Das Beach-Fieber steigt wieder in Gstaad

  28.06.2019 Sport

Mit dem diesjährigen Beachvolleyball-Turnier steht Gstaad vor einem runden Geburtstag. Mit der 20. Austragung ist das Swatch Major Gstaad das weltweit älteste Turnier. Für Turnierdirektor Ruedi Kunz steht trotz Jubiläum der Sport im Zentrum.

JENNY STERCHI
«Ein Beachvolleyball-Turnier hier in Gstaad?», so oder ähnlich zweifelnd reagierten viele, als Turnierdirektor Ruedi Kunz vor 20 Jahren seine Idee dieses Sportanlasses präsentierte. «Es gibt keinen Strand und auf das Wetter kannst du dich in den Bergen auch nicht verlassen», fügten die Skeptiker noch hinzu. Aber Kunz liess nicht locker und sollte die Zweifler im Laufe der nächsten Jahre Lügen strafen. Seit zwei Jahrzehnten kommt der Strand jeweils im Juli für eine Woche nach Gstaad. Mehrere Lastwagen kippen jeweils ihre Sandladungen ins Stadion und kreieren den weltweit höchstgelegenen Strand für die Weltelite des Beachvolleyballs. Viele Medienvertreter kamen Anfang dieser Woche an die Pressekonferenz nach Biel, um im neuen Swatch-Hauptsitz, einem der futuristischsten Geschäftshäuser des Landes, den Turnierdirektor Ruedi Kunz, OK-Mitglieder sowie die Schweizer Topathletinnen und -athleten im Beachvolleyball zu treffen.

Stillstand ist Rückschritt
So lautet das Credo der Uhrenfirma Swatch, die immer Partner des Turniers war und seit fünf Jahren der Titelsponsor für das Fünf-Sterne-Turnier ist. «Heute ist alles sehr kurzlebig, die Zusammenarbeit mit unseren Sponsoren eben nicht», betonte der Turnierdirektor. Das Geheimnis liege in der Langlebigkeit der Zusammenarbeit. Weil sich das Turnier Jahr für Jahr weiterentwickelt hat, können sich das Swatch Major Gstaad und sein Titelsponsor mit dem Motto «Stillstand ist Rückschritt» sehr gut identifizieren. Philippe Saxer von Swiss Volley machte auf die Nachwuchsarbeit, die Swatch seit einiger Zeit leistet, aufmerksam. Dazu gehört ein Talentcamp für den Beachvolleyball-Nachwuchs, das ebenfalls in Gstaad durchgeführt wird. Wie viel Gewicht auf der Partnerschaft zwischen Swatch und dem Gstaader Turnier liegt, erklärte Ruedi Kunz am Beispiel der Ballkinder: «Die Kleider sind unseren Ballkindern hier und da zu gross. Aber die Uhr sitzt immer.» Für viele Kinder sei bis heute die Swatch vom Gstaader Beachvolleyball-Turnier die erste eigene Uhr.

Die anderen Partner wie Coop und das Schweizer Fernsehen bekannten sich von Anfang an zu diesem Projekt. «Am ersten Turnier hatten wir nicht gerade viele Zuschauer und ich hatte gegenüber den Fernsehleuten ein schlechtes Gewissen», schilderte Kunz die Anfänge des Turniers. Gemeinsam sei man Jahr um Jahr gewachsen. Auch die Gemeinde Saanen sei von Beginn an hinter dem Turnier gestanden und habe die Organisatoren nach Kräften unterstützt. «Ohne starke Partner wie Coop, Red Bull und all die anderen wäre es nicht möglich, das Turnier in Gstaad zu halten», ist der Turnierdirektor überzeugt.

Philippe Saxer brachte es auf den Punkt: «Wir sind stolz, das weltweit beste und älteste Beachvolleyball-Turnier im eigenen Land zu haben.»

Helfer als Zentrum des Turniers
Jedes Jahr sind über 500 Helfer eine Woche lang in Gstaad im Einsatz. Im Februar wurden die Anmeldelisten herausgegeben. Draussen war noch tiefster Winter und dennoch dauerte es nur zehn Tage, bis alle Helferplätze belegt waren. «Wir mussten die Helferlisten schliessen», präzisierte Kunz das riesige Interesse, als Helfer am Swatch Major Gstaad dabei zu sein. 90 Prozent der Helferinnen und Helfer, die unentgeltlich im Einsatz stehen, sind «Wiederholungstäter». Das heisst, sie kehren jedes Jahr mit ihren helfenden Händen nach Gstaad zurück. «Wir freuen uns, auch beeinträchtigten Menschen die Möglichkeit bieten zu können, Teil des Turniers zu sein und setzen sie ihren Fähigkeiten entsprechend ein», so Kunz. Ohne all diese Helfer wäre laut dem Turnierdirektor ein Anlass von dieser Grösse nicht machbar.

Sechs Schweizer Teams im Hauptfeld
«Das Niveau im Beachvolleyball ist mit den Jahren gestiegen, die Weltspitze ist breiter geworden und ziemlich dicht gedrängt», schätzte Philippe Saxer die Entwicklung in dieser Sportart ein. So erlebten es auch die anwesenden Athletinnen und Athleten.

