Jugendliche Frische und prickelnde Exotik

  09.08.2019 Kultur

Die Studenten der diesjährigen Gstaad String Academy luden am Mittwochabend in die Kirche Lauenen zum Abschlusskonzert. Unter der Leitung der Professoren Ana Chumachenco (Geige), Ettore Causa (Bratsche) und Ivan Monighetti (Cello) studierten sie Werke von Felix Mendelssohn, Franghiz Ali-Zadeh und Anton Arenski ein.

ÇETIN KÖKSAL
Bereits zum siebten Mal konnten die Meisterkurse für Streicher im Rahmen der Gstaad Academy durchgeführt werden. Die 19 Studenten im Alter zwischen 14 und 29 Jahren absolvieren ihre musikalische Ausbildung an europäischen und US-amerikanischen Musikhochschulen und haben hier am Menuhin Festival die Gelegenheit, während zehn Tagen intensiv auf ihrem Instrument und in Kammermusik unterrichtet zu werden. Das Ergebnis dieser Arbeit und dieses bereichernden Austausches durfte sich das Publikum nun zu Gemüte führen.

Aserbaidschan zu Gast in Lauenen
Im ersten Teil des Konzerts führten Yun Tang, Clara Shen und Joachim Angster mit «ihrem» Lehrer Ivan Monighetti das Quartett Nr. 3 für Streicher und Perkussion «Mugam Sayagi» von Franghiz Ali-Zadeh auf. Die Zuhörer erwartete ein neues, exotisches und spannendes Hörund auch Seherlebnis. In der Mitte der Bühne platziert, begann Ivan Monighetti in völliger Stille mit einer repetitiven Wendung, die sich allmählich von einem Pianissimo über ein sehr langgezogenes Crescendo in ein Forte entwickelte. Während dieser Phase setzte zuerst die Bratsche von Joachim Angster, dann nacheinander die Geigen von Yun Tang und Clara Shen mit ihren Stimmen ein. Dabei näherten sie sich dem Cello auch räumlich. Die Bratsche und eine Geige begannen ihre Passagen zuhinterst im Chor der Kirche, wobei die andere Geige hinten im Kirchenschiff anfing. Gleichmässig näherten sich die drei Musiker spielend ihrem Zentrum, dem Cello, bis sie dann darum herum auf ihren Stühlen sitzend angekommen waren. Ein sehr schönes und ungewohntes Klangerlebnis.

Im weiteren Verlauf des Stückes mussten die Streicher abwechselnd zu ihren Instrumenten auch einen grossen Gong, einen Triangel und Trommeln spielen, was zudem eine koordinatorische Herausforderung bedeutete. Der Zuhörer wurde mit dieser Mischung aus meditativen Elementen und zeitgenössischer Interpretation der traditionellen, aserbaidschanischen Volksmusik – des Mugam – in seiner Fantasie derart beflügelt, dass er sich zuweilen in den Weiten der kaukasischen Steppenlandschaft wähnte. Quirlige Insekten kamen auf Besuch, bevor der Himmel sich verdunkelte und ein Gewitter sich ankündigte. Dann plätscherte plötzlich ein Bächlein friedlich dahin und farbenfrohe Schmetterlinge flatterten vergnügt durch die Lüfte. Wie gerne liess man sich von dieser Musik verführen!

Doch auch der schönste Traum endet einmal und nach dem Schlusston landete man sanft wieder in den heimischen Gefilden. Danach erstaunte es vermutlich niemanden mehr, dass die in Baku geborene Komponistin und Pianistin Franghiz Ali-Zadeh zu den Bedeutendsten unserer Zeit gehört.

Anton Arenski und viel Mendelssohn
Wer kennt den Komponisten Anton Arenski? Der 1861 in Nowgorod geborene Anton Stepanowitsch Arenski studierte unter anderem bei Nikolai Rimski-Korsakow (Hummelflug!). Später unterrichtete er als Professor der Komposition am Moskauer Konservatorium unter anderem Sergei Rachmaninow und Alexander Skrijabin. Sogar ein Antarktis-Gletscher ist dem 1906 an Tuberkulose gestorbenen Musiker zu Ehren benannt – der Arenski-Gletscher.

Anatol Toth, Madison Marshall, Willard Carter und Caterina Isaia interpretierten den ersten Satz aus seinem Streichquartett Nr. 2 in a-Moll op. 35. Die noch sehr jungen Musiker (1999– 2003) beeindruckten durch ihre bereits ausgeprägte Musikalität und das leidenschaftliche Zusammenspiel. Felix Mendelssohn war gleich mit zwei sehr anspruchsvollen Werken vertreten. Zu Beginn des Konzerts spielten Paolo Tagliamento, Kate Arndt, Cassia Drake und Zachary Mowitz unter der Mitwirkung von Professor Causa das Streichquintett Nr. 2 in B-Dur op. 87. Als letztes Stück des Konzerts erklang das Streichoktett in Es-Dur op. 20, gespielt von Rebecca Roozeman, Mon-Fu Lee Hsu, Paolo Dara, Lara Albesano, Dorothea Moeri, Alejandro Viana und Luca Giovannini unter der Leitung des Menuhin Heritage Artist Christel Lee.

Es war eine grosse Freude, den durchweg sehr begabten, jungen Streichern beim lebendigen, frischen und stellenweise überraschend reifen Musizieren zuhören zu dürfen. Ein Hoch auf die musikalische Jugend!


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