Mit Segelyacht und Postauto

  01.11.2019 Region

Ob Karibik, Afrika oder das Saanenland. Mit Segelschiff, Wohnmobil oder Postauto: Peter Heinzer hat das Steuer fest im Griff und sucht die berufliche Abwechslung. Er wohnt in Kerzers, fühlt sich aber in Gstaad zu Hause.

KEREM S. MAURER
«Angefangen hat alles relativ gewöhnlich», sagt Peter Heinzer. Er lehnt sich entspannt im Wohnzimmer seiner kleinen heimeligen Mietwohnung in Gstaad zurück, lässt seinen Blick durch die Balkontüre hinaus über die Gstaader Berglandschaft schweifen. Auf dem Tisch stehen Kaffee und Gipfeli. Kaufmännischer Angestellter habe er gelernt, erzählt er. Später machte er die Lastwagenprüfung und fuhr als Lastwagenchauffeur während acht Jahren über Land. Hauptsächlich Deutschland, Beneluxstaaten und Italien. Schon damals zog es ihn hinaus in die Welt. 1980 kehrte er zurück ins Büro, begann bei einem Transportunternehmen in Kerzers als Disponent. Zu dritt dirigierten sie 80 LKWs durch Europa – ohne GPS und Smartphones. «Das war manchmal sehr herausfordernd!», kommentiert er. 22 Jahre später – Heinzer hatte unterdessen die Segelscheine für Binnengewässer und für Hochsee gemacht – sass er in der Geschäftsleitung dieses Unternehmens. Eines Tages fragte er sich: «War’s das jetzt? Soll das schon alles gewesen sein?»

Als Kapitän angeheuert
Peter Heinzer wollte etwas Neues, etwas ganz anderes machen und so hielt er plötzlich ein Inserat in den Händen. Hansueli Birenstihl, der Gründer der Therapieschiffe für schwer erziehbare Jugendliche, suchte für sein Segelschiff «Ruach» einen Kapitän. «Schnell war klar, dass ich für diese Aufgabe meinen angestammten Job aufgeben musste», erinnert sich Heinzer und erzählt, wie ihm alle seine Freunde davon abgeraten hätten. «Einen sicheren Job wie ich ihn hatte, könne man doch nicht einfach kündigen!» Doch, und ob! – Peter Heinzer konnte das. Zusammen mit seiner damaligen Frau bewarb er sich als Kapitänsehepaar und bekam den Job. Der Hochseesegler erzählt von seinen Erfahrungen mit den schwer erziehbaren Jungs, die er auf dem Schiff zu einer Segelcrew ausbilden musste – denn ein Schiff, wie es die «Ruach» oder später auch die «Salomon» war, kann man nicht alleine segeln. Diese Arbeit habe ihn geprägt, sagt er und fügt hinzu, dass er noch heute in Kontakt zu Männern stehe, die einst mit ihm die Segel gehisst hätten. Doch Birenstihls Erlebnispädagogik war umstritten. Bis 2004 war Heinzer dort fest angestellt, dann wurde das Projekt vorübergehend eingestellt, worauf der saisonale Wahlgstaader sich selbständig machte. Er gründete seine Firma Pietro-Yachting und bietet Segeltörns auf allen sieben Weltmeeren an. Zwischenzeitlich arbeitete er auch als Segellehrer auf dem Bielersee. Den letzten Einsatz als Kapitän auf dem Erziehungsschiff «Salomon» machte Heinzer 2015.

Einmal quer durch Afrika
Heinzers berufliche Tätigkeiten beschränkten sich naturgemäss weitestgehend auf das Sommerhalbjahr. Und wieder war es ein Inserat, das ihm eine neue Tür öffnete: Kübli Reisen Gstaad suchte für den Betrieb des Skibusses einen Chauffeur. Heinzer witterte eine Chance, seinen Winterumsatz anzukurbeln und liess sich verpflichten. Nach einem Kassenkurs, den er speziell für Postautos machen musste, konnte er in der Folge auch auf diesen als Chauffeur eingesetzt werden. «Im Gegensatz zu den Skibussen fahren diese auch dann, wenn es keinen Schnee hat!», lacht er. So sei er Postautochauffeur im Saanenland geworden. Er trinkt einen Schluck Kaffee und schaut auf die Uhr. Heinzer rechnet kurz und sagt dann, dass er bald los müsse, seine Schicht beginne in Kürze. Er müsse nach Gsteig, dann nach Schönried und wieder zurück. Aber eine Geschichte wolle er noch erzählen, und zwar, wie er eines Tages von einem Reiseunternehmen als Chauffeur angeheuert wurde, um eine kleine Reisegruppe in einem Lastwagen-Wohnmobil von Kairo nach Kapstadt zu fahren. Einmal quer durch ganz Afrika hindurch. Drei Monate habe diese abenteuerliche Reise gedauert, danach während zwei Monaten wieder zurück nach Nairobi.

Zwischen Alpen und Südsee
Er wohne nach wie vor in Kerzers, aber immer wenn er nach Gstaad in diese kleine Wohnung komme, sei es, als käme er nach Hause. Postautofahren im Saanenland finde er spannend, er unterhalte sich auch gerne mit den Passagieren. Jetzt erhebt sich Heinzer, er muss los, der Dienstplan gibt den Takt an. Bis am 10. November fahre er Postauto im Saanenland, dann packe er seine Koffer, um einen Monat lang in der Karibik zu segeln. Ab dem 20. Dezember ist er wieder zurück und fährt mit dem Skibus Schneesportfreunde und -freundinnen an ihre Orte der Begierde. Peter Heinzer macht ungewöhnliche Jobs, pendelt zwischen Schnee und Meer, zwischen den Alpen und der Südsee. Es seien diese Gegensätze, die sein Leben abwechslungsreich machten, und dies mache sein Leben lebenswert. Bleibt noch, ihm allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreite Wasser unterm Kiel zu wünschen.


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