«Malaria» – oder die grosse Sehnsucht nach Freude

  07.06.2019 Vorschau

Das Filmpodium Saanenland zeigt am Pfingstmontag, 10. Juni den Film «Malaria» des iranischen Filmemachers Parviz Shahbazi.

Hanna und ihr Freund Murry brennen durch. Von der iranischen Provinz ins fortschrittliche Teheran. Dort angekommen, schliessen sie sich der Strassenmusikgruppe «Malaria», an.

Ihren gewalttätigen Vater lässt Hanna hingegen im Glauben, sie sei entführt worden. Diese etwas absurde Nachricht, sie sei entführt worden, wird später durch Aufnahmen ihres Bruders und Vaters sowie die restriktiven und frauenfeindlichen Gesetze ansatzweise verständlich. Der Vater begibt sich zusammen mit ihren Brüdern auf Verfolgungsjagd. Hannas und Murrys Reise wird jeden Tag gefährlicher. Am Ende bleibt ihr nur ein radikaler Ausweg.

Hanna liebt das Leben, lebt aus, was sie ausleben kann, auch auf Kosten anderer. Sie schmeisst das zwingend obligatorische Kopftuch weg, wenn sie mit Murry draussen in der Natur ist. Dies sehen wir allerdings nicht im Bild, denn das würde im Iran, wo Frauen in Filmen selbst in der Küche oder im Bad eine Kopfbedeckung tragen müssen, bestraft.

Murry trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift «Thinking … Please wait», wohl auch beiläufig ein Zeichen für den gesellschaftlichen Umbruch der iranischen Jugend. Als Kontrast dazu die SMS von Hannas Vater, der die Tochter mit aller Macht sucht und zurückhaben will: «Es gibt nur einen Weg, wie du nach Hause zurückkommen kannst, und das ist in deinem toten Körper.»

Der iranische Filmemacher Parviz Shahbazi hat den Film «Malaria» 2016 gedreht. Der Film wechselt über die ganze Filmlänge immer wieder die Erzählperspektive, mischt längere Einstellungen, die die Handlung zeigen, mit kürzeren, die die Befindlichkeit dokumentieren und hält die Handlung aus Aufnahmen mit dem Smartphone und einer Filmkamera fest. Durch die gewählte Form sind wir mittendrin im landesweiten Sog nach Freude, aber auch eingebunden in die Widersprüche, die den iranischen Alltag prägen, mit denen die Gesellschaft dort leben muss und aus denen es kaum ein Entrinnen gibt – oder vielleicht doch irgendwann einmal in der Zukunft, obwohl die aktuelle weltpolitische Lage daran zweifeln lässt.

Parviz Shahbazi taucht ein ins Leben von Jugendlichen im aktuellen Iran, wo die rückwärtsgewandte Politik und Moral jeder Veränderung im Wege steht, aber gleichwohl nicht verhindern kann, dass auf den Strassen und in den Häusern, wo die Abtrünnigen und Aufmüpfigen sich aufhalten, ein Sturm von spontanen, hedonistischen, zum Teil naiven, pubertierenden Protesten losbricht, anders als bei der «Jasmin»-Revolution in Tunesien oder Ägypten, anders auch als bei den 68er-Revolten in Berkeley, Paris, Berlin oder Zürich.

Geboren am 16. Juli 1962 in Teheran, studierte der Filmemacher Parviz Shahbazi am Teheran Cinema College. In den frühen Achtzigerjahren begann er Kurzgeschichten zu schreiben und Kurzfilme zu drehen. Er arbeitete als Cutter für andere Filmemacher und hatte ein ganzes Dutzend Kurzfilme realisiert, bevor er 1996 seinen ersten abendfüllenden Spielfilm inszenierte. Parviz Shahbazi hat das Buch zu «Malaria» geschrieben und die Geschichte lebensnah inszeniert. Er sagt zu seinem Spielfilm «Malaria»: «Ich glaube, dass die iranische Gesellschaft noch nie ein stärkeres Bedürfnis nach Freude hatte als heute. Die Sequenz des Strassenkonzerts haben wir im Herzen Teherans gefilmt. Passanten standen stundenlang rum, um sich die Musik anzuhören und schenkten dem Filmteam überhaupt keine Beachtung. Wann immer es die Handlung zuliess, brachte ich Szenen dieser Volksfreude in den Film ein sowie die Nacht, in welcher das Atomabkommen zwischen dem Iran und der 5+1-Gruppe endlich unterschrieben wurde. Es hätte mir gefallen, wenn meine Protagonisten ebenfalls fröhlich gewesen wären, doch die Widersprüche einer Gesellschaft, die dauernd zwischen Modernität und Tradition hin- und hergerissen ist, machen so etwas schwierig.»

«Malaria» erhielt mehrere namhafte internationale Auszeichnungen. Lassen Sie sich diese Perle nicht entgehen!

FILMPODIUM SAANENLAND

Wir zeigen den Film am Pfingstmontag, 10. Juni um 20.30 Uhr im Cinema Gstaad. Nichtmitglieder sind herzlich willkommen und zahlen an der Abendkasse.


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