Jedes zweite spontan geborene Kind aus der Region kam im Geburtshaus zur Welt

  07.06.2019 Zweisimmen, Gesundheitswesen, Nachbarschaft

Der Verwaltungsrat des Geburtshauses Simmental-Saanenland Maternité Alpine Zweisimmen hatte am 28. Mai zur 4. ordentlichen Generalversammlung ins Hotel Diana nach St. Stephan eingeladen. Dicht sassen die 44 Genossenschafter/innen, welche durch Präsidentin Anne Speiser herzlich begrüsst wurden. Speziell willkommen hiess sie Nationalrat Erich von Siebenthal sowie Dr. Stephan Hill als Gastreferent des Abends.

Die Traktandenliste, das Protokoll der dritten GV, der Jahresbericht und die Jahresrechnung 2018 sowie der Revisorenbericht wurden einstimmig angenommen, die Verwaltung entlastet und das Budget 2019 genehmigt. Ebenfalls einstimmig wurde der bisherige Verwaltungsrat in globo wiedergewählt. Als neues Mitglied konnte die zweifache Mutter Tabitha Perreten-Perreten aus Lauenen gewonnen werden, welche ihr knapp dreimonatiges Kind gleich mit dabei hatte. Der jüngste GV-Gast erblickte Anfang März im Geburtshaus das Licht der Welt. Anina nahm mit typischen Kleinkindergeräuschen, zwischendurch mit einem kräftigen «Glugsi», aktiv am Abend teil und gab der GV so einen durchaus authentischen und aufgelockerten Anstrich.

Defizit durch Spenden gedeckt
Die Jahresrechnung schloss mit einer Null, das Betriebsdefizit von 210’398 Franken (EBITDA) konnte aus dem mit Spenden gespiesenen Fond gedeckt werden. Das höhere Betriebsdefizit im Vergleich zum Vorjahr erklärt sich durch weniger Aufnahmen von Frauen zur Geburt, bei gleicher Nachfrage. Wegen streng gehandhabten medizinischen Ausschlusskriterien konnten nicht alle Frauen aufgenommen werden. Dazu kamen, wie im Vorjahr, nicht verrechenbare Leistungen von rund 21’000 Franken. Damit der Fonds auch für die nächsten Jahre für weitere ungedeckte Kosten gespeist werden kann, sind grosse Anstrengungen gefragt. Die Maternité Alpine ist auf grosszügige Spenden angewiesen. So ist der 2017 gegründete Förderverein ein wichtiges Bindeglied zwischen der Region und dem Geburtshaus und unter anderem an regionalen Märkten präsent. Fördervereins-Präsidentin Rosmarie Willener unterstützt die Maternité Alpine aktiv: «Ich lege allen ans Herz, unseren Einsatz für die Maternité auch mit einer Mitgliedschaft im Förderverein zu würdigen. Wir sind nun schon eine ganze Weile zusammen unterwegs und stützen uns innerhalb des Teams immer wieder gegenseitig.»

Nächste Generation soll auch in der Region geboren werden können
Die gemachten Erfahrungen und das Echo, dass das Geburtshaus im zweiten Betriebsjahr erhielt, ermutigen das Hebammenteam, die Hauswirtschafterinnen, den Verwaltungsrat der Genossenschaft sowie den Beirat, sich in ihrer Arbeit sehr engagiert für die Maternité Alpine einzusetzen. Das Geburtshaus ist zudem begehrter Praktikums- und Ausbildungsplatz für zukünftige Hebammen.Anne Speiser würdigte die Arbeit, die alle für die Maternité Alpine leisten: «Ich bin stolz, einem so engagierten Team angehören zu dürfen. Wir alle arbeiten mit grossem Elan und viel Herzblut und bleiben motiviert daran, damit auch die nächste Generation in unserer Region das Licht des Lebens erblicken kann.» Ein grosses Merci ging zudem an die Ärzte Dr. Nadine Kleinebekel, Dr. Peter Dürig und Dr. Maria Ader, Dr. Ueli Stucki, und auch die gute Zusammenarbeit mit den Spitälern Zweisimmen, Thun und Frutigen wurde verdankt.

