Als Ganzes sehen und im Detail spüren

  10.09.2019 Kultur

In gewohnt gemütlich harmonischer Stimmung fand am vergangenen Sonntagmorgen im Kulturrestaurant Hüsy Blankenburg die Vernissage der Scherenschnittausstellung von Marianne Dubuis statt. Dem Gastwirt und Initianten Jürgen Glatz ist es wieder einmal gelungen, eine Scherenschneiderin mit eigener Handschrift vorzustellen.

LOTTE BRENNER
Marianne Dubuis wohnt in Châteaud’Oex und ist Autodidaktin, seit 1982 bekannt durch verschiedene Ausstellungen in der Schweiz, in Frankreich und Japan. Verschiedene Mandate erhielt sie auch von namhaften, zum Teil internationalen Firmen. Ihre langjährige Freundin Inez Zander hielt in ihrer Laudatio Marianne Dubuis’ 40-jährige Leidenschaft für den Scherenschnitt fest. Aus dieser Passion, gepaart mit Ruhe, Geduld und Genauigkeit, entstand eine Vielfalt von Bildern und kleinen Kunstwerken, zum Teil auf Gebrauchsgegenständen. Dubuis versteht es, nicht nur Szenen aus dem Alltag akribisch genau zu schneiden, sondern mit ihrer Kunst auch Gefühle auszudrücken. So finden sich bei einem Alpaufzug verschiedene Kühe mit verschiedenen Gesichtern. Mensch und Tier zeigen bei Dubuis Charakter. So verbergen sich hinter den Darstellungen Geschichten oder wie Zander es ausdrückt: «Marianne Dubuis meditative Seiten.»

Vertiefte Betrachtung
Oberflächliche Betrachtung funktioniert bei Scherenschnitten von Marianne Dubuis nicht. Wie Zander es in der Laudatio sagte, müssen die Bilder aus der Ferne betrachtet und aus der Nähe gefühlt werden. Das Betörende an den ländlichen Darstellungen ist die dimensionale Tiefenwirkung, die wohl dadurch entsteht, dass Marianne Dubuis die einzelnen Figuren ausschneidet und ins Lebensumfeld einsetzt. Durch diese Einzelcollagen wirkt das Bild lebendiger und subjektiver. Jedes ihrer ausgeschnittenen Figürchen ist ein kleines, ausdrucksvolles Kunstwerk für sich und bewegt sich eigenständig im Gebirge, im Voralpengebiet, am See oder auf dem Märit – wo auch immer Marianne Dubuis mit ihrer Scherenschnittkunst ihren Protagonisten eine Heimat schafft.

Kleine Vorschau
Marianne Dubuis ist eine der 320 bis 330 aktiven Scherenschneider/innen der Schweiz, mit den Hauptgebieten Bern, Waadt und Ostschweiz. Sie kommt aus Château-d’Oex, wo die schweizerischen Scherenschnitttage stattfinden und sich das Museum vorbereitet, in Zukunft die vorhandenen Bestände, die zum grössten Teil heute im Hüsy untergebracht sind, zu beherbergen. Das umfangreiche Archiv, das zum Teil Sammelstücke aus dem Mittelalter und älter umfasst, wird dort in Zukunft aufgearbeitet und gepflegt werden. Ein kurzer Einblick in die Geschichte des Scherenschnitts an der Vernissage lehrt uns, dass ein erster Scherenschnitt mit Pferden und Affen (auf Ziegenleder), schätzungsweise 476 bis 590 entstanden, erst 1966 in einem Grab in China gefunden wurde. Es lohnt sich also, sich mit der umfangreichen, äusserst interessanten Kunstgeschichte des Scherenschnitts auseinanderzusetzen.


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