Die Landeigentümerentschädigung befindet sich in der Entscheidungsphase

  09.08.2019 Saanenland

Während des Sanierungsprozesses hat die Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG) eine Harmonisierung der Landeigentümerentschädigung versprochen. Dazu wurde inzwischen ein Reglement ausgearbeitet, das im Frühling den Landeigentümern präsentiert wurde. Bis im Herbst sollen die Verträge unterzeichnet werden.

BLANCA BURRI
«Das Reglement Landeigentümerentschädigung BDG soll gerecht, transparent und umsetzbar sein», sagt der Vorsitzende der Projektgruppe, Emanuel Raaflaub. Es wurde in mehr als zehn Sitzungen ausgearbeitet und intern genehmigt. An verschiedenen Veranstaltungen im Frühling hat die BDG die rund 700 Besitzer der ca. 400 betroffenen Landparzellen über den Inhalt des Reglements informiert. «Das Echo der Landwirtschaft war sehr positiv», erinnert sich Emanuel Raaflaub. Das mache ihm Mut für die nun folgenden konkreten Vertragsabschlüsse.

Ansatz Landwirtschaft
Im Gegensatz zu höher gelegenen Tourismusgebieten ist die Landwirtschaft im Saanenland allgegenwärtig. Im Sommer weidet das Vieh dort, wo Skifahrer im Winter ihre Kurven ziehen. «Deshalb war uns der Ansatz aus landwirtschaftlicher Sicht wichtig», erklärt Adrian Di Camillo, Leiter Finanzen BDG. Das heisst konkret: «Wir haben uns überlegt, wo die Landwirtschaft durch die Pistenpräparation am meisten Einbussen hat.» Ein Fokus aus touristischer Sicht wäre auch möglich gewesen. Dann hätte man Gebiete, die aus touristischer Sicht am wertvollsten sind, also am meisten befahren werden, höher abgegolten. «Teilweise haben sich Landbesitzer, welche die Liegenschaften und Parzellen nicht mehr selber bewirtschaften, dieses System gewünscht», hat Raaflaub an den Informationsveranstaltungen herausgespürt.

Reglement mit sechs Hauptpunkten
Das neu ausgearbeitete Reglement befasst sich mit sechs Punkten: Pistenentschädigung, Zaunentschädigung, Ertragsausfallentschädigung, Seil- und Mastenentschädigung, Baurechtsentschädigung für Gebäude und Stationen sowie Freikartenentschädigung. «Wir haben uns mit jedem Punkt detailliert auseinandergesetzt», so Raaflaub. «In der breit abgestützte Projektgruppe bestehend aus Landeigentümern der Landwirtschaft sowie der BDG gab es eine intensive und zielgerichtete Diskussion», lässt der Gemeinderat von Saanen durchblicken. Daraus entstand ein Regelwerk, das die Vereinheitlichung aller Verträge anstrebt, die – weil historisch gewachsen – komplett unterschiedlich sind.

Pistenentschädigung nach Taxsystem
Einer der wichtigsten Punkte ist die Pistenentschädigung. Mithilfe eines ausgeklügelten Taxsystems zahlt die BDG künftig drei Prozent des Verkehrsertrages an die Landeigentümer aus. Im Minimum sind 450’000 Franken vorgesehen, nach oben ist der Betrag offen. Das Taxsystem beruft sich auf zwei Faktoren: touristische und landwirtschaftliche Nutzung.

Bei der touristischen Nutzung wird beurteilt, ob das Gelände mit dem Pistenfahrzeug befahren und/oder ob es beschneit wird. Ebenfalls werden nicht beschneite Pistenflächen sowie nicht mehr präparierte Pistenflächen abgegolten. Dabei stützt sich die BDG auf Überbauungsordnungen sowie Zonenpläne. Ebenfalls werden digitale Daten der Pistenfahrzeuge verwendet. «Heute verfügt fast jedes Pistenfahrzeug über ein GPS. Wir können die Daten ganz einfach auswerten und weiterverwenden», erklärt Di Camillo.

