Facettenreiche Musik von Nachwuchskünstlern

  06.08.2019 Kultur

Dirigenten der Gstaad Conducting Academy interpretierten letzten Sonntagabend in der Kirche Saanen Werke von Mozart, Chopin und Debussy. Abwechselnd leiteten sie das Gstaad Festival Kammerorchester und musizierten mit den Solisten Agnès Clément, Sébastien Jacot und Claire Huangci.

ÇETIN KÖKSAL
Der erste Teil des Konzerts war Wolfgang Amadeus Mozarts schwieriger Zeit in Paris gewidmet. Der junge Mann, der bald nach seiner Ankunft in der französischen Hauptstadt den Tod seiner Mutter zu beklagen hatte, musste sich nun auch in der Lichterstadt als Komponist bewähren. Als 22-Jähriger konnte er nicht mehr nur vom Wunderkind-Bonus zehren. Mit dem Konzert für Flöte und Harfe in C-Dur KV 299/297c traf er glücklicherweise den damals aktuellen Geschmack der anspruchsvollen Pariser Gesellschaft. Die Harfenistin Agnès Clément und der Flötist Sébastien Jacot fielen der Saaner Gesellschaft durch ihr harmonisch aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel auf, wobei Agnès Clément ihrem Instrument einen weiten Fächer an Nuancen zu entlocken vermochte. Wie es die Partitur verlangte, erklang die Harfe spielerisch leicht, ja witzig, oder aber gehaltvoll, virtuos und tragend. Der Flötenklang von Sébastien Jacot war dagegen gleichmässiger. Durch den vermutlich bewusst sehr zurückhaltenden Gebrauch von Vibrato wirkte sein Spiel leicht und elegant, aber dennoch präzise. Wem die atemberaubende Brillanz eines James Galway zu exaltiert ist, der kam beim warmen, etwas flacheren Klang der Holzflöte von Sébastien Jacot auf seine Kosten. Begleitet wurden die beiden Solisten vom agilen Gstaad Festival Kammerorchester unter den Leitungen von Nils Erik Måseidvåg (Allegro), Sébastien Taillard (Andantino) und Teresa Riveiro Böhm (Rondeau). Eine weitere Kostprobe ihrer fein austarierten Kammermusik gab das Flöte-Harfe-Duo mit einer Zugabe von Astor Piazolla.

Drei Mal «Pariser» Sinfonie
Sieben Dirigenten und vier Dirigentinnen an einem Konzertabend: Wo sonst bekommt das Publikum schon eine solch spannende Gelegenheit geboten? Die talentierten Nachwuchskünstler übernahmen jeweils die Leitung eines Satzes und zeigten so ihre persönliche Interpretationsauffassung. Den ersten Satz (Allegro assai) von Mozarts «Pariser» Sinfonie Nr. 31 in D-Dur KV 297/300a übernahm Nil Venditti. Die junge Dirigentin gefiel mit ihrer lebendigen, frischen, präzisen und fein ausbalancierten Interpretation. Zuweilen entsprach die Lautstärke nicht unbedingt den begrenzten, räumlichen Verhältnissen der Mauritiuskirche. Frantiˇsek Macek entschied sich für ein besonders ruhiges Andante, welches den Spannungsbogen manchmal an seine Elastizitätsgrenzen brachte. Das Allegro von Jonas Bürgin war so temperamentvoll, dass der Zuhörer nie wusste, wann die Grenze zur Aggressivität wieder überschritten werden würde. Was spannend für ein interessiertes Publikum war, bedeutete anstrengende Aufmerksamkeit für die Musiker des Gstaad Festival Kammerorchesters. Sich von Satz zu Satz auf einen neuen Dirigenten einzulassen, heisst bei voller Konzentration offen und beweglich für die Anweisungen der «Chefs» zu bleiben. Den Streichern gelang dies sehr gut, wirkten sie doch jugendlich frisch und genau. Die Bläser vermochten bei Mozart leider nicht so recht zu überzeugen. Trotz immer wieder gelungener Passagen hinterliessen sie unter anderem wegen zögerlicher Einsätze oder Intonationsschwierigkeiten einen eher unsicheren Eindruck.

Sportlicher Chopin – wohltuender Debussy
Den zweiten Teil des Konzertabends eröffnete die Pianistin Claire Huangci mit ihrer furiosen Interpretation von Frédéric Chopins Klavierkonzert Nr. 2 in f-Moll op. 21. Bar Avni übernahm die Leitung des in ungewöhnlich schnellem Tempo angegangenen Maestoso (majestätisch …), Hankyeol Yoon konnte dem Gstaad Festival Kammerorchester im Larghetto einen angenehm ruhigen Klangteppich entlocken und Jacob Joyce folgte der Solistin im Allegro vivace. Nun, wer schon immer wissen wollte, wie halsbrecherisch schnell man Läufe auf dem Klavier spielen kann, dem bot die pianistische Akrobatin Claire Huangci eine effektvolle Darbietung. Wer jedoch eine feinsinnige Interpretation erwartete, wurde wahrscheinlich enttäuscht. Die jazzige Zugabe unterstrich erneut ihre spektakuläre Fingerfertigkeit. Claude Debussys «Petite Suite» in der Orchesterfassung von Henri Büsser bot dagegen einen schönen Konzertausklang. Tabita Berglund, Preisträgerin des letztjährigen Neeme Järvi Prize, begeisterte durch ihre detailreich ausgearbeitete Version der beiden Sätze «En bateau» und «Cortège». Es gelang ihr aufs Vorzüglichste, den Zuhörer an den französischen Hof zu entführen, wo ihn im Park von Versailles die leichtfüssigen Wasserspiele ins Staunen versetzten und er die eleganten Kostüme des farbenfrohen Umzugs bewundern konnte. Edmon Levon stand Tabita Berglund in nichts nach und lud das Orchester mit dem «Menuet» und «Ballet» zum Tanz. Dieses liess sich in ausgesprochener Spielfreude führen und auch die Bläser hatten nun sicheren Tritt gefunden. Das anspruchsvolle Zusammenspiel funktionierte, die Intonation stimmte auch und die einzelnen Soli waren ein Hörgenuss. Ein äusserst gelungener Abschluss für ein interessantes und vielfältiges Konzerterlebnis.


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