Gehen Gebärende in die Richtung, wie das Wasser fliesst?
Marianne Haueter erläuterte als Co-Leiterin der Maternité Alpine zusammen mit Anne Speiser die Nutzungsdaten des Jahres 2018 im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2017 kamen mit 61 gut die Hälfte der spontan geborenen Kinder aus der Region Obersimmental-Saanenland in der Maternité Alpine zur Welt, 2018 deren 48. «Was auffällt, wir haben praktisch keine Gebärenden aus dem Niedersimmental», so Haueter. So haben sich im Jahr 2018 lediglich sieben Klientinnen aus dem Niedersimmental im Geburtshaus stationär aufgehalten – ebenso viele wie beispielsweise aus dem Pays-d’Enhaut. Bei 84 aus dem Obersimmental, 48 aus dem Saanenland und zehn aus anderen Regionen sticht die magere Nutzung durch das Niedersimmental heraus. Dass dies mit dem Fluss des Wassers zusammenhängt, wurde als mögliche Erklärung in den Raum gestellt.

Trotzdem ist die Nachfrage nach dem einzigen geburtshilflichen Angebot in der Region konstant. Das Geburtshaus mit seinem 24-Stunden- und- 365-Tage-Betrieb schliesst eine grosse Lücke in der Grundversorgung. Dazu gehören Voruntersuchungen, die Geburt, das Wochenbett und die Nachbetreuung ebenso wie telefonische Beratungen. Die meisten Frauen, welche aus medizinischen Gründen nicht zur Geburt aufgenommen werden konnten, kehrten für die Wochenbettbetreuung in die Maternité Alpine zurück. Die Nachfrage nach dem geburtshilflichen Dienst ist gestiegen, besonders an den Wochenenden und nachts. Dank der Beratungen können viele Fragen und Probleme vor Ort oder telefonisch geklärt oder gelöst werden. Eindrücklich ist, dass die Hebammen für ihre Nachsorgebetreuung rund 13’000 Kilometer zurückgelegt haben.

Blick in die Zukunft
Dr. Rudolf Minnig und Präsidentin Anne Speiser berichteten von der intensiven Arbeit in den Arbeitsgruppen zum Campus Zweisimmen. Konkret hat die Maternité ihren Raumbedarf bekannt gegeben. Vorteilhaft für das Geburtshaus wäre es, die Synergien nutzen zu können. Die Genossenschaftsmitglieder erteilten dem Verwaltungsrat denn auch die Kompetenz für die Mitgestaltung in strategischen und finanziellen Fragen einstimmig.

Über das geplante Pilotprojekt «primär sectio» wird demnächst in einer gemeinsamen Medienmitteilung der GEF, des Spitals Thun und der Maternité berichtet werden können. Otto Rychener und Dr. Ruedi Minnig erhielten Applaus für ihre oft akribische Arbeit für dieses Projekt zugunsten der Region.

Gastreferent Dr. Stephan Hill nahm in seinem Referat abschliessend Bezug zum Projekt Gesundheit Simme-Saane (GSS) und zeigte auf, wie die Maternité schon heute in ihrem Bereich eine integrierte Versorgung darstellt. Ganz speziell gefällt dem langjährigen Lenker Gast der umfassende personenzentrierte Ansatz der Maternité in ihrem Zugang zu den Gebärenden und ihrem Umfeld. Für die Zukunft der GSS hängt vieles davon ab, dass das Projekt von der Bevölkerung getragen und genutzt wird. Er wies auf die hohe Regelungsdichte hin, welche für Institutionen wie die Maternité auch eine Bürde sind. Für die Zukunft wünschte er der Maternité Alpine viel Erfolg, es brauche sie.

Mit ehrenden Worten für die unermüdliche Schafferin und Co-Leiterin Marianne Haueter beendete Anne Speiser die GV und gab den Anwesenden noch einige Stichworte mit auf den Weg, so auch zur Machbarkeit: «Alle sagten, das geht nicht, da kamen ein paar, die wussten das nicht, und haben es gemacht.»

Bei einem von der Gemeinde St. Stephan offerierten Apéro wurden die angeregten Gespräche auch nach der Versammlung in gemütlichem Rahmen fortgesetzt.

PD/LUZIA WYSSEN


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