«Hore-Steigerig» – ein ganz spezieller Farbtupfer im Saanenland-Sommerprogramm

  09.08.2019 Landwirtschaft

Dieses Jahr feiert sie ihr 40-jähriges Bestehen: die Viehversteigerung Hornberg. Laut David Trachsel lohnt es sich schon nur wegen dem Gantrufer hinzugehen. Doch wer ist das überhaupt? Und was macht eine Viehversteigerung spannend und unverzichtbar, obwohl man auch auf andere Weisen zu einer Kuh kommt? Oder eine los wird? Toni Kübli und David Trachsel nahmen sich trotz Heuwetter gerne Zeit, eine Handvoll Fragen zu beantworten.

DANIELA ROMANG-BIELER
Die Viehversteigerung Hornberg wurde 1979 durch Alfred Kübli (Tonis Vater und langjähriger Präsident) und Viktor Reber ins Leben gerufen, und sie gründeten einen Vorstand. Das Helfertrio David Trachsel, Otto Knörri und Toni Kübli hatte von Anfang an als tatkräftige Helfer «am Charre gschrisse», dazu kamen viele andere Helfer. Toni Kübli übernahm dann 2001 auch das Präsidium.

Von Bauern für Bauern
Heute besteht das OK aus ein paar Bauern vom Hornberg und Umgebung. Es ist also praktisch ein Anlass von Bauern für Bauern. Es gibt aber auch jedes Mal «Schaulustige», die einfach die Stimmung an einer Viehversteigerung erleben und beobachten möchten, wie das abläuft. Oder Passanten, die länger sitzen bleiben, als gedacht. Andere planen ihre Wanderung gezielt so, dass sie nach ihrem Marsch und einem feinen Zmittag nebenan noch einen Moment die Viehversteigerung erleben können.

Absatz fördern und gemeinsam feiern
Die ursprüngliche Idee der Steigerung war die Absatzförderung. Damals war alles noch etwas anders. «Die ersten Jahre musste aus gesetzlichen Gründen ein Notar dabei sein, weil es eine Steigerung war», erklärt Toni Kübli. Früher war die Versteigerung noch ein Fest mit Musik und Tanz. «Da wurde manchmal bis in die Nacht gefeiert», erinnert sich David Trachsel. «Heute gehen viele heim, wenn die letzten Kühe versteigert sind.» «Aber die Viehversteigerung Hornberg wurde in den Jahrzehnten zu einer schönen Tradition, die aufrecht erhalten werden muss», sind sich Kübli und Trachsel einig. Und dafür legen sie sich ganz schön «i ds Züg». Für das Saanenland ist und bleibt die «Hore-Steigerig» ein ganz spezieller Farbtupfer im vielseitigen Sommerprogramm. Die Gum-Steigerung unterscheidet sich von den üblichen Viehversteigerungen, weil dort ein einziger Bauer und Viehhändler seine eigenen Kühe in grosser Zahl versteigert.

«We d Luzärner chäme, isch geng guet!»
Die Verkäufer sind vom Saanenland. Käufer nehmen für die beliebten Kühe manchmal lange Wege auf sich. Berner aus allen Ecken, manchmal Zürcher, Aargauer… und «we d Luzärner chäme, isch geng guet!», weiss David Trachsel. Auch aus dem Welschland kommt jedes Mal Besuch. Deshalb wird die Versteigerung je nach dem zweisprachig durchgeführt. In der Regel geht rund ein Drittel aller zum Kauf angebotenen Kühe am Ende des Tages wieder mit ihren «alten» Besitzern nach Hause. Kübli erläutert: «Der Bauer darf im Katalog kommunizieren, wieviel er haben möchte für seine Kuh. Wenn der Meistbietende knapp darunter ist, wird der Verkäufer auf den Handel eingehen, ist die Differenz zu hoch, wird er die Kuh wieder mit nach Hause nehmen.»

