Steht eine Rezession bevor?

  22.10.2019 Wirtschaft

Die globale Konjunktur befinde sich im Abschwung, sagte Urs Brunner, Marktstratege bei Rahn & Bodmer, am Börsenbarometer der Saanen Bank. Ob eine Rezession drohe, sei von verschiedenen Faktoren abhängig.

ANITA MOSER
Eingeladen hat die Saanen Bank ihre Kunden nach Feutersoey ins Clubhaus des Automobil Clubs Gstaad. Der Club zählt 50 Mitlieder aus der ganzen Welt, darunter auch die beiden aktiven Rennfahrer Karim Ojjeh aus Schönried und Hugo De Sadeleer, sagte Clubpräsident Hansueli Brand. Der 22-jährige De Sadeleer aus Lausanne sei auf bestem Weg in die Formel 1, so Brand.

Chancen und Risiken
«Die Reise, auf der wir uns befinden, birgt sowohl Chancen wie auch Risiken», leitete Dominique Huwiler, Leiter Private Banking bei der Saanen Bank, über zum Thema des Abends – zu den Börsen. «Seit die US-Notenbank ihre Geldpolitik lockert, gehen die Zinsen runter und die Aktien rauf.» Im Moment sehe es nicht danach aus, dass sich das ändern werde. «Es gibt diverse Vorzeichen, dass eine neue Generation in der Schweiz heranwächst, die das Wort Zinsen oder Zinseszinsen nur noch aus Erzählungen kennt», so Huwiler.

Konjunkturabschwung
«Verglichen mit Obligationen sind die langfristigen Aussichten der Aktien nach wie vor gut», betonte Urs Brunner, Marktstratege bei Rahn & Bodmer. Aber es sei nicht mehr dieser Wertzuwachs zu erwarten wie in der Vergangenheit. «Weil sich das Wachstum der Wirtschaft auf tiefem Niveau einpendeln wird, werden die Gewinne auch schwächer wachsen.»

Die globale Konjunktur befinde sich im Abschwung, so Brunner. Und es gebe noch keine Anzeichen dafür, dass die Talsohle schon erreicht sei. Die EZB und ein halbes Dutzend Notenbanken weltweit hätten zwar die Zinsen gesenkt, das helfe der Konjunktur. «Und es wird wahrscheinlich auch sogenannte fiskalpolitische Stützungsmassnahmen geben, wie wir sie in den USA letztes Jahr gesehen haben, als die Steuern gesenkt wurden.» Im Moment überlege sich Europa, ob ein Konjunkturpaket auf die Beine gestellt werden sollte. Allerdings werde man sich wahrscheinlich schwer tun mit einem gemeinsamen Budget für solche Massennahmen.

In geopolitischer Hinsicht sorge sicher der Handelskonflikt zwischen den USA und China für die grösste Unsicherheit, ebenso der Brexit, der wahrscheinlich ein weiteres Mal verschoben werde.

Obligationen als Risikopuffer
Die Renditen auf den Anleihen würden insbesondere in Europa und in der Schweiz für längere Zeit auf tiefem Niveau verharren, so Brunner. Die globalen Sparüberschüsse, niedriges Wachstum und die tiefe Inflation würden gegen steigende Zinsen sprechen. «Wir glauben aber trotzdem, dass Obligationen Bestandteil sein sollten von Portfolios – als Risikopuffer», so Brunner. «Wenn es nämlich anders kommt und die Welt in eine starke Rezession abrutscht, müssten wir mit starken Aktienmarktkorrekturen rechnen und die Obligationen könnten einen Teil dieser Korrektur abfedern.»

