«Mittlerweile würde ich es als Traumberuf bezeichnen»

  25.10.2019 Saanen, Interview, Schönried

Iljana Karnusian ist gelernte Schneiderin, Mutter und seit sechs Jahren ihre eigene Chefin. Im Gespräch erzählt sie, was sie an ihrem Beruf fasziniert und wie sie sich dank einer Curling-Bekanntschaft selbstständig machen konnte.

SOLVEI TRUMMER
Iljana Karnusian streicht ihrer eineinhalbjährigen Tochter, welche im Begriff ist, in das Auto ihres Mannes zu steigen, noch einmal flüchtig über den Kopf und verabschiedet sich mit einem Winken. Anschliessend betritt sie vor mir den hellen Verkaufsraum. An der hinteren Wand befinden sich Fäden in allen Farben und Durchmessern, und hie und dort meine ich auch das eine oder andere Stoffstück sehen zu können. Die dezenten Farben stellen in Kombination mit den Auslagen an liebevoll hergestellten Kleinkinderkleidern einen Kontrast dar zu der schweren Stickmaschine, welche sich im Nebenraum befindet. Eine Vereinsjacke mit halb fertig gesticktem Logo liegt dort, ein Adler ist zu erahnen. Von Hand gestickt wird dort schon lange nicht mehr. Ist die Maschine passend programmiert, muss bloss noch auf einen Knopf gedrückt werden und die Arbeit wird elektronisch erledigt. Die Nähmaschine fehlt, da Iljana Karnusian meistens zu Hause arbeitet.

Iljana Karnusian, warum haben Sie sich für die Ausbildung zur Schneiderin entschieden?
Eigentlich war es ein Glückstreffer. Ich war nach der Schule ein wenig verloren, wusste nicht wirklich, für welche Berufsrichtung ich mich entscheiden sollte. Eine Freundin brachte mich dann auf die Idee, es einmal mit Schneidern zu versuchen. Nach meiner Ausbildung habe ich dann ein Jahr bei «Zwahlen-Hüni» als Änderungsschneiderin gearbeitet.

Bereut haben Sie Ihre Berufswahl also nie?
Nein. Mittlerweile würde ich es sogar als meinen Traumberuf bezeichnen. Aber als ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte und sah, wie rar das Stellenangebot für Schneider schweizweit war, habe ich meine Wahl sicher kurzzeitig in Frage gestellt.

Im Jahr darauf machten Sie sich dann selbstständig, übernahmen das Geschäft von Sandra Balsinger. Wie kam es dazu?
Selbständig zu sein war schon immer etwas, womit ich geliebäugelt hatte. Mein Vater kannte Sandra vom gemeinsamen Curling und bekam mit, dass sie eine Nachfolgerin suchte. So kam es dann, dass ich, nachdem ich noch eineinhalb Monate mit ihr zusammengearbeitet hatte, das Geschäft übernehmen konnte.

Ihr Laden heisst «Druck, Stick & Nähatelier», aus welcher Sparte besteht Ihr Hauptgeschäft?
Das Meiste sind sicherlich Nähsachen, Druckaufträge machen einen eher kleinen Teil aus. Stickaufträge bekomme ich auch ab und zu, beispielsweise, um Sponsorenlogos aufzusticken. Aber dort besteht meine Arbeit hauptsächlich darin, die Maschine zu programmieren, und der Rest läuft dann automatisch.

Welche Arbeiten erledigen Sie am liebsten?
Mein Herz schlägt für die Kleinkindermode. Ein Kinderbekleidungsgeschäft zu eröffnen, war schon immer mein kleiner Traum, vor eineinhalb Jahren habe ich mit der Umsetzung begonnen und werde jetzt schauen, wie sich das Ganze weiterentwickelt.

Wie sieht es mit extravaganteren Aufträgen aus?
(lacht) Kommt darauf an, wie du extravagant definierst. Ich hatte schon oft Kunden, die mit eigenen Entwürfen und Ideen zu mir gekommen sind, aber in der Regel waren das doch recht gut umsetzbare Projekte.

Stellen Sie auch Kleidungsstücke für sich selbst her?
Nein, dafür habe ich definitiv keine Zeit. Neben meiner Arbeit habe ich ja auch noch meine Familie, welche sehr viel Platz in meinem Leben einnimmt.

Darüber nachgedacht, jemanden fest anzustellen, haben Sie noch nie?
Ich habe tatsächlich eine Mitarbeiterin, jedoch arbeitet sie nur temporär mit mir zusammen, wenn wir viel Kundschaft haben. Einen festen Mitarbeitenden kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Ich mache meine Arbeit sehr gern, trotz des oftmals grossen Zeitaufwands – der kreative Aspekt ist mir sehr wichtig. Wünsche und Möglichkeiten miteinander zu vereinen, stellt zwar oft eine Herausforderung dar, aber gerade das macht schliesslich das Endergebnis aus. Zu sehen, was aus Ideen und Entwürfen entstehen kann, ist immer wieder beeindrucken.


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