Mietwohnung gesucht?

  24.12.2019 Region

Gibt es genügend passende Mietwohnungen im Saanenland und ist unsere Region tatsächlich eine Hochpreisinsel? Wir haben uns ein Bild des regionalen Mietwohnungsmarkts gemacht.

ÇETIN KÖKSAL/SARA TRAILOVIC
Wie viel Miete bezahlen Sie für Ihre Wohnung? Stimmt für Sie das Preis-Leistungs-Verhältnis? Vertreter der Gemeinden sind der Meinung, dass die Mietpreise in den letzten Jahren eher gesunken seien. Viele Befragte teilen diese Meinung, was die tendenziell steigende Leerwohnungsziffer und der spürbare Überhang an Erstwohnungen bestätigen. Es gebe «mehr und wiederholte Ausschreibungen», so der Liegenschaftsverwalter der Gemeinde Saanen. Trotzdem empfinden viele Wohnungssuchende die Situation als schwierig. Es sei immer noch nicht leicht, ein geeignetes und bezahlbares Mietobjekt zu finden. Wir versuchen hier, etwas Licht ins Dunkel des «Miet-Dschungels» zu bringen.

Überhang an Mietobjekten im Saanenland?
Kaspar Westemeier, Fachleiter Liegenschaften der Gemeinde Saanen, vermutet: «Es besteht ein Überhang an Erstwohnungen.» Dies manifestiere sich darin, dass die Gemeinde wesentlich länger brauche, um Mieter/innen für ihre preiswerten Liegenschaften zu finden. Als aktuelles Beispiel nennt er eine zentral gelegene 3-Zimmer-Wohnung mit 75m2 Wohnfläche in Saanen. Der monatliche Mietzins inklusive Nebenkosten beträgt 1316 Franken. Tatsächlich liegt dieser Preis klar unterhalb der aktuellen Durchschnittswerte. Laut Zahlen von Wüest Partner kostet eine vergleichbare Wohnung in Saanen durchschnittlich 1681 Franken.

«Vor fünf Jahren hätten wir auf eine solche Ausschreibung mindestens zwanzig Bewerbungen erhalten», sagt Westemeier. Heute könne er diese oft an einer Hand abzählen. Nach Einschätzung von Karl Graa, Liegenschaftsverwalter in Gsteig, bekommen Randgemeinden wie Gsteig und Lauenen den Angebotsüberschuss noch stärker zu spüren.

Doch die Nachfrage nach Mietobjekten scheint alleine durch Gemeindeliegenschaften nicht gedeckt zu sein. Besonders preiswerte Wohnungen ab vier Zimmern sind schwer zu finden. Man sollte sich bewusst sein, dass es günstige Wohnungen im Saanenland zwar gibt, allerdings meistens in abgelegenen Lagen. Die wenigen in den Hauptorten haben überwiegend einen niedrigen Ausbaustandard und eine veraltete Infrastruktur. Dies stellt gerade ältere Leute mit tiefer Rente vor grössere Probleme, da sie auf einen gewissen Komfort und eine einigermassen zentrale Lage angewiesen sind. Vom Studio bis zur 3,5-Zimmer-Wohnung ist das Angebot hingegen recht breit