Leben ohne

SARA TRAILOVIC
«Die Verlustmeldung können Sie gratis auf unserer Webseite erstellen», unterbreitet mir die emotionslose Dame der 24-Stunden-Hotline. «Hmpf», mache ich, «na gut, danke.» Farbe: Schwarz. Hülle: Schwarz. Marke: Huawei. Weitere Bemerkungen: Vergessen im R2233 von Zweisimmen nach Gstaad. Dann errechne ich zähneknirschend die Kosten eines neuen Geräts. Aber Moment, ist das überhaupt nötig? Was soll jemand mit meinem Smartphone anfangen? Rissiger Bildschirm, dubioses Hintergrundbild, ein paar ungelesenen Nachrichten. Und fremde Handys sind ohnehin unantastbar. Genauso wie Portemonnaies, Picknickkörbe und Perlenketten, die im Freibad unter einem Badetuch liegen. Eins ist also klar: Ich werde mein Gerät bald wieder in Händen halten.

Völlig zufrieden stehe ich am Bahnhof und warte. Seit zwei Tagen lebe ich nun schon ohne Handy. Meine Freunde und Familie habe ich mittlerweile völlig vergessen und ich schwöre auf meine Papieragenda. Zehn Minuten bis der Zug kommt? Kein Problem, dann bleibt mehr Zeit, Leute zu verurteilen, die an ihren kleinen Bildschirmen kleben. In meinem Rucksack spüre ich die Kanten meines Romans «Leben ohne Smartphone», den ich in all den freien Stunden verfasst habe. Er beginnt mit den Worten «Mein Leben ohne Smartphone ist perfekt» und entspricht fast der ganzen Wahrheit. Mir fehlt nämlich etwas: ein Wecker. Jeden Abend sitze ich kerzengerade im Bett und versuche, meine natürliche Uhr auf zwanzig nach sechs zu programmieren. Denn mein Laptop versteht nicht, wieso er plötzlich so früh am Morgen künstliches Vogelgezwitscher von sich geben soll. Ich öffne also meine Elektronikschublade und mache mich auf die Suche nach meinem alten Klapphandy, unzerstörbar und mit zuverlässigem Weckton ausgestattet – was hat mein Laptop jetzt wieder zu melden? «Wir haben Ihren verlorenen Gegenstand gefunden». Pech gehabt.

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