Das waren noch Zeiten

  20.08.2019 Region

In unserer Reihe «Aus alter Zeit im Saanenland» erzählen Leser/innen Episoden – Geschichtliches, Erlebtes, Erinnerungen – aus früheren Zeiten.

Lieber Leser, sicher gehen Sie wöchentlich einkaufen. Lebensmittel und anderes. Sie bezahlten vielleicht noch bar, vielleicht mit der Mastercard oder gar mit dem Handy. Meist bezahlt man, ohne sich lange zu fragen, warum der gekaufte Gegenstand diesen Preis hat. Beim Aufräumen fand ich das Ausgabenbuch meiner Grossmutter in einer Kiste. Minuziös hat sie in den Jahren 1935 und 36 aufgeschrieben, was gebraucht wurde. Höchst interessant ist ein Vergleich zu unseren heutigen Preisen und Ausgaben, entsprechend natürlich auch die Einnahmen. Davon ist leider nichts erwähnt. Meine Grossmutter wohnte in dieser Zeit in Bern in einer Wohnung an der Gesellschaftsstrasse im zweiten Stock, zusammen mit ihren bereits zwei erwachsenen Töchtern und wechselnden Zimmerherren. Aus dem Buch ist zu entnehmen, dass damals in dieser Wohnung noch keine Zentralheizung installiert war. Detailliert schreibt sie, wie hoch monatlich die Rechnung für die 5-Zimmer-Wohnung für Heizung ausfiel. Im Jahr 1935 total Fr. 156.90 für Briketts und Holz. Im Jahr 1936 Fr. 117.60.

Gekocht wurde mit Gas. Vermutlich war ein Zähler installiert, denn regelmässig jeden Monat hat sie für Gas einen Franken notiert. Für Lichtstrom wurde für zwei Monate Fr. 8.15 verrechnet. Wahrscheinlich musste ein Beamter das Geld noch in jedem Haushalt direkt einkassieren, denn es liegen einige Quittungen vor.

Die Lebensmittelpreise im Januar 1935: Sie schreibt hier, dass sie am 3. Januar zehn Kilo Butter für Fr. 10.– eingekauft hat. Kühlschränke hatte es sicher keine 1935, aber kalte Keller im Januar sicher. Am 4. wurde für die meist vier bis fünf Personen am Mittagstisch Sauerkraut für 40 Rappen gekauft, dazu Fleisch für Fr. 1.– und Wurst für Fr. 2.–. Am 8. wurde für Milch 58 Rappen ausgegeben, für Wurst 45, Randen 35, Eier Fr. 5.50 und einen Besen für Fr. 1.–. Neun Kilo Zucker kosteten Fr. 4.05. Ein Weggli 10 Rappen. Im Januar 1935 beliefen sich ihre Monatsausgaben auf Fr. 360.44, wobei Lichtstrom und Heizung exklusiv berechnet wurden.

Grossmutter wusch in der Waschküche mit Persil, Henco und Soda, wobei Fr. 1.80 berechnet wurde. Gelegentlich scheint sie eine Hilfe für die Waschtage gebraucht zu haben. Dafür bezahlte sie für den Tag Fr. 8.– an die Wäscherin.

Fürs Telefon bezahlte sie im März 20 Rappen. Wie das wohl berechnet wurde? Zwei Zimmer wurden laut dieser Aufstellungen vermietet. Ein Herr Kohli bezahlte monatlich Fr. 50.–, ein Herr Emden Fr. 40.–. Ihr Hauszins für die 5-Zimmer-Wohnung belief sich monatlich auf Fr. 135.–. Beide Töchter bezahlten je 100 Franken an diesen Haushalt.

Aber dass ich doch nicht vergesse: Die Zeitung «Der Bund» kostete 1935 für das vierte Quartal sage und schreibe nur Fr. 6.50. Von 1936 an abonnierte sie wohl den «Anzeiger von Saanen», denn ab diesem Zeitpunkt wohnte sie in Gstaad und fing ein neues Kassabuch an, welches mir noch nicht begegnet ist.

ROMI CLÉMENÇON-MATTI

Wissen auch Sie noch Begebenheiten aus früheren Zeiten? Zögern Sie nicht, greifen Sie zur Feder und schreiben Sie uns: «Anzeiger von Saanen», Anita Moser, Redaktion, Kirchstrasse 6, 3780 Gstaad, oder per Mail: anita.moser@ anzeigervonsaanen.ch


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