Eröffnung der Ausstellung «80 Jahre Bartók in Saanen»

  13.08.2019 Kultur

Im Beisein der beiden Enkel von Paul Sacher, Vera Michalski und André Hoffmann, welche auch Stiftungsräte seiner Stiftung sind, eröffnete Christoph Müller, künstlerischer Leiter des Gstaad Menuhin Festival & Academy, letzten Sonntag im Kleinen Landhaus Saanen «80 Jahre Bartók in Saanen». Die Ausstellung soll mit Reproduktionen von Dokumenten der Paul Sacher Stiftung an Béla Bartóks Aufenthalt vor ziemlich genau 80 Jahren in Saanen erinnern.

ÇETIN KÖKSAL
Dr. Felix Meyer, Direktor der Paul Sacher Stiftung Basel, erörterte den zahlreich erschienenen Gästen in seiner Einführung, wie es dazu gekommen ist. Der Musiker und Kunstmäzen Paul Sacher stellte dem bereits zu Lebzeiten berühmten Komponisten sein Ferienchalet Aellen in Saanen während des Sommers 1939 zur Verfügung. In nur 15 Tagen vollendete dieser eine der beiden von Sacher in Auftrag gegebenen Arbeiten. Neben dem Divertimento für Streichorchester Sz. 113 entstand in dieser Zeit auch das Streichquartett Nr. 6 in D-Dur Sz. 114.

Dr. Felix Meyer, wie wir wissen, war Béla Bartóks Saaner Sommer seine letzte, einigermassen entspannte Zeit in Europa. Der Zweite Weltkrieg stand unmittelbar vor der Tür und Bartók floh noch vor Kriegsausbruch in die USA. Geschah dies aus vollkommen freien Stücken oder wurde er – wie andere auch zu jener Zeit – als erklärter Nazi-Gegner dazu gedrängt?
Nein, gedrängt wurde er nicht. Aus verschiedenen Quellen können wir heute mit ziemlicher Sicherheit schliessen, dass seine Flucht in die USA seine ganz persönliche Entscheidung war, zumal er ein feines Gespür für politische Entwicklungen hatte. Gerade im hier in Saanen komponierten Divertimento für Streichorchester kann man die aufkommenden Kriegswirren heraushören. Nebenbei bemerkt, war es übrigens auch Paul Sacher, der ihm finanziell bei der Flucht zur Seite stand.

Das leitet schön zur nächsten Frage über, denn vielerorts kann man lesen, dass Béla Bartók verarmt 1945 in den USA gestorben sei. Weshalb unterstützte ihn denn gerade in dieser schwierigen Lebenssituation sein Freund und Mäzen Paul Sacher nicht?
Nun, diese Darstellung der damaligen Situation stimmt aus folgenden Gründen nicht. Paul Sacher hat seinem Freund durchaus finanzielle Hilfe angeboten, doch Bartók war ein sehr stolzer und pflichtbewusster Mensch. Beispielsweise hat er die von Sacher erhaltenen Mittel zur Flucht bis auf den letzten Rappen zurückgezahlt, obwohl er in den USA finanziell nicht auf Rosen gebettet war. Weitere Unterstützungsangebote vonseiten Paul Sacher lehnte er zukünftig ab. Dazu muss man wissen, dass die Bezeichnung «verarmt» durchaus relativ zu betrachten ist. Gerade Bartók konnte sich vor dem Krieg wegen seines Erfolges einen sehr komfortablen, grossbürgerlichen Lebensstil mit Hauspersonal und allem, was dazu gehört, leisten. Das änderte sich im Exil dann in der Tat, aber verhungert ist er auch in den USA nicht.

Bartók liess sich in seinen Kompositionen ja sehr stark von der ungarischen Volksmusik und anderen archaischen Musikrichtungen Osteuropas, des Nahen Ostens und sogar Nordafrikas faszinieren und inspirieren. Denken Sie, dass er sich auch mit unserer «Bauernmusik» – wie er sie in äusserst respektvoller Weise auch zu nennen pflegte – auseinandergesetzt hätte, wenn er denn dazugekommen wäre?
Das ist eine interessante Frage und wir wären wohl alle neugierig darauf, wie Bartók-Kompositionen mit Einflüssen von Schweizer Volksmusik geworden wären. Obwohl er die Schweiz und besonders ihre Bergwelt sehr mochte und schätzte, bin ich etwas skeptisch, ob Bartók dem «Volkstümlichen» viel Beachtung geschenkt hätte. Ihn interessierten vor allem sehr alte und urtümliche «Bauernmusiken», und die Schweizerische Volksmusik ist kaum älter als 200 Jahre!

Die Ausstellung «80 Jahre Bartók in Saanen» kann noch bis diesen Donnerstag, 15. August im Kleinen Landhaus in Saanen besichtigt werden. Ab Freitag, 16. August findet die Ausstellung jeweils während der Konzerte im Festivalzelt Gstaad statt.


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