Die landwirtschaftliche Nutzung sieht drei Abstufungsfaktoren vor: Das Talgebiet wird mit Faktor 3, die Vorsass mit Faktor 2 und das Berggebiet mit dem niedrigen Faktor 0,75 entschädigt. Der Faktor 0,75 wurde gewählt, da bei Alpliegenschaften eine grosse Fläche zum Tragen kommt und von alters her die Grossvieheinheiten sowie die Alpzeiten beurteilt («gseyet») wurden. Die Projektgruppe ist der Meinung, dass durch die Pistenbenützung auf diesen Liegenschaften keine wesentlichen Einschränkungen oder Einbussen hinsichtlich deren Bestossung – bis auf ein paar Tage verspätete Vegetation im Frühjahr – bestehen. Strassen und BDG-Land sind im Verteiler ausgeschlossen.

Taxpunkt-Schlüssel
Somit ergibt sich aus den oben erwähnten Berechnungen eine gewisse Anzahl von Taxpunkten pro Landeigentümer. Die Taxpunkte aller Landeigentümer ergeben 100 Prozent. Drei Prozent des Verkehrsertrages der BDG werden anschliessend nach dem Taxpunkt-Schlüssel ausbezahlt. «Die ersten paar Jahre werden wir die Taxpunkte jährlich neu berechnen, denn die Fläche der Pistenpräparation verändert sich je nach Schneemenge und Philosophie der BDG», erklärt Adrian Di Camillo. Offen gelassen wird zurzeit, ob zu einem späteren Zeitpunkt die Pistenentschädigung auf einen Durchschnittstaxwert der letzten Jahre abgestützt werden soll.

Freikartenregelung
Ein heisses Eisen hat die BDG mit der Freikartenregelung angefasst. «Es gibt unzählige, zum Teil mündliche Abmachungen», weiss Di Camillo. Das sei nicht nur für die Landeigentümer, sondern auch für die BDG schwierig. «Manchmal gab es unbürokratische Entscheide, bei denen die Bahn beispielsweise ein Überfahrtsrecht erhielt und im Gegenzug eine Freikarte versprach, was aber nie schriftlich festgehalten wurde», zeigt der Finanzfachmann auf. Neu gilt das bei der Pistenentschädigung erwähnte Taxsystem als Grundlage für die Freikartenregelung.

Pro Sektor, statt pro Bahn
Freikarten sollen neu grundsätzlich nicht mehr auf einzelnen Liften oder Bahnen, sondern im Winter entweder im Sektor West oder Ost gültig sein. Zudem sind die Freikarten nicht mehr auf die Familienmitglieder beschränkt, sondern können vom Eigentümer frei zugeteilt werden, sie sind jedoch nicht übertragbar. Damit die Inhaber der Karten im ganzen Saanenland Ski fahren können, ist ein Upgrade zu günstigen Konditionen vorgesehen. «Grösstes Kopfzerbrechen machen uns Erbgemeinschaften», spricht Emanuel Raaflaub ein heikles Thema an. Bei einer Parzelle seien beispielsweise 30 Erben, darunter zwei Erbgemeinschaften aufgeführt. Somit haben nach bestehenden Verträgen alle Anrecht auf Freikarten, was aus Sicht der BDG unverhältnismässig ist. Das ist für die BDG schwierig zu handhaben, denn laut neuem Reglement wären es weniger Tickets. Um die komplizierten Verträge zu entflechten, versucht die BDG alle Eigentümer ins Boot zu holen. Der erforderliche Verhandlungsspielraum ist aber erdenklich klein. «Wir wollen alle gleich behandeln!», sagt Emanuel Raaflaub, deshalb seien keine Ausnahmen möglich.

An Grenzen gestossen
Die BDG hat sich auf die Fahne geschrieben, auch die Seil- und Mastentschädigungen und die Baurechte für Gebäude und Stationen zu vereinheitlichen. Bei der genaueren Betrachtung der Baurechte hat die Projektgruppe gemerkt, dass dies nicht möglich ist. «Die meisten Rechte sind im Grundbuch eingetragen und somit auch relevant für den Wert des Grundstücks», erklärt Mani Raaflaub. Die unterschiedlichen Bedingungen, Auflagen, Laufzeiten und Gegebenheiten machten das Unterfangen nicht einfacher. Deshalb ist bei diesem Thema keine Harmonisierung vorgesehen. «Wenn aber eine neue Anlage gebaut wird, richten wir uns bei den Verhandlungen an den neuen Schlüssel, der bei der Saanerslochbahn und beim Eggli ausgearbeitet wurde», informiert Adrian Di Camillo.

