Teresa Riveiro Böhm, Jonas Bürgin und Hankyeol Yoon sind Neeme-Järvi-Prize-Träger 2019

  20.08.2019 Kultur

Im Anschluss an das Abschlusskonzert der Gstaad Conducting Academy im Festivalzelt wurde letzten Donnerstag zwei von den elf Teilnehmende mit dem Neeme Järvi Prize 2019 ausgezeichnet. Gewinnerin Teresa Riveiro Böhm wird als Preis in der nächsten Saison ein Projekt mit dem Kammerorchester Basel dirigieren können. Und Gewinner Hankyeol Yoon darf mit dem Sinfonieorchester Basel ein Projekt erarbeiten. Der mit dem ersten Förderpreis ausgestattete Jonas Bürgin darf ein Opernprojekt mit dem Berner Symphonieorchester am Konzert Theater Bern realisieren. 

ÇETIN KÖKSAL
Eloquent führte die Radio-SRF-2-Kultur-Moderatorin Patricia Moreno durch den reich befrachteten Abend. Die Academy- und Wettbewerbsteilnehmerin Nil Venditti eröffnete das Konzert mit der Ouvertüre zu Giuseppe Verdis Oper «La forza del destino» (Die Macht des Schicksals). Dabei erfuhr das Publikum vorher von Patricia Moreno, dass «destino» auf keinen Fall vor einem Konzert ausgesprochen werden dürfe, denn das bringe Unglück. Dirigentin Venditti erklärte, dass während der Aufführung besagter Oper einmal ein gesamtes Opernhaus abgebrannt sei und einmal sogar ein Klarinettist mitten in einem Akt gestorben sei. Seither sprechen (abergläubische) Musiker vor Konzertoder Opernbeginn nur noch von «La forza del…». Publikum und Zelt haben die Ouvertüre jedenfalls schadlos überstanden und auch von den Musikern musste niemand das Zeitliche segnen. Gott sei es gedankt!

«Pathétique» mit ironisch dramatischem Finale
Weiter ging es mit Peter Tschaikowskis sechster Sinfonie in h-Moll op. 74, auch «Pathétique» genannt. Edmon Levon und Hankyeol Yoon vollzogen während des langen ersten Satzes einen fliegenden Dirigentenwechsel. Das Gstaad Festival Orchestra erwies sich wieder einmal als ein Traum-Probeorchester für die jungen Kursteilnehmer. Ein Orchester von dieser hohen Qualität könnte das seit drei Wochen intensiv mit den Dirigenten einstudierte Repertoire mühelos ohne «Chef» vortragen. Dennoch gingen sowohl die einzelnen Register als auch das Gstaad Festival Orchestra als Ganzes agil und aufmerksam auf die Anweisungen eines jeden Dirigenten ein. Nach dem Allegro con gracia von Sébastien Taillard bescherte der jüngste Kandidat, Jonas Bürgin, dem Publikum ein energie- und spannunggeladenes Allegro molto vivace. Tabita Berglund beendete die «Pathétique» dramatisch, ausgereift und vielleicht auch etwas sehnsüchtig. Sie formulierte ihre ironische Sichtweise auf das Finale – Adagio lamentoso – später im Interview folgendermassen: «Man hat das Gefühl, dass man gewinnen wird – verliert dann aber trotzdem …»

Viel Strauss und ein wenig «Aus der neuen Welt»
Nach einer kurzen Pause dirigierte Nils Erik Måseidvåg die Ouvertüre zur Operette «Der Zigeunerbaron» von Johann Strauss (Sohn). Aufgefallen ist der besonders schöne Klang der Solo-Oboe. «Wein, Weib und Gesang», Konzertwalzer op. 333 vom selben Strauss, geriet unter der Leitung von Bar Avni etwas gravitätisch, war aber in sich sehr stimmig. František Macek unterbrach die Straussinterpretationen seiner Kollegen mit dem dritten Satz aus Antonin Dvorˇáks Sinfonie Nr. 9 in e-Moll op. 95 «Aus der neuen Welt». Sogleich folgte dann wiederum ein Konzertwalzer von Strauss (Sohn), die «Frühlingsstimmen» op. 410, von Jacob Joyce dirigiert. Auch er wählte eine sehr gewichtige, vielleicht etwas zähflüssige Interpretation, jedoch mit ausgesprochen schönem Streicherklang. Erst unter der Leitung von Gewinnerin Teresa Riveiro Böhm erfuhr der Zuhörer diese – gerade vom grossen Carlos Kleiber so meisterhaft beherrschte – Leichtigkeit bei Strauss, ohne jeglichen Anflug von Oberflächlichkeit. Die äusserst fein differenzierte, freudige Ouvertüre zur Operette «Die Fledermaus» brachte wiederum sehr schöne Oboen- und Flötensoli hervor. Eine besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang auch die Celli des Gstaad Festival Orchestra.

Erfreuliches Fazit
Alles in allem dürften die Maestros Manfred Honeck und Johannes Schlaefli wohl sehr zufrieden mit ihren diesjährigen Kursteilnehmern sein. Christoph Müller betonte bei der Preisverleihung, dass man den Neeme Järvi Prize auch nicht überbewerten sollte. Entscheidender für die Teilnehmer der Gstaad Conducting Academy sei es, überhaupt dabei gewesen zu sein. Hankyeol Yoon antwortete auf die Frage von Moderatorin Patricia Moreno, was ihn denn während dieser drei Wochen Intensivkurs am meisten beeindruckte: «In meiner bisherigen, noch jungen Dirigentenkarriere lernte ich, dass es immer Streit und viel Einsamkeit gibt, wo verschiedene «Chefs» länger und eng zusammen sind. Das war hier komplett anders. Wir hatten eine gute Atmosphäre, tauschten uns konstruktiv aus, lernten voneinander und hatten eine wirklich gute Zeit, obwohl wir ja auch Konkurrenten sind. Ich wusste gar nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist!»


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