Zwei Meisterwerke meisterhaft gespielt

  20.08.2019 Kultur

Der Samstag im Konzertzelt Gstaad widmete sich zwei kompositorischen Meisterwerken. Das Gstaad Festival Orchestra, unter der Leitung von Manfred Honeck, spielte Tschaikowskis 6. Sinfonie und begleitete ganz toll den ausdrucksvollen Solisten Seong-Jin Cho im Klavierkonzert Nr. 5 von Beethoven.

LOTTE BRENNER
Der junge Koreaner Seong-Jin Cho, Gewinner des Chopin-Wettbewerbs Warschau 2015, wirkte eher bescheiden, doch kaum, als er zu spielen anfing, strahlte er eine grosse pianistische Persönlichkeit aus. Sein Spiel verlieh dem sehr bekannten 5. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven eine ganz spezielle Note. Faszinierend klare Läufe, spannungsgeladene, geheimnisvolle Piani, aber auch mächtig grosse, heldenhafte Fülle prägen das Werk. Der Pianist illustrierte die Szenen musikalisch treffend und technisch hervorragend. Die traurigen choralähnlichen Gesänge im zweiten Satz gingen ebenso unter die Haut wie das Mächtige, Sieghafte im lebhaften dritten. Seong-Jin Cho spielte kraftvoll und doch äusserst differenziert. Das Gstaad Festival Orchestra zeigte sich einfühlsam, besonders eindrücklich waren die Pizzicati, mit welchen die Streicher das synkopische Spiel des Pianisten begleitete.

Zart und schlicht bedankte sich der junge Pianist mit einem Klavierstück aus op. 118 von Johannes Brahms. Das war eine wunderschöne, innige Zugabe auf das grosse Klavierkonzert. Nochmals zeigte er sich von einer wunderbar musikalischen Seite, nochmals kam seine pianistische Persönlichkeit zum Ausdruck.

Alle Macht vereint
Die 6. Sinfonie von Peter Iljitsch Tschaikowski, die «Pathetische» genannt, ist ein ungeheuerliches Werk, voller Macht und knalliger Effekte, aber auch Schwermut und Trauer. Sie beginnt mit einer melodiösen Weite, die in wechselhaften Stimmungen dann in einen Aufruhr mündet, und im zweiten, bekannten Satz wieder harmonisch und empfindsam verklärt zur Ruhe kommt. Knallig setzt der dritte Satz ein, die theatralische, überschäumende Szene reisst das Publikum so stark mit, dass es spontan klatscht. Ohne diesen Gefühlsausbruch wäre dieser dritte Satz wohl kaum zu ertragen gewesen. Doch auch dieser Tumult ist mal verrauscht. Es folgte Schwermut, Leid und Trauer im vierten Satz, dem Finale (Adagio lamentoso).

Manfred Honeck, der das grosse Orchester mit wunderbaren Streichern und ebenso tollen Bläsern – die in Tschaikowskis Sinfonie ganz schön zum Tragen kamen – sowie einer starken Perkussion, mit sicherer Hand, doch eher unauffällig führte, erklärte zur abschliessenden Zugabe: «Eigentlich ist die Sechste von Tschaikowski als ‹Requiem› zu verstehen und sollte als ‹Tragische› betitelt werden. Aber sie wird heute als ‹die Pathetische› aufgeführt. Deshalb spielen wir nun als Zugabe Dietrich Fischers Lieblingslied ‹Ruhe in Frieden aller Seelen›.» So endete der schicksalsgeprägte Musikabend traurig-sanft und wunderschön.


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