Joana Heidrich hatte sich letztes Jahr mit unschönen Erlebnissen aus Gstaad verabschiedet. Ein Bandscheibenvorfall in ihrem letzten Match sorgte für einen sehr schmerzhaften Turnierausgang. Umso gespannter hörte man ihre Antwort auf die Frage nach ihrem gegenwärtigen Befinden. «Es geht immer besser, brauchte jedoch viel Geduld», liess die 1,90 Meter grosse Athletin verlauten und strahlte dabei Zuversicht aus. Sie wird mit ihrer Partnerin Anouk Vergé-Dépré nach Gstaad zurückkehren, um Spielpraxis zu bekommen. Auch Tanja Hüberli und Nina Betschart werden das Turnier in Gstaad bestreiten. Davor werden sie nächste Woche an den Weltmeisterschaften in Hamburg im Hauptfeld mitmischen. Auch für die Herren Mirco Gerson und Adrian Heidrich geht es zunächst als einziges Schweizer Herrenteam für die Titelkämpfe in die deutsche Hansestadt. In Gstaad wird Gerson bereits zum achten Mal im Sand stehen. «Es ist das höchste der Gefühle, in Gstaad spielen zu dürfen», sagte Gerson gegenüber den Medien. Nico Beeler und Marco Krattiger hatten im letzten Jahr Verletzungspech und wollen in Gstaad wieder Selbstvertrauen tanken. Die Damen Laura Caluori und Dunja Gerson sind das fünfte Schweizer Duo im Gstaader Spielerfeld. Komplett wird die Schweizer Delegation bei ihrem Einsatz im Saanenland mit Melina Hübscher und Kim Huber, die voraussichtlich am Dienstag der Turnierwoche ihr Qualifikationsspiel bestreiten werden.

Kerry Walsh, mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin aus den USA und Stammgast im Gstaader Spielerfeld, findet im Promotionsfilm dafür die passenden Worte: «Gstaad ist für mich einfach nur, zufrieden und glücklich zu sein.»

Zum Jubiläum etwas Besonderes
Auch wenn Ruedi Kunz immer wieder betonte, dass er trotz 20-Jahr-Jubiläum den Sport im Mittelpunkt der Turnierwoche sieht, ist das Abendprogramm am Donnerstag und Freitag sehr prominent besetzt. Am Donnerstagabend wird Loco Escrito alle Interessierten im Stadion mit guter Musik unterhalten. Am Freitagabend wird Bastian Baker auf der Bühne stehen. «Ich hoffe, dass die Schweizer Athletinnen und Athleten keine Zeit haben werden, die Konzerte zu besuchen, da sie hoffentlich noch im Turnier und auf dem Weg zu einer Kuhglocke sind», so der unterhaltsame Kommentar des Turnierdirektors. Baulich habe man sich auch auf dieses Jubiläumsprogramm eingestellt. Vor der VIP-Tribüne wird für die Konzerte eine Bühne installiert. Da aber das Publikum wichtiger Bestandteil im Turnier ist, wollte man es keineswegs seines Platzes berauben. So werden die Sitzplätze auf den übrigen drei Tribünen noch weiter ans Spielfeld herabgezogen. Neu werden auch in der Skylounge Sitzplätze eingerichtet. Der Gedanke hinter diesen baulichen Veränderungen ist laut Kunz ganz einfach: «Das Stadion soll ein noch grösserer Hexenkessel werden.»

Ein Jubiläumsgeschenk, welches noch nach der Turnierwoche greifbar ist, ist das Jubiläumsbuch von Margot Kunz, Ehefrau des Turnierdirektors und Mitinitiantin des Gstaader Beachvolleyball-Turniers. Die Autorin stellte es im Rahmen der Pressekonferenz vor mit den Worten: «Es sind vorwiegend lustige Anekdoten, aber auch nachdenkliche Episoden darin aufgeführt. Bei einigen bewegen wir uns wohl am Rande der Legalität, aber auch bei uns gilt hoffentlich eine Verjährungsklausel.» Bevor sie eine überaus unterhaltsame Episode aus dem Buch vortrug, machte sie noch auf das Bildmaterial im Buch aufmerksam. «Wir haben Tausende von Fotos durchsucht. Das Bildmaterial der ersten vier Turnierausgaben war noch auf Papier, da die Digitalfotografie noch nicht verbreitet war. Schliesslich fanden wir tatsächlich zu jeder Anekdote das passende Bild.» Und auch bei diesem Projekt liess es sich Swatch nicht nehmen einzusteigen. Jedem Buch liegt eine Uhr bei, die Nicolas Hayek höchstpersönlich ausgewählt hat.

Es geht weiter
Ruedi Kunz nutzte die Gelegenheit der Pressekonferenz, um bereits das Datum der 21. Ausgabe des Swatch Major Gstaad (7. bis 12. Juli 2020) zu verkünden. Demnach fehlt von Stillstand jede Spur und die Skeptiker sind verstummt. Viele Einheimische wie auch Gäste haben sich im Laufe der Zeit mit dem Beach-Fieber in Gstaad «infiziert». Während an der ersten Ausgabe Neoprensocken helfen sollten, dem nahen Schnee und Aussentemperaturen von vier Grad zu trotzen, schützten wiederum Socken ein Jahr später die Füsse der Helfer vor unangenehm heissem Sand. Und in den letzten Jahren stellte sich eine gewisse, meteorologische Stabilität ein: In der Beachwoche wird es schön.

 


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