«Vielmehr steht der Kunde, egal ob Gast oder Einheimischer, im Zentrum»

  09.07.2019 Interview

Seit drei Jahren prägt Andreas Wandfluh die Destination Gstaad an vorderster Front mit. Der bescheidene Schaffer erzählt im Interview, auf was die Marketinggesellschaft Wert legt. Ein Gespräch in luftiger Höhe auf 1907 Metern.

BLANCA BURRI

Tourismusdirektor Sébastien Epiney hat die Destination nach anderthalb Jahren verlassen. Haben diese Umstände die Marketinggesellschaft durchgeschüttelt?
Die Marketinggesellschaft wurde von Beginn an strategisch durch die BDG sowie GST geleitet. Obwohl Sébastien Epiney gegangen ist, waren wir nie führungslos. Bei der BDG, bei GST und bei der Marketinggesellschaft gibt es viele langjährige Mitarbeitende, welche für Kontinuität sorgen. Jetzt freuen wir uns auf Flurin Riedi. Er hat am 1. Juli seine Arbeit als Geschäftsführer GST aufgenommen. Ich habe das Gefühl, wir werden sehr gut zusammenarbeiten.

Alle Tourismuspartner haben vor drei Jahren bei einem öffentlichen Festakt die Destinationsstrategie unterschrieben. Bewährt sie sich?
Absolut. Wir haben sehr viele Punkte der Strategie umgesetzt und auch ein paar kleine Anpassungen gemacht.

Welche Anpassungen brauchte es?
Die Marktbearbeitung war in 16 Märkten vorgesehen. Diese haben wir inzwischen auf sieben fokussiert.

Weshalb?
Wir möchten nicht nach dem Giesskannenprinzip vorgehen, sondern die Märkte fundiert bearbeiten. Bei sieben gelingt uns das gut.

Waren die Leistungsträger damit einverstanden?
Die Initiative für die Anpassung kam vom Hotelierverein, welcher zurecht die Effizienz der Bearbeitung so vieler Märkte hinterfragte. Natürlich haben wir diese Anpassungen anschliessend gemeinsam mit den anderen Leistungsträgern abgesprochen. Trotzdem schmerzt der Verzicht einige Partner, aber ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Worauf achten Sie bei der Märkteauswahl?
In erster Linie gibt die Destinationsstrategie den Rahmen vor. Wir investieren prozentual rund so viel in die Märkte, aus denen unsere Übernachtungsgäste stammen. An einem Beispiel erklärt: Rund 65 Prozent der Logiernächte generieren wir von Schweizern, also fliesst 65 Prozent unseres Werbebudgets in die Schweiz.

Es ist aufgefallen, dass Sie im Sommer vor allem für den Lauenensee werben.
Damit haben wir letztes Jahr begonnen. Das einladende Bild des Sees mit unserem Claim kommt bei den Gästen gut an.

Wird der See seither von Touristen überlaufen?
Der Lauenensee war auch vor der Kampagne eine gut besuchte Attraktion. Es ist unbestritten, dass die touristischen Leistungsträger von der Kampagne und dem guten Wetter durch grössere Frequenzen und Umsätze profitiert haben, seien dies Gastrobetriebe, Bergbahnen, Postauto oder auch die Gemeinde. Dementsprechend war ihr Feedback uns gegenüber positiv. Solange die Qualität des Produktes nicht unter den steigenden Besucherzahlen leidet, werden wir den Lauenensee bewerben und die Entwicklungen verfolgen. Uns ist Kontinuität wichtig. Gstaad ist eine Bijou-Destination und das soll sie auch bleiben. Sollte die Qualität nicht mehr stimmen, ist es unsere Aufgabe, die Gäste auf andere Produkte zu lenken.

Das Saanenland hat ja noch weitere schöne Flecken …
Die Wanderung zum Lauenensee ist eine Einstiegstour in unser Wanderparadies. Und wer einmal im Saanenland ist, wird auch die anderen Schönheiten entdecken und geniessen. Wir sind weggekommen vom Aufzählen von Pisten- oder Wanderkilometern als Verkaufsargument. Wir möchten Geschichten erzählen und Emotionen wecken, da liegt der Lauenensee als Träger mit dem schweizweit bestens bekannten Song, welcher genau unsere zu kommunizierende Botschaft ausdrückt, auf der Hand.

