Der Turbach wird hochwassertauglich

  11.10.2019 Gstaad

Der Turbach ist schon einige Male über die Ufer getreten, mit zum Teil verheerenden Folgen. Solche Ereignisse könnten sich auf Grund der Klimaerwärmung und der daraus resultierenden stärkeren Niederschläge häufen. Mehrmals wurden in den vergangenen Jahrzehnten Sperren eingebaut. Um einem Jahrhunderthochwasser standzuhalten, werden 10 von 11 Sperren in zwei Etappen saniert, eine wird ersetzt.

ANITA MOSER
Wer erinnert sich nicht an den 10. Juli 2010, als der Chalberhönibach nach einem starken Gewitter mit viel Hagel über die Ufer getreten ist und in Saanen grosse Schäden angerichtet hat? Um bei ähnlichen Ereignissen das Geschiebe zurückzuhalten, hat man einen Geschiebesammler gebaut.

Beim Turbach setzt man auf eine Lösung ohne Geschiebesammler. «Die bestehenden Sperren sind eigentlich gut, aber man muss sie sanieren, damit sie auch bei einem grösseren Hochwasser ihre Funktion wahrnehmen können», erklärt Beat Brunner, Umweltingenieur FH und Fachverantwortlicher Naturgefahren bei der Emch+Berger AG in Spiez. «Durch die Sanierung wird die Bachsohle fixiert. Dadurch wird verhindert, dass bei grösseren Hochwasserereignissen zusätzlich grosse Geschiebemengen mobilisiert werden.» Ohne die Sanierung könne es zu kritischen Situationen in Gstaad kommen, betont der Projektleiter.

Zustand hat sich verschlechtert
2013/14 wurde zuletzt der Zustand der bestehenden Betonsperren und der Uferverbauungen erfasst. In der Zwischenzeit hat sich der Zustand weiter verschlechtert, die Sperren sind unterspült und würden einem Hochwasser nicht mehr standhalten. «Die Bachsohle hat sich seit Ende der Siebzigerjahre an verschiedenen Orten um über zwei Meter abgesenkt.» Alle elf Sperren werden deshalb saniert respektive eine ersetzt.

In einer ersten Etappe werden die Sperren 5 und 7, 9 und 10 saniert. Die Instandsetzung der Sperren 1 bis 4, 6, 8 und 11 erfolgt im Herbst 2020. Begonnen haben die Bauarbeiten Mitte August, bis Weihnachten soll der Turbach wieder in seinem gewohnten Bachbett fliessen. Im kommenden Jahr gilt der gleiche Zeitrahmen. Der Herbst sei die ideale Jahreszeit für solche Arbeiten, erklärt Brunner. Im Frühling führe der Bach viel Schmelzwasser, im Sommer sei mit Gewittern zu rechnen, die Hochwasser bringen könnten. «Im November ist berechenbar, wie viel Wasser kommt, Gewitter sind selten.» Ob der Zeitrahmen eingehalten werden könne, sei abhängig vom Baufortschritt und vom Wetter. Bei einem Ereignis, das sehr viel Wasser bringe, müsste der Bau allenfalls eingestellt werden. «Bis jetzt sind wir gut vorangekommen», so Brunner.

Sperre 7 wird ersetzt
Die bestehenden Sperren werden mit Vormauern verstärkt und die Sohle unterhalb zusätzlich mit Blockschwellen gesichert. «Nur durch die Sanierung der bestehenden Sperren kann man die Bachsohle nicht fixieren», betont Brunner. Es brauche zusätzliche Fixpunkte. «Mit Blockschwellen – sogenannten Querriegeln – fixiert man die Sohle auf natürliche Art.» Für die hiesigen Baggerführer ist das «Tischele» der rund zwei Tonnen schweren Steinblöcke nichts Alltägliches. «Die involvierten Unternehmungen müssen, unabhängig von deren Erfahrungen, eine Musterstrecke machen, welche durch die Bauleitung und den Fischereiaufseher abgenommen wird», so Brunner.

Die Sperre 7 ist auf der ganzen Höhe gebrochen, eine Instandsetzung war nicht möglich. Deshalb wird eine neue, ein Meter dicke Stahlbetonsperre erstellt.

