luther und Calvin lernen mussten. Bei vielen ist der Eindruck zurückgeblieben, dass die Reformatoren seltsame Streitigkeiten hatten. Die Unterschiede erschienen einem so minimal, kaum der Rede wert. Und heute werden diese Unterscheide ja auch kaum noch thematisiert. Dagegen waren die anderen Unterschiede in der Lehre der Reformatoren kaum bekannt. Über die wurde selten gesprochen, obwohl wir an ihnen zum Teil mehr zu beissen hatten und noch haben. Zum Beispiel die Unterschiede in ihrer Auffassung über die Kirchenmusik.

Huldrich Zwingli selbst konnte fast ein Dutzend Instrumente mit Leichtigkeit spielen, und er pflegte die Musik, begleitet von ein- und mehrstimmigen Gesängen, bei sich zu Hause leidenschaftlich. Im Jahr 1520 komponierte und dichtete er nach seiner überwundenen Krankheit das dreiteilige Pestlied «Hilff, Herr Got, hilff in dieser Not». Dem folgte im Jahre 1529 das Kappelerlied «Herr, nun hebe den Wagen selbe». Beide Lieder weisen ein gehobenes Niveau und eine bewusst kunstvolle Gestaltung vor. Zwingli hat anscheinend geistliche Lieder komponiert, um sein Gemüt aufzuheitern. Er war ebenso ein grosser Förderer der schweizerischen Hausmusik wie am Psalmensingen zu Hause und in der Schule. Umso erstaunlicher ist, dass diese, seine Leidenschaft, einem musikalischen Rigorismus im Gottesdienst gegenübersteht. Gottesdienst und Musik gehören nach der Meinung Zwinglis grundsätzlich nicht zusammen. Laut Zwingli soll der Mittelpunkt des Gottesdienstes das Gebet sein. Dort sammelt sich die Gemeinde und gibt Antwort auf Gottes Wort. Musik würde die Sinne des Einzelnen berauschen und vom nötigen Ernst ablenken. Ausserdem ist das Singen immer ein Gemeinschaftserlebnis. Das rechte Gebet muss sich aber im Gegenüber des Einzelnen vor Gott ereignen. Der Einzelne soll sich aus der Gemeinschaft isolieren. Schon deshalb, weil keiner weiss, ob der andere wirklich zur Gemeinde gehört. Nur in dieser Zweisamkeit mit Gott erfüllt sich das echte Gebet, und je mehr sich das Gebet entfalten kann, umso mehr verschwinden alle Worte und Bilder. In dieser seiner Vorstellung, dass der Gottesdienst sich in der Einsamkeit des Einzelnen vollziehen soll, zeigt sich die individualistisch-aristokratische Grundhaltung des Humanismus. Der Gemeinschaftsgedanke ist bei Zwingli völlig verloren gegangen. In der Karwoche des Jahres 1525 wurden in Zürich zum letzten Mal die Messe und die Passion gesungen. Der Gründonnerstag, der Karfreitag und der Ostermorgen wurden nach den Vorstellungen Zwinglis gefeiert. Nicht nur die Bilder und die Altäre waren beseitigt worden, sondern auch die Orgeln fielen als papistische Instrumente den reformatorischen Vorstellungen zum Opfer.

Ähnlich tönte es bei Johannes Calvin in Genf. Obwohl auch er eine hohe Meinung von allen Künsten hatte und sie für Strahlen des göttlichen Lichtes erachtete, schienen sie für ihn kein Lebensbedürfnis zu sein. Er stellte zwar den Gemeindegesang in den Dienst des Gemeindeaufbaus und forcierte zu diesem Zweck die gesangliche Ausbildung der Jugendlichen, indem er eine Sängerschule in der Kathedrale in Genf ausbaute, doch auch bei Clavin war nur der einstimmige Gesang erlaubt. Auch er verbannte die Orgel und andere Instrumente aus dem Gottesdienst. Überall, wo die Musik aus lauter Freude und dem Vergnügen diente, sah Calvin Sinneslust und weltliche Eitelkeit am Werk. Calvin hatte auch Angst davor, dass Instrumentalmusik im Gottesdienst die Aufmerksamkeit der Gemeindeglieder zu stark an sich reissen und vom Wort Gottes ablenken würde. Wie Zwingli ordnete er den Gesang dem Gebet und der gegenseitigen Belehrung und Ermahnung zu. Aus diesem Grund muss Musik mit dem Wort Gottes verbunden sein. Singen wie die Vögel, die nicht wissen, warum sie singen, war für Calvin unvorstellbar.