Wie läuft eine Viehversteigerung ab?
Wenn man eine oder mehrere Kühe verkaufen möchte, kann man sich beim OK bis vier Wochen vorher anmelden. Meistens sind das eine bis fünf Kühe. Für den Tag der Versteigerung wird ein Katalog erstellt mit allen Kühen, die versteigert werden wollen. Die Viehversteigerung an sich beginnt erst am Mittag. Die Kühe kommen aber schon ab 9 Uhr auf Platz und werden dort gewaschen gestriegelt und an ihren Platz gebracht. Sie können da schon bewundert werden und erste Begegnungen und Gespräche unter den Bauern finden statt. Unter Umständen notiert sich ein Käufer bereits die Nummer seiner Lieblingskuh auf den «Einkaufszettel». Um 13 Uhr beginnt die eigentliche Steigerung: Einer von drei Helfern führt die Kuh vor und der Speaker beschreibt sie: Wann ist die Kuh geboren? Wie stehts mit der Milchleistung? Wann «chalberet» sie? Und hat sie gute Punkte?

Der Stimmungsmacher
Dann kommt der Gantrufer ins Spiel: Er macht einen ersten Kaufvorschlag und fördert die Konsumfreudigkeit mit sprachlichem Geschick und viel Humor. Laut David Trachsel lohnt es sich nur schon wegen des Gantrufers, mal eine Vieversteigerung zu besuchen, auch wenn man keine Kuh kaufen will: «Dr Gantruefer, dä laferet, däm redts!», schwärmt David Trachsel. Hier kommt ein Witz, da erklärt er, wieso dieser Mann da mit langem Bart in den Gemeinderat sollte, und irgendeine schöne Frau muss auch noch Thema sein. Der Gantrufer heizt auf, macht Stimmung. Gleichzeitig hält er die Fäden zusammen und hat Blickkontakt mit dem Kuhbesitzer und den Bietenden. Er treibt den Handel voran, ermutigt, nochmals höher zu bieten. Er spürt, wann es gegen das Ende zugeht und schaut dann dem Besitzer in die Augen. Der nickt zufrieden oder schüttelt den Kopf. Abbruch oder Handel. Dann muss es weiter gehen mit der nächsten Kuh. «Dieses Jahr sind 51 Kühe angemeldet», kündigt Toni Kübli an. Das muss speditiv gehen.

Gantrufer auf «Tournee»
An der «Hore-Steigerig» ist schon seit Jahren Andreas Aebi aus Alchenstorf Gantrufer. Für ihn ist Gantrufer fast ein Beruf. Er ist übers ganze Jahr auf «Tournee» und verdient an verschiedensten Orten seinen Lohn. Für den «Beruf» Gantrufer kann man sich nicht bewerben. Wahrscheinlich wird man einfach als Gantrufer «entdeckt» und dann ist man drin und möchte nicht mehr aufhören.

Online-Kuh im Päckli?
Im Saanenland gebe es um die zehn Viehhändler, so Kübli und Trachsel. Grössere und kleinere. Der eine handle vielleicht mit zehn Kühen im Monat, der andere mit 100. Die meisten Bauern würden ihre Kühe dort kaufen. Wenig Händel geschehen direkt zwischen Besitzer und Käufer, auch der Anteil von verkauften Kühen auf Viehversteigerungen sei verhältnismässig klein, weil diese ja nur einmal im Jahr stattfinden. Toni Kübli und David Trachsel sind froh, dass der Kuhhandel (noch) nicht online geschieht: «Die Kuh ist ein Lebewesen, das man sich vor dem Kauf ansehen möchte. An einer Viehversteigerung kann man ein Tier entdecken und lieb gewinnen, und es dann für sich erkämpfen. Eine Kuh passt auch nicht in ein Kartonpäckli. Und es gibt strenge Vorschriften, wie ein Tier in dieser Grösse zum neuen Besitzer transportiert werden muss.» Eine Kuh an einer Viehversteigerung zu erwerben, ist scheinbar etwas ganz Besonderes. Morgen Samstag bietet sich auf dem Hornberg die nächste Gelegenheit dazu.


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