Im Rahmen der Sanierung wird das Bachbett auf verschiedenen Abschnitten verbreitert, sodass es über die ganze Länge im Durchschnitt zehn Meter misst. «Wenn die gleiche Wassermenge in einem Bachbett von fünf oder sechs Metern Breite fliesst, hat es mehr Kraft und erodiert mehr Steine, mit der Folge, dass sich die Sohle absenkt», begründet Brunner.

Kosten von sechs Millionen Franken
Die Kosten für die Sanierung sind auf rund sechs Millionen Franken veranschlagt. 60 Prozent übernehmen der Bund und der Kanton. Für 40 Prozent der Kosten – rund 2,4 Millionen Franken – muss die Bauherrin, die Schwellenkorporation Saanen, aufkommen. «Die Schwellenkorporation ist zuständig für alle Bäche. Sie muss dafür sorgen, dass die Bäche im Schuss gehalten und hochwassersicher sind.»

Bauen im Bachbett sei aufwendig und herausfordernd, sagt der Projektleiter. Die Baugruben sind bis zu acht Meter tief, das Material ist teilweise lehmig. Die Böschungen müssen fixiert werden, damit sie nicht ins Rutschen geraten und die Bauarbeiter gefährden. Zudem muss der Bach abschnittsweise mit einer Wasserhaltung umgeleitet werden. «Für die Arbeiten an den Blockschwellen und Sperren sowie fürs Betonieren muss die Baustelle möglichst trocken sein», so Brunner. Trübungen im Bach müssen vermieden werden. Dies sei auch eine Auflage des Fischereiinspektorats.

Enge Zusammenarbeit mit Fachstellen
Zum Abfischen vor Baubeginn hat man den örtlichen Fischereiverein beigezogen. «Vor und nach der Umleitung des Baches in die Wasserhaltung sucht man alle Löcher nach Fischen ab und setzt sie weiter oben oder weiter unten wieder aus», so Brunner. Sobald der Bach wieder im Bachbett sei, kämen die Fische zurück.

Um ein bewilligungfähiges Projekt erarbeiten zu können, wurden die kantonalen Fachstellen von Beginn weg involviert. «Grundsätzlich muss man die Gewässer, wenn man sie saniert, fischgängig machen», hält Brunner fest. Das heisst, die Fische sollen auch flussaufwärts schwimmen können. Man habe mit allen Fachstellen und mit dem Bund diskutiert und feststellen müssen, dass es aber nicht möglich sei, den Turbach fischgängig zu machen. «Die bestehenden Abstürze der Sperren sind zu hoch, eine fischgängige Sanierung des Turbachs ist aufgrund des starken Gefälles nicht möglich», begründet Brunner. Der Turbach sei aber eine Ausnahme. «Bei der Sanierung des Louibachs in Gstaad werden die neuen Bauwerke fischgängig sein.»

Video: https://tinyurl.com/y2qamxho

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SANIERUNG TURBACH

Massnahmen
– Bei den bestehenden Sperren 3, 5, 6, 8, 9 und 10 werden die schwach bewehrten Sperren mit unterwasserseitigen Vormauern verstärkt. Zur Sohlensicherung unterhalb der Vorsperre werden einzelne bis mehrere Blockschwellen erstellt.
– Sperre 2 wird mit einer Vormauer verstärkt und die Sohle mit Blöcken gesichert.
– Bei Sperre 1 wird die bestehende Sperre mit einer Kastensperre ergänzt.
– Bei Sperre 4 werden ausser der Erneuerung des Uferverbaus keine weiteren Massnahmen ergriffen.
– Die bestehende Sperre 7 weist zwei Biegerisse auf und ist auf der ganzen Höhe gebrochen. Es wird eine neue, 1m dicke Stahlbetonsperre erstellt.
– Sperre 11 weist eine relativ kleine Absturzhöhe auf. Neubau eines Traversensystems (Blockschwellen) zur Sohlensicherung.

Einige Zahlen
Natursteinblöcke:
ca. 15’000 t oder ca. 6000 bis 7000 Steinblöcke
Beton für Sperren, Blockschwellen und Blocksatz im Hinterbeton: ca. 2800 m3
Bewehrung für Sperren und Schwellen: ca. 110 t

 


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