Ähnlich sieht es bei den Seil- und Mastenentschädigungen aus. Um die künftigen laufenden Kosten zu senken, versucht die BDG mit dem Einverständnis der Eigentümer die jährlichen Auszahlungen durch Einmalauszahlungen zu ersetzen.

Umsetzung noch nicht gewiss
Ob sich das neue Reglement wirklich realisieren lässt, ist noch offen. «Mit dem neuen Reglement verlieren die meisten Landeigentümer etwas. Da die Reduktion der Entschädigung für die BDG unerlässlich ist, müssen wir trotzdem dranbleiben und wir sind zuversichtlich, dass wir einen gemeinsamen Nenner finden», sagt der Landwirt Raaflaub. Die BDG hat beschlossen, dass das neue Reglement nicht in jedem Fall umgesetzt wird: Nur wenn 75 Prozent der Entschädigungssumme die neuen Verträge unterschreiben, führt es die BDG ein. Sie erhofft sich dadurch eine massive Vereinfachung der heute 700 individuellen Verträge und vor allem, dass das ganze System gerechter wird. Da die Mehrzahl der bestehenden Verträge grundbuchlich gesichert ist, ist die freiwillige Zustimmung der Landeigentümer Voraussetzung zum Systemwechsel. Somit ist die BDG erneut auf den Goodwill der Landeigentümer angewiesen. Sollte die Harmonisierung nicht umgesetzt werden können, würden die jetzigen unterschiedlichen Verträge bestehen bleiben.

Zahlreiche Landeigentümer stehen dahinter
Kurz nach den Informationsveranstaltungen haben die Landeigentümer eine schriftliche Simulation erhalten, wie hoch die Entschädigung künftig wäre. In einem weiteren Schritt sendet ihnen die BDG den neuen Vertragsentwurf. «Bestimmt wird es noch viele Einzelgespräche geben», vermutet Raaflaub. Trotz der grossen Arbeit bleibt er optimistisch: «Wir sind glücklich, dass mit den grössten Partnern bereits Gespräche geführt werden konnten, welche der Harmonisierung grundsätzlich positiv gegenüber stehen.» Diese Signalwirkung deuten Raaflaub und Di Camillo positiv. Ob es zum Systemwechsel kommt, wird im Herbst entschieden, wenn die Reaktionen der Eigentümer eingetroffen sind.


WAS BISEHER GESCHAH

Per 31. Januar 2016 wurde die BDG saniert. Während des ganzen Sanierungsprozesses waren die Landeigentümerentschädigungen immer wieder ein kontrovers diskutiertes Thema. Die BDG zahlte damals rund sechs Prozent ihres Verkehrsertrages an die Landeigentümer aus, in Form von Barbeträgen oder von Freikarten. Der Schweizer Schnitt liegt bei rund der Hälfte, also bei drei Prozent. Kurzfristig suchte die BDG das Gespräch mit den rund 700 Landeigentümern. Seither verzichtet ein Grossteil auf 40 Prozent der Entschädigung. Die Vereinbarung gilt seit dem Geschäftsjahr 2014/15 für fünf Jahre, mit dem Ziel, eine Harmonisierung der Landeigentümerentschädigung zu erreichen, denn je nach Baujahr der Bahnanlage wurden komplett unterschiedliche Verträge ausgehandelt. Zu bedenken gilt, dass dies vor dem Zusammenschluss zur BDG passierte.

Das Konzept ist abgesegnet
Die BDG setzte eine Projektgruppe unter dem Vorsitz von Emanuel Raaflaub ein. Er hat der damals durchrüttelten BDG 2014/2015 als VR-Präsident Stabilität verschafft. Zudem ist der Gemeinderat von Saanen auch Landwirt und Skilehrer. Die Projektgruppe erarbeitete gemeinsam ein Reglement für die Landeigentümerentschädigung der BDG. Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat haben es kürzlich verabschiedet.

Mitglieder Projektgruppe
– Emanuel Raaflaub, Vorsitz
– Walter Perren, Vertreter Landeigentümer St. Stephan
– Peter Allemann, Zweisimmen
– Christian von Siebenthal, Saanersloch und Hornberg
– Walter Bircher, Horneggli
– Willy Bach, Eggli und Wispile
– Ernest von Siebenthal, Videmanette und Verwaltungsrat BDG
– Matthias Matti, Verwaltungsrat BDG
– Adrian Di Camillo, BDG, Leiter Finanzen

 


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