Steht eine Rezession bevor?
Blicke man in die Vergangenheit zurück, seien die restriktive Geldpolitik und die Kreditblase mit Abstand die wichtigsten Faktoren für eine Rezession. «Auch im Vorfeld der Finanzkrise hat die Notenbank starke Zinserhöhungen vollzogen und dann kippte die Konjunktur und die Folge war eine lange Rezession», so Brunner. Die US-Notenbank habe seit 2016 die Zinsen erhöht und diese restriktive Politik der US-Notenbank widerspiegle sich in einer Abschwächung der Konjunktur. «Ist die US-Notenbank zu weit gegangen, gibt es tatsächlich eine Rezession?», fragte Brunner rhetorisch. «Gerade weil die Zinsen so stark erhöht wurden und die amerikanische Notenbank Fed zu spät mit Zinssenkungen reagiert hat, stellen sich viele Ökonomen auf den Standpunkt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession gestiegen ist», sagte Brunner. Rahn & Bodmer, mit der die Saanen Bank seit vielen Jahren zusammenarbeitet, ist zuversichtlicher. «Es gab Phasen, in denen die amerikanische Notenbank die Zinsen frühzeitig gesenkt hat.» In diesen Phasen habe der amerikanische Markt – zum Beispiel 1984, 1995 und 1998 – zugelegt. Spiegelbildlich die Phasen, in denen die amerikanische Notenbank zu spät reagiert habe und die Zinsen unmittelbar vor oder während der Rezession gesenkt habe. Dann sei der Aktienmarkt nochmals stark unter Druck geraten.

«Wir sind der Meinung, dass die Notenbank früh reagiert hat. Die US-Konjunktur hat sich im ersten Halbjahr noch einigermassen gut gehalten und jetzt wurden die Zinsen gesenkt», betonte Brunner. Sein Fazit: «Mittel- und langfristig sehen wir die Aktien nach wie vor positiv, wir haben mittelfristig allerdings unsere Vorbehalte, vor allem aufgrund der globalen Konjunktur und den politischen Faktoren. Einer davon ist der Handelskonflikt. Es gibt noch ganz andere Plätze, wo politische Unsicherheiten bestehen.»,

Die Schweiz – ein Unternehmerland
Dominik Müller, Finanzanalyst bei Rahn & Bodmer, legte den Fokus seines Referates auf die Schweizer Unternehmungen. Die Schweiz sei ein Unternehmerland, sie zähle mittlerweile rund 590’000 sogenannte markttechnische Unternehmungen, also wirtschaftlich aktive Unternehmungen. «Auf Europa gesehen sind wir diesbezüglich Weltmeister», so Müller. In der Schweiz gebe es auf ca. 12 Personen eine Firma. Kleinere und mittlere Unternehmungen (KMUs) machten die Stärke der Schweiz aus. 9% der Firmen seien im Primärsektor tätig – in der Landund Forstwirtschaft, der Anteil der Beschäftigten liege bei 4%. Im Sekundärsektor, in der verarbeitenden Industrie (15% der Firmen), beträgt der Anteil der Beschäftigten 25%. Und im Tertiär-Sektor, dem Sektor Dienstleistungen (76% der Firmen), seien mittlerweile 71% der Beschäftigten in der Schweiz tätig. Im Swiss Performance Index (SPI) seien rund 200 Firmen gelistet, erklärte Müller.

Langfristiges Investieren lohnt sich
Simon Graa wird nächsten Frühling vorzeitig in Pension gehen. Börsenweisheiten à la Warren Buffet könne er nach gut 38 Jahren Börsenerfahrung nicht liefern, meinte er im Schlusswort an seinem letzten Börsenbarometer. Den ersten grossen Schreck habe er 1987 hautnah am Börsenring in Zürich erlebt. «Dieser Crash ging mir ordentlich unter die Haut», so Graa. Über die Jahre seien ein paar weitere Crashs dazugekommen. «Sie stressen mich immer weniger», meinte er schmunzelnd. «Wer langfristig anlegt, weiss, dass die Börsen Extrembewegungen in beide Richtungen bieten, man dafür aber mit einer attraktiven Rendite in Form von Dividenden und Kapitalgewinnen belohnt wird.» In den letzten 20 Jahren hätten sich die Börsen zweimal halbiert und sich in diesem Zeitraum pro Saldo trotzdem verdoppelt. Der Schweizer Index SPI habe sich in dieser Periode gar um 250 % gesteigert und Gold in Schweizer Franken gerechnet mehr als verdreifacht. «Langfristiges Investieren in Aktien hat sich historisch immer gelohnt. Nicht nur in den letzten 10 oder 20 Jahren. Auch wenn wir über 100 Jahre und mehr zurückblicken, haben sich Aktien von allen Anlageklassen immer am besten entwickelt», so sein Fazit.

Im Anschluss an die Präsentation gab es feine Köstlichkeiten von Gaby und Christian Hefti vom «Bären» Gsteig.


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