Ein Teil des Marketingbudgets ist durch Gemeindegelder finanziert. Bereits im kommenden Winter steht die Abstimmung für die Verlängerung in Gsteig und Lauenen an. Lauenen konnte mit der Lauenenseekampagne profitieren. Wie argumentieren Sie in Gsteig?
Nur gerade zehn Prozent unseres Werbebudgets fliesst in die Lauenensee-Kampagne, welche wohlgemerkt auch andere Produkte wie beispielsweise die Wanderung Horneggli–Rinderberg oder Medienreisen zum Arnensee beinhaltet. Es gibt noch viele andere Massnahmen, von denen Gsteig profitiert. In diesem Zusammenhang muss man sich immer wieder vor Augen führen, dass 50 Prozent der Wertschöpfung und somit auch 50 Prozent der Arbeitsplätze im Saanenland direkt oder indirekt durch den Tourismus ausgelöst werden.

Wie werben Sie im Ausland?
Da unsere Mittel bescheiden sind, fokussieren wir uns auf Highend-Kunden, auch geografisch setzen wir sehr gezielt Akzente. Das passt sehr gut mit unseren qualitätsbetonten Leistungsträgern und der intakten Natur des Saanenlandes zusammen.

Um eine Hebelwirkung erzielen zu können, braucht es wohl gute Partnerschaften.
Ob mit den Salespersonen unserer Hotels, mit Schweiz Tourismus oder weiteren: Wir versuchen durch partnerschaftliche Aktivitäten immer möglichst viel herauszuholen. Mit dem Snow Travel Mart Switzerland haben wir letztes Jahr zum Beispiel die Winter-Reisebranche nach Gstaad geholt.

Die Marketinggesellschaft setzt viel Manpower im Projektmanagement ein. Weshalb?
Wir setzen den Fokus auf ein stimmiges, erlebnisorientiertes Angebot. Wenn sich die Gäste im Saanenland wohl fühlen und wenn sie jedes Jahr wieder etwas Neues entdecken, dann schwärmen sie in ihrem Umfeld davon und kommen wieder. Deshalb unterstützen wir unsere Leistungsträger gerne bei der Umsetzung von tourismusbezogenen Projekten.

Wie werden diese Projekte jeweils finanziert?
Es kommt auf das Projekt und die Unternehmung dahinter an. Meist finanzieren sie die Auftraggeber. Als Beispiel kann ich die BDG nennen: Sie finanziert und baut die Spielplätze auf dem Rinderberg oder der Wispile. Wir haben unseren Beitrag bei der Ideenfindung, Konzeption und Planung eingebracht. Unsere Stärke liegt darin, unsere Partner mit anderen Partnern zusammenzuführen, wenn es Sinn macht. Wir selber aber steuern keine Barbeträge bei, da unser Budget primär zweckgebunden für die Werbung und Kommunikation eingesetzt wird.

Apropos Werbung: Gstaad hat in den letzten paar Jahren neue Wege beschritten …
Meinen Sie unsere Fonduegondel-Aktionen in den grossen Schweizer Städten? Oder den Kinderskilift in Bern?

Genau. Was ist Ihr nächster Coup?
(Lacht) Wir werden den Herren am Gurtenfestival mit einem «Händschefrässer» die Arbeit leichter machen.

Wie meinen Sie das?
Bestimmt kennen Sie die kleinen Skilifte, an dessen Stahlseil oder Plastikgriff man sich festhält und sich über eine kleine Strecke ziehen lässt: den sogenannten «Händschefrässer». Wir installieren denselben Lift auf dem Gurten-Festivalgelände.

Weshalb?
Damit die Herren die Damen von der Zeltbühne nicht mehr den Hang hochziehen müssen. Das erledigt künftig der Lift. Natürlich können wir auf der ganzen Strecke unsere Werbebotschaften anbringen. Für uns eine super Sache.

Nächstens fängt das Beach-Turnier an, danach reiht sich Grossevent an Grossevent.
Im Sommer ist sehr viel los, dadurch kommen die Gäste fast wie von selbst. Im Herbst, Winter und Frühling haben wir betreffend Events noch Potenzial, daran arbeiten wir zurzeit. Zum Beispiel möchten wir in der Zwischensaison auf MICE setzen.

