Berner Bergbahnen kämpfen mit strengen Vorgaben

  23.08.2019 Tourismus, Gstaad

Die Berner Bergbahnen trafen sich am vergangenen Dienstag zur diesjährigen Delegiertenversammlung auf der Wispile in Gstaad. Der Verband freut sich über die guten Transportzahlen des letzten Jahres und sieht den momentanen Herausforderungen wie dem Vollzug der Lufthalteverordnung, Klimaerwärmung und diversen Vernehmlassungen mit Sorge entgegen.

BLANCA BURRI
Die Berner Bergbahnen (BBB) werden nicht von einem der grossen Player wie Jungfrau oder Gstaad präsidiert, sondern von Roger Friedli vom Skilift Goldiwil. Grund dafür sind hauptsächlich die freien Ressourcen und die grossen Erfahrungen als ehemaliger Geschäftsführer der Niesenbahn AG, die der frisch Pensionierte aufbringen kann. «Für uns ist Roger Friedli ein Glücksfall», sagt Matthias In-Albon, Geschäftsleiter der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG), der bei den BBB das Amt des Vize bekleidet. Roger Friedli ist ebenfalls Vorstandsmitglied des Verbands Seilbahnen Schweiz und nimmt in weiteren Kommissionen Einsitz.

Gutes vergangenes Geschäftsjahr
Die BBB verzeichneten im vergangenen Geschäftsjahr sehr gute Zahlen, sagte der Präsident an der Pressekonferenz vor dem Kaminfeuer im gemütlichen Bergrestaurant, während es draussen regnete. Im Sommer 2018 erwirtschafteten sie gegenüber dem Vorjahr ein Umsatzplus von 7,5 Prozent. Das sind zwar 6,5 Prozent weniger als im Schweizer Schnitt, was aber auf die Preispolitik zurückzuführen ist, denn es wurden satte 16 Prozent mehr Gäste transportiert. Auch der Winter fiel aufgrund der zwar späten, aber hohen Schneemenge und dem guten Wetter positiv aus. Im Kanton Bern wurden 9 Prozent mehr Gäste transportiert (Schweiz plus 6,5 Prozent) und ein Umsatzplus von 9,1 Prozent (Schweiz 7 Prozent) gegenüber dem Vorjahr erwirtschaftet. «Trotz der guten Zahlen bleibt die Problematik um den Klimawandel bestehen», betonte Roger Friedli. Matthias In-Albon ergänzte: «Wir können vom Trend profitieren, dass die Schweizer aus ökologischen Überlegungen ihre Ferien in der Schweiz verbringen.» Der Einwand eines Journalisten, auch die Bergbahnen seien Dreckschleudern, entkräftete In-Albon mit einem Vergleich: «Ein Skitag verursacht pro Gast nur so viel Energie, wie wenn er mit dem Personenwagen sechs Kilometer weit fahren würde.» Natürlich sei die Anreise bei dieser Energiebilanz nicht inbegriffen, die Beschneiung und Präparation der Skipisten und die Beförderung der Gäste jedoch schon. Er wusste weiter, dass ein Skitag weniger Energie verursacht als ein Besuch im Hallenbad. Dieser Vergleich hinkt insofern, dass es heute energieeffizientere Hallenbäder gibt als andere. Darauf entgegnet In-Albon, dass auch die Bergbahnbranche nicht schlafe, sondern sehr energiesparender Schneekanonen und Seilbahnen installiere.

Nur so viel wie nötig
Auch bei den Bergbahnen wird auf Effizienz gesetzt, wie Friedli und In-Albon betonen. Matthias In-Albon: «Die Schneeproduktion zum Beispiel ist sehr teuer, deshalb schneien wir immer nur so viel, wie für ideale Pistenverhältnisse nötig ist.» Ein Kubikmeter technischer Schnee koste nämlich gegen fünf Franken. Trotz des hohen Preises sei die Beschneiung unerlässlich. «In nur sechs Wochen generieren wir zwei Drittel des Winterumsatzes. Dann müssen die Pisten perfekt sein», sagt der Geschäftsführer der BDG. Könne ein Skigebiet an Weihnachten keine zusammenhängenden Skipisten anbieten, stehe man vor Millioneneinbussen und einem grossen Reputationsverlust, weiss er. «Skifahren kann nicht mehr mit früher verglichen werden, als wir mit Spaghettiski fast ausschliesslich über Naturschnee und oft über Buckelpisten gefahren sind», betont Friedli. Die Carvingtechnik erfordere einen Schneeteppich, der idealerweise auf einem gefrorenen Boden, fünf bis zehn Zentimeter Kunstschnee und einer Schicht Naturschnee aufgebaut sei.

