Zukünftige Stars am Dirigentenpult

  06.08.2019 Kultur

Das Gstaad Menuhin Festival ist in vollem Gange und mit ihm die Academies, die das Festival für Amateur- und Jungmusiker öffnet. Länger als zwei Wochen dauert zum Beispiel die Gstaad Conducting Academy. Das erste von drei Abschlusskonzerten hat vor viel Publikum stattgefunden.

BLANCA BURRI
Ein Mann hielt im Festivalzelt in Gstaad ein Kleinkind auf den Armen. Es betrachtete mit grossen Augen und offenem Mündchen die helle Bühne. Als das Gstaad Festival Chamber Orchestra die Bühne betrat und unter der Leitung des französischen Dirigenten Sébastien Taillard (1990) zu Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 31 D-Dur KV 297/300a «Paris» ansetzte, staunte es weiter. Während des ganzen Konzerts mit Auszügen aus vier Werken unter der Leitung von elf Dirigenten blieb es mucksmäuschenstill. Es war wie die Zuhörer und Professor Johannes Schlaefli von der Leistung der Dirigenten der Gstaad Conducting Academy beeindruckt. Besonders berührend war das Klavierkonzert. Pianistin Miyako Arishima (Japan) spielte Auszüge aus dem Klavierkonzert von Frédéric Chopin, Nr. 2 f-Moll op. 21. Mit ihrer konzentrierten Art verlieh sie dem Stück viel Gewicht. Im zweiten Teil fiel die Nervosität etwas von der 27-jährigen ab. Von diesem Zeitpunkt an war ihre Spielfreude greifbar und auch ihre grosse Leidenschaft zur Musik.

Erstes Abschlusskonzert nach vier Tagen
Die ersten vier Tage der intensiven Academy bestritten die vier Dirigentinnen und sieben Dirigenten mit Johannes Schlaefli, Chefdirigent des Kurpfälzischen Kammerorchesters Mannheim, ab 6. August wird er von Manfred Honeck unterstützt. Am vergangenen Freitag fand das erste von drei Abschlusskonzerten statt. Erstaunlich viele Zuhörer fanden sich hierzu im Zelt ein. Darunter Conducting-Academy-Fans, die jedes Konzert besuchen. «Schon letztes Jahr war ich hier», sagte eine Frau im reifen Alter zu einem Menuhin-Festival-Mitarbeiter. «Ich finde das eine super Sache.»

«Gut ausgewählt»
Wenn elf Dirigentinnen und Dirigenten sich ein Orchester teilen, ist das, als ob man elf Orchester hört. Jeder bringt seine eigene Persönlichkeit mit, strahlt etwas anderes aus und setzt mit seiner Körpersprache eigene Akzente. Für die Zuhörer ist es Herausforderung und Genuss zugleich, sich darauf einzulassen. Statt sich nur auf die Musik und die Solisten zu konzentrieren, beobachtet man automatisch die Einzigartigkeit der Dirigenten auf dem Podest. Johannes Schlaefli war von seinen Schützlingen begeistert, wie er gegenüber dieser Zeitung im Anschluss an das Konzert sagte. «Wir haben die Dirigenten sehr gut ausgewählt, alle haben viel Talent und Erfahrung.» Deshalb gebe es bisher noch keinen eindeutigen Kandidaten für den Neeme-Järvi-Prize, der am 15. August anlässlich des dritten Abschlusskonzerts verliehen wird.

Alle dirigieren alles
Die Zuteilung der Werke zu den Dirigenten beschreibt Johannes Schlaefli so: «Einerseits können die Dirigenten Präferenzen angeben, andererseits überlege ich mir, welches Stück zu wem passen könnte.» Es sei aber so, dass die Dirigenten alle vorgegebenen Partituren mit dem Orchester übten. «Erst am Konzerttag erfahren sie, durch welches Stück sie am Abend leiten.» Deshalb sei die Zeit für konkrete Absprachen zwischen Orchester und Dirigent sehr kurz. Andere Faktoren wie Körpersprache und Partitur seien für die Art des Konzerts schliesslich matchentscheidend. Wie sich die elf Persönlichkeiten bis zum 15. August entwickeln, kann live verfolgt werden. Die Proben wie die Abschlusskonzerte sind öffentlich.

Alle Proben und Abschlusskonzerte der Academys sind öffentlich und für die Zuschauer gratis. www.gstaadacademy.ch


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