Wer von Zwingli und Calvin zu Martin Luther stösst, dem muss es wie einem Fisch ergehen, der von ruhig dahinfliessenden Rinnsalen zu reissenden Strömen und offenen Meeren vordringt. Luthers Freude an der Musik ist durch alle seine Äusserungen hindurch hörbar. Zwinglis und Calvins Trennung von reiner Kunst, Lebenskultur und Gottesdienst war für Luther unvorstellbar. Die Schöpfung stellt mit ihren physikalischen Gesetzten dem Menschen ein vielfältiges Tonmaterial zur Verfügung. Im Rauschen des Waldes, im Plätschern des Baches oder im Brausen des Windes. Alles in der Schöpfung erzeugt einen Schall oder einen Laut. Auch Vogelgesang oder das Geschrei von Säuglingen war für Luther Ausdruck der göttlichen Gnade, genauso wie eine Motette. Kunstmusik ist für ihn lediglich eine höhere Entwicklung dieser Töne. Luther wollte auch nichts von schlechten oder verweichlichenden Tonarten wissen. Ebenso wehrte er sich dagegen, zwischen geistlicher und weltlicher Musik zu unterscheiden. Dieser Gegensatz ist für ihn in der Menschwerdung Gottes überwunden. An der Zeitenwende ist ein neues Zeitalter angebrochen. Blinde sind sehend geworden, Taube hörend und Lahme tanzen. Die Freiheit der Kinder Gottes spiegelt sich im Anstimmen des neuen Liedes in ihren Tanzreigen wider. Dem aus Glauben Gerechtfertigten ist es geschenkt worden, wie die Kinder fröhlich und sorglos zu sein. Es ermöglicht ein Leben in Gelassenheit, Lachen und Humor. Luther ist auch überzeugt, dass die ursprüngliche Form des Evangeliums eine mündliche Botschaft war, eine Anleitung sowie eine Schule des Singens und des Musizierens. Er geht so weit, dass er einem Geistlichen, der nicht singen und musizieren kann, die Fähigkeit zu seinem Amt abspricht.

Aus all diesen Gründen ist es für Luther Gott selbst, welcher der Gemeinde den Auftrag gibt, die Musik in seinen Dienst zu stellen. Und weil die Musik für Luther das schönste Geschenk Gottes ist, wollte er, dass im Gottesdienst so viel Musik erklingt wie nur möglich. Luther sah in der Musik ebenso einen besonders guten Köder für die Jugend. «Die Musik kann sie zum Glauben reizen. Wie man den Kindern Äpfel und Birnen gibt, so gibt man der Jugend Musik. Mit der Musik zusammen hören sie zugleich das Wort Gottes.» Aus all diesen Gründen will Luther, dass wir mit allen Glocken läuten, mit allen Orgeln pfeifen, mit allem klingen und tönen, was zum Tönen gebracht werden kann.

Und heute, wie tönt es heute in unseren reformierten Gottesdiensten? Orgel, Instrumentalmusik und mehrstimmiger Gesänge kehrten schnell wieder in die reformierten Gottesdienste zurück. Auch die Unterscheidung zwischen weltlicher und geistlicher Musik wird zunehmend aufgeweicht. Doch zu einem sorglosen und humorvollen Umgang mit der Musik im Gottesdienst, wie es Martin Luther kannte und wollte, haben wir bis heute nicht zurückgefunden.

KORNELIA FRITZ


HERZLICHE EINL ADUNG ZUM ÖKUMENISCHEN GOTTESDIENST

Sonntag, 23. Juni 2019, 10.30 Uhr auf dem Bühl am Lauenensee

– Wie gelangen Sie zum Lauenensee? Zu Fuss ab Lauenen, zirka 1½ Stunden Marschzeit oder mit dem Postauto, Extrafahrt ab Bahnhof Gstaad, 9 Uhr, ab Lauenen Geltenhornplatz, 9.15 Uhr oder mit dem Privatauto (Parkgebühr Fr. 8.–).
– Die Kirchgemeinde Lauenen bietet einen Fahrdienst für beeinträchtigte Fussgänger an. Abfahrt 9.40 Uhr ab Geltenhornplatz bis zum Bühl.
– Rückfahrt mit dem Postauto ab Lauenensee Parkplatz, 15.40 Uhr.

Gottesdienst mit Alexander Pasalidi, Marianne Aegerter, Kornelia Fritz, musikalische Umrahmung: Posaunenchor Gstaad.

Nach dem Mittagessen:
– «50 Jahre Naturschutzgebiet Gelten-Iffigen», Kurzreferat von Christian Schwizgebel sen., musikalische Umrahmung mit dem Jodelduett Geschwister Oehrli/Reichenbach.
– In der Remise von Niklaus und Veronika Brand, Matten, offerieren wir Ihnen einen Apéro.
– Vom Grill eine Bratwurst mit Brot für Fr. 5.–.

Bei kalter Witterung findet der ökumenische Gottesdienst in der Kirche Lauenen statt. Anschliessend an den Gottesdienst herzliche Einladung zum Apéro. (Bei unsicheren Wetterverhältnissen gibt Telefon 1600 ab Samstag, 12 Uhr Auskunft.)

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote