Das Saanenland in Bänklihand

  13.09.2019 Saanenland

Rolf Steiger, Präsident des Menuhin Centers Saanen, stellte am 2. Juli im «Anzeiger von Saanen» die Frage, wer der Spender der Esme-Poppy-Ruhebänke im Saanenland sei. Sie sind mit philosophischen Sprüchen ausgestattet und stehen zahlreich im Saanenland.

BLANCA BURRI
«Awake, Be kind to your sleeping heart, Take it out into the vast fields of light and let it breath» – Erwache, sei freundlich zu deinem schlafenden Herz, nimm es mit in die weiten Lichtfelder und lass es atmen.» Dieses philosophische Gedicht wird Hafez, dem geachteten, von Goethe verehrten persischen Dichter zugeschrieben. Eine Prägung dieses Gedichts ist auf einer Ruhebank entlang der Saane angebracht. Der Dichter wird zwar nicht erwähnt, vielmehr aber eine gewisse Frau Esme-Poppy. Gstaad Saanenland Tourismus (GST) setzte sich mit der Journalistin auf ein GST-Bänkli und gab Auskunft über die Entstehung.

«Diskretion ist unser oberstes Gebot»
«Eine Person, die anonym bleiben möchte, hat in den letzten rund zehn Jahren 46 Plaketten gespendet, die mit philosophischen Sprüchen geprägt sind», erzählte Andrea Riggenbach, stellvertretende Geschäftsführerin von GST. Über die Identität dieser Person gebe sie allerdings keine Auskunft. Andrea Riggenbach: «Diskretion ist unser oberstes Gebot, davon lebt die Region.» Zudem beruft sie sich auf das Datenschutzgesetz. Trotzdem hat GST nachgefragt, ob sie den Namen preisgeben darf – ohne Erfolg. Der Fragesteller Rolf Steiger sagte auf Anfrage, dass er mit der mysteriösen Person, einer Dame, im Sommer eine zufällige Begegnung hatte, die Klärung brachte.

Kein Zusammenhang
In seinem Artikel vom 2. Juli stellte Rolf Steiger einen Zusammenhang zwischen dem Chalet Poppy im Oberbort und Frau Esme-Poppy her. Dieser ist, wie im Gespräch mit der Spenderin herauskam, nicht gegeben. «Es ist reiner Zufall, dass das Chalet Poppy und Frau Esme-Poppy fast gleich heissen», stellte Steiger fest. Im Juli-Artikel fragte er die Bevölkerung, ob sie etwas über die Familie wisse, die im Chalet Poppy wohnte. Mehrere Leute meldeten sich bei ihm. Rolf Steiger fasste zusammen: «Die Norwegerin Halldis Poppe kam als persönliche Krankenpflegerin von Aga Khan III. nach Gstaad. Dessen Grosssohn Karim ist Aga Khan IV. und damit das geistliche Oberhaupt der ismailitischen Nizariten. Harald Poppe ist der Neffe von Halldis Poppe, er wuchs in Gstaad auf und lebt heute in bescheidenen Verhältnissen im Greyerzerland.»

Auf Herz und Nieren geprüft
Nun bleibt also die Frage, wie angebracht es ist, dass im Saanenland 46 Ruhebänke mit philosophischen Sprü- chen stehen, die in Englisch abgefasst sind. Weil viele Schweizer zu wenig Englisch beherrschen, um die Gedichte zu verstehen, gibt es eine gewisse Unsicherheit. «Woher soll ich wissen, dass diese Sprüche nicht extremistisch oder diskriminierend sind?», fragte zum Beispiel eine Spaziergängerin. Andrea Riggenbach beruhigt: «Die Leitung Infrastrukturen und Projekte überprüft die Aufschriften nach ethischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Normen» – seit August dieses Jahres in der Person von Michel Zysset, Leiter Infrastrukturen und Projekte. Die GST-Mitarbeitenden versichern, dass die Esme-Poppy-Bänke, wie die anderen gespendeten Bänke, auf einer schöne Erinnerung oder einer persönliche Begebenheit beruhen.

Hunderte von Bänken
Alleine in den Bäuerten Saanen, Gstaad, Turbach und Bissen gibt es 320 von GST unterhaltene Bänke, in Gstaad und Saanen kommen welche von der Gemeinde Saanen hinzu. Daneben betreut der Tourismusverein weitere Dutzende in Schönried, Saanenmöser, Lauenen und Gsteig. Das Material für die Bänke kauft GST von einheimischen Firmen ein. Die Wegmeister bauen sie in Handarbeit zusammen und platzieren sie auf die vorgesehenen Ruhe- und Aussichtspunkte.

Die meisten Bänke werden von Privaten, Gästen und Firmen gesponsert, im Gegenzug montiert GST ein Schild mit einer persönlichen Inschrift. Eine Bank kostet 540 Franken, eine Holzliege 1500 Franken. Rund zehn Bänke werden jährlich verkauft. Andrea Riggenbach begründet: «Eine Bank ist ein wunderbares, sehr persönliches Geschenk. Denn was will man Schöneres schenken, als eine tolle Aussicht.» Nicht nur sie ist davon begeistert, sondern auch die Spendenden. «Wir haben viele Wiederholungstäter», weiss sie. Dazu gehöre der Frauenverein Saanen, das einheimische Gewerbe, einheimische Familien und Gäste, die eine gute Zeit im Saanenland verbracht haben. Oft geht es auch um Gedenkstätten, wie im Fall der Haushälterin eines Chaletgastes, die verstorben ist. Zur Erinnerung spendete ihr Arbeitgeber an ihrem Lieblingsspazierweg eine Ruhebank mit ihrer Aufschrift. Die auf dem Bild gezeigte Bank wurde einem Hochzeitspaar geschenkt. «Die Hintergründe für eine Spende sind immer sehr persönlich», weiss die Tourismusfachfrau. Die Lebensdauer der Bänke ist bis zu zehn Jahre. Nach fünf Jahren läuft der Vertrag aus, spätestens wenn eine Bank ersetzt werden muss, wird ein neuer Donator gesucht.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote