Mutiger Prozess gemeinsam mit der Bevölkerung

  22.11.2019 Interview, Saanen

«Zukunft Saanen – zäme für ünsi Gmei» ist ein Projekt der Gemeinde Saanen, um Anregungen, Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung aufzunehmen. Gemeindepräsident Toni von Grünigen (TvG) und Projektleiter Lorenz Kurtz (LK) erklären, wie sich die Bevölkerung beteiligen kann.

BLANCA BURRI

Toni von Grünigen, wie ist «Zukunft Saanen» entstanden?
Wir haben uns im Gemeinderat schon länger Gedanken darüber gemacht, die Gemeinde gemeinsam mit der Bevölkerung weiterzuentwickeln. Als unser Verwaltungsdirektor Armando Chissalé an einer Veranstaltung Lorenz Kurtz vom Büro für Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung Planval kennengelernt hat, haben wir das Projekt konkret an die Hand genommen.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
TvG:
Als Gemeinderat steht man im dauernden Austausch mit Einzelpersonen, die für ihre Interessen einstehen. Uns fehlte, dass sich das Gros der Bevölkerung einbringen kann. Das wollen wir mit diesem Projekt erreichen.

Was ist das Ziel von «Zukunft Saanen»?
LK:
Verschiedene Projektgruppen und die Gemeinde sollen konkrete Vorhaben lancieren und sie in die Tat umsetzen. Das heisst, wir setzen bewusst nicht auf ein Strategiepapier, sondern auf konkrete Projekte.

Zum Beispiel?
LK:
Aufgrund der Rückmeldungen scheint es ein Bedürfnis von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu sein, dass es mehr Ausgangsmöglichkeiten gibt. Im Rahmen von ««Zukunft Saanen»» können diese Jugendlichen nun ein Angebot auf die Beine stellen, das ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Wer liefert die Projektideen?
LK:
Die Bevölkerung selbst.

Was geschieht am ersten öffentlichen Anlass am 30. November?
LK:
Damit wir die realen Bedürfnisse erkennen, haben wir am Alpkäsemarkt, an der Gstaadermesse, aber auch schriftlich wie mündlich diverse Anliegen aus der Bevölkerung gesammelt. Diese präsentieren wir am 30. November der Bevölkerung. Zudem wollen wir mit den Teilnehmern/innen festlegen, auf welche sechs bis acht Themen wir im Projekt «Zukunft Saanen» den Schwerpunkte legen. Dieser Anlass ist für die breite Bevölkerung gedacht. Jede und jeder kann mitmachen. Man muss aber keine Reden halten oder keine Statements abgeben. Wir wählen ein sehr einfaches Verfahren, damit sich alle einbringen können, ohne sich exponieren zu müssen.

Und danach?
LK:
Im März werden wir im Rahmen von Workshops gemeinsam mit engagierten Bürgern Ziele zu den ausgewählten Themenbereichen ausarbeiten. Anschliessend legen wir fest, wie die Entwicklung, Lancierung und Umsetzung von Projekten erfolgen soll, beziehungsweise wie und in welchem Rahmen die Gemeinde dabei unterstützt. Die Gemeindeversammlung soll im Herbst 2020 darüber befinden. Dann werden die Projekte entwickelt und umgesetzt.

Können wir uns das als Fortsetzung vom aufgelösten Verein Gstaad 2020+ vorstellen?
TvG:
Nein, denn es gibt einen grossen Unterschied: Bei Gstaad 2020+ wirkten die Präsidenten oder Delegierten der einzelnen Organisationen wie Gewerbeverein, Landwirtschaftsverein oder Ähnliche mit. Sie haben die Interessen ihrer Organisation vertreten. Bei «Zukunft Saanen» geht es darum, dass die Bevölkerung für ihre eigenen Anliegen einsteht. Jeder kann mitwirken. Als Nachfolgeorganisation von Gstaad 2020+ kann eher das Kontaktgremium Volkswirtschaft bezeichnet werden.