«Mice» ist Englisch und heisst auf Deutsch Mäuse. Können Sie kurz erklären?
MICE steht auch für Meetings, Incentives, Conferences und Events. Das heisst, wir möchten Geschäftskunden in die Gegend holen, da sehen wir grosse Chancen.

Bei Diskussionen wird die Romandie als potenzieller Markt immer wieder in den Fokus gestellt. Wie sehen Sie das?
Ich glaube auch, dass wir in der Romandie noch Potenzial haben. Wir machen uns verschiedene Überlegungen und haben die ersten Aktionen geplant: Im kommenden Herbst gibt es am bekannten Weihnachtsmarkt von Montreux eine Gstaader Fonduestube.

Wie genau begann eigentlich die Top-4-Skiticketgeschichte?
Wir haben uns bereits im Vorfeld stark mit der Thematik Saisonabo-Besitzer befasst. Unser damaliges Produkt wurde ausserhalb der Destination bescheiden verkauft. Die Einführung des Magicpasses in der französischen Schweiz nahmen wir dann zum Anlass, uns mit Adelboden-Lenk über die weitere Zusammenarbeit zu unterhalten. Durch den Magicpass wurde die Fortführung des bestehenden Superpasses Alpes Vaudoises, Gstaad, Adelboden-Lenk begraben. Da es in einem Teil des Berner Oberlands das Saisonabo Plus gab, hat Adelboden-Lenk anschliessend den Kontakt mit der Jungfrauskiregion gesucht, unter dessen Federführung das Top-4 entstanden ist. Aus unserer Sicht ein absoluter Glücksfall.

Was ist der grösste Gewinn von Top-4?
Wir konnten die Berner als Skiabogäste zurückgewinnen. In den Vorjahren war das Gstaader Skiabo für Auswärtige mit rund 1000 Franken schlicht zu teuer, davon verkauften wir sehr wenige. Mit dem Top-4-Abo für 666 Franken werden wir zudem wieder als Skidestination wahrgenommen …

… und die BDG wurde von Skiareatest mit sieben Awards ausgezeichnet.
Der steigende Umsatz der Leistungsträger, die Auszeichnungen, die positiven Rückmeldungen von Gästen und Einheimischen: Das bedeutet wohl, dass wir nicht alles falsch machen. Wir sind in einer Positivspriale, wir haben viel Schwung und freuen uns, dass so viele tolle Ideen umgesetzt werden.

Das ist auf einige herausragende Persönlichkeiten zurückzuführen, die mit viel Mut und Manpower die Geschicke von GST, BDG und der Marketinggesellschaft geleitet haben – dazu gehören auch Sie.
Wer was gemacht hat, interessiert in zehn Jahren niemanden mehr. Vielmehr steht der Kunde, egal ob Gast oder Einheimischer, im Zentrum. Sie sind unsere Botschafter. Sie freuen sich über gute Produkte und tolle Erlebnisse und erzählen es hoffentlich weiter.


MARKETINGGESELLSCHAFT

Die Marketinggesellschaft wurde im Sommer 2016 gegründet. Sie nahm den operativen Betrieb am 1. November 2016 auf. Sie gehört Gstaad Saanenland Tourismus (GST), Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG), dem Hotelierverein sowie Gewerbeverein. Finanziert wird sie durch fünf Hauptpfeiler:
• Tourismusförderungsabgabe
(muss zweckgebunden für Marketingaktivitäten eingesetzt werden)
• Beherbergungsabgaben
• Gemeindebeiträge pro Jahr
– 1 Mio. Franken Saanen
– 100’000 Franken Gsteig
– 50’000 Franken Lauenen
– 200’000 Franken Zweisimmen

Diese Gemeindebeiträge müssen regelmässig vom Volk für eine weitere Periode genehmigt werden. Im Herbst steht die Abstimmung in Gsteig und Lauenen an.
• 3 Prozent des Verkehrsertrages des Tarifverbundes Gstaad (Bergbahnen Destination Gstaad AG, Wasserngrat 2000 AG, Gstaad 3000 AG, Skilift Rohrbrücke-Brüchli AG in Lauenen und die Genossenschaft Skilift Heiti)
• Situative Projektfinanzierung durch Partner

Das Gesamtbudget der Gstaad Marketing GmbH liegt bei rund 3,5 Millionen Franken.


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