Kanton Bern bereitet Sorgenfalten
Der Kanton Bern ist dafür bekannt, dass er in Sachen Tourismus weniger pragmatisch ist wie das Wallis und Graubünden. Das bekommen die Bergbahnen regelmässig zu spüren. So auch im konkreten Fall des Vollzugs der Luftreinhalteverordnung. Roger Friedli: «Alle Bahnen brauchen ein Notstromaggregat, das die Gäste bei einem Stromausfall zur Berg- oder Talstation befördert.» Diese Aggregate werden in der Regel mit einem Dieselmotor betrieben, im Durchschnitt für nur gerade 18 Stunden pro Jahr. Trotz der kurzen Betriebsdauer müssen sie laut den Vorgaben des Kantons nun technisch entsprechend aufgerüstet werden. «Das finden wir nicht verhältnismässig», sagt Roger Friedli. Alle Motoren müssten altersbedingt innerhalb einer gewissen Zeit ausgewechselt werden. «Ich rechne damit, dass alle Dieselmotoren innerhalb der nächsten zehn Jahren ausgewechselt werden. Die neuen Aggregate werden den Anforderungen der Luftreinhalteverordnung entsprechen, eine Übergangsfrist sollte deshalb aus unserer Sicht möglich sein», findet Matthias In-Albon. Entsprechende Verhandlungen der BBB mit dem Kanton laufen. Während die Bündner und Walliser eine pragmatische Lösung gefunden haben, ist der Ausgang in Bern noch ungewiss. «Wir können keine Prognosen stellen», so Friedli.

Teure Planung wegen strenger Gesetze
Ebenso schwierig empfinden die BBB die Verhandlungen betreffend der Ausdehnung des Sommertourismus, der in den nächsten Jahren aufgrund der Klimaerwärmung immer wichtiger wird. «Bauen ausserhalb der Bauzone erfordert eine Überbauungsordnung. Die ist erstens sehr zeitintensiv und zweitens extrem teuer», weiss der Gstaader Bergbahnspezialist. Bei einer ÜO müsse man mit einer Planungszeit von zwei bis drei Jahren sowie reinen Planungskosten von rund 100’000 Franken rechnen. «Die Bergbahnen sind schon heute sehr gefordert, deshalb müssen die begrenzten Ressourcen gezielt eingesetzt werden.» Das beschneide hingegen ihre grossen Anstrengungen, ein attraktives Sommerangebot auf die Beine zu stellen. Das zeigt sich am eigentlich viel grösser angedachten Spielplatz auf der Wispile, der eine ebensolche ÜO erfordert hätte. Die BDG hat ihr Grossprojekt abgespeckt und die kleinere Variante um das Berghaus umgesetzt. Die Bergbahnfachleute hoffen in Zukunft auf eine einfachere Zusammenarbeit mit dem Kanton.

Gstaads Göttilifte heissen …
Voralpenskilifte wie Goldiwil, Blumenstein oder Heiligenschwendi sind für den Skinachwuchs extrem wichtig. «Dort lernen viele Kinder, gerade auch Secondos, vor ihrer Haustüre Ski fahren. Später kommen sie in die grossen Skigebiete», weiss der gebürtige Walliser In-Albon. Deshalb supporten die Skidestinationen diese kleinen Lifte nach einem Göttisystem. «Gstaads Göttilifte sind der Skilift Blumenstein und die Genossenschaft Heiligenschwendi», informiert der zweifache Vater. Wir unterstützen die Lifte mit technischem Know-how und Material. «Der Betrieb der kleinen Skilifte wird durch viel Fronarbeit aufrecht erhalten. Unsere Ressourcen sind sehr knapp, deshalb sind wir auf unsere Patenonkel angewiesen», meint Roger Friedli, der selbst Präsident des kleinen Skilifts Goldiwil ist.

Strukturbereinigung findet nicht statt
Seit Jahren heisst es, dass in der Bergbahnenbranche eine Überkapazität herrscht und deshalb nicht rentable Bergbahnen bald schliessen werden. Die Strukturbereinigung lässt allerdings auf sich warten. «Eine Bergbahn zu schliessen, heisst immer auch, eine Randregion sterben zu lassen», hält Matthias In-Albon fest. Sie sind Wirtschaftsmotor einer Region, wo Landwirte einen Nebenverdienst finden. Sie ziehen Touristen an, welche in den Hotels übernachten, die wiederum Arbeitsplätze schaffen. Auch der Immobilienpreis ist laut In-Albon von den Bergbahnen abhängig: «Wenn eine Bergbahn geschlossen wird, bricht der Wert der Wohnhäuser gemäss Studien bis zu 60 Prozent ein.» Deshalb suchen auch kleine Einzelberge wie zum Beispiel das Wiriehorn immer wieder Lösungen, um dem Konkurs zu entgehen, was dem besagten Berg unlängst gelungen ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Bergbahnen begründet auch, weshalb sie von vielen Gemeinden unterstützt werden.

Seilbahnen Schweiz: Geschäfte mit China
China baut derzeit die Infrastruktur im Bergbahnwesen gewaltig aus. Weil dort 800 neue Wintersportanlage entstehen, erhofft sich der Dachverband Seilbahnen Schweiz, welcher auch für Ausbildungsprogramme verantwortlich zeichnet, einen Nutzen zu seinen Gunsten. Fachkurse sollen den Chinesen das technische Know-how vermitteln. Dass das Reich der Mitte zu einem Konkurrenten für Europa wird, glauben die beiden Seilbahnexperten jedoch nicht. «Exoten werden sehr wohl zum Skilaufen nach China reisen, das wird aber nicht die Regel sein.» Umgekehrt hoffen die BBB auf chinesische Individualtouristen, die zum Skifahren die Schweiz auswählen werden.

Die Herausforderungen des Verbands bleiben auch in Zukunft hoch. Dazu gehört ein professionelles Lobbying beim Kanton oder die sich stetig entwickelnde Digitalisierung.


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