Können sich auch Leute beteiligen, welche die Schriften nicht in Saanen haben?
TvG:
Ja, genau. Gerade am Käsemarkt haben viele Leute, denen das Saanenland am Herzen liegt, ihre Inputs aufgeschrieben.
LK: Wir haben von ihnen viel Lob für den Mut erhalten, uns gegenüber Gästen und Freunden der Destination zu öffnen. Sie betonten, dass das nicht überall so sei.

Wie viele Themengruppen gibt es momentan?
LK:
18 Themen. Das sind aber zu viele, so viele können nicht vertieft werden. Deshalb streben wir die Verkleinerung auf sechs bis acht an.

In einer Gemeinde wie Saanen ist der Prozess der Weiterentwicklung sehr komplex. Wie gross ist die Erfahrung von Planval dazu?
LK:
Wir stehen seit 50 Jahren für Regional-, Gemeinde- und Stadtentwicklung. Bei «Zukunft Saanen» arbeiten wir mit einem Ansatz, bei dem die Bedürfnisse von Einzelnen im Zentrum stehen, dazu suchen wir Lösungen. Es ist eine bewährte Methode. Momentan stehen wir in Plaffeien im Abschluss eines ähnlichen Prozesses, im Zürcher Oberland begleiten wir auch eine Gemeinde. Trotzdem ist Saanen als Gemeinde vielschichtig und komplex. Für uns sehr spannend.

Werden die Arbeitsgruppen nur bei der Projektentwicklung oder auch bei der Umsetzung begleitet?
LK:
Wir sind bis am Schluss mit an Bord. Wichtig scheint mir aber, dass nicht wir, Planval, die Planung vorgeben. Die Menschen in der Projektgruppe erarbeiten ihr eigenes Baby – wir begleiten es bis zur Geburt. Es wird aber auch Projekte geben, bei denen wir nicht die richtigen Ansprechpartner sind und deshalb Spezialisten engagiert werden.

Wie viel Budget steht zur Verfügung?
TvG:
Für die erste Phase bis Herbst 2020 haben wir mit 65’000 Franken ein Budget, das in der Gemeinderatskompetenz liegt.
LK: Im Herbst kann die Bevölkerung über die zweite Etappe von «Zukunft Saanen» bestimmen – auch über das Budget. Die Gemeindeversammlung hat dann wie erwähnt die Gelegenheit, das Budget zu genehmigen oder abzulehnen.

Wie viel Zeit muss sich jemand nehmen, der sich engagieren will?
LK:
Im ersten Entwicklungsabschnitt bis Frühling 2020 sind es rund sechs bis acht Stunden. Wer später bei der Umsetzung eines Projekts mitarbeitet, natürlich mehr.

Es wird schwierig sein, sechs bis acht Projektgruppen zu bilden …
TvG:
Wir lassen die Bevölkerung in diesem Prozess nicht alleine! Bestimmt ist es sinnvoll, dass einige Themen wie die Planung vom öffentlichen Verkehr direkt von der Gemeindeverwaltung umgesetzt werden, weil sie bereits viel Erfahrung auf diesem Gebiet mitbringt und das Netzwerk besteht. Für weitere können nicht ständige Kommissionen gebildet werden, bei anderen braucht es nur die Unterstützung durch einen Fachmann. Jedes Projekt wird bedürfnisorientiert umgesetzt.

Somit sind nicht alle Stunden gratis und franko zu leisten?
TvG:
Nein. Nichtständige Kommissionen werden nach Reglement entschädigt.

Welche Themen wurden bisher am meisten genannt?
TvG:
Der öffentliche Verkehr, günstiger Wohnraum, günstiges Wohnen im Alter, Wanderweg- und Mountainbikenetz, Ausgangsmöglichkeiten für junge Erwachsene.

Was wünschen Sie sich für den Startevent vom 30. November?
TvG:
Der Anlass steht allen offen. Wir hoffen, dass sich möglichst viele Leute die zwei bis drei Stunden Zeit nehmen, um uns bei der Auswahl der Themen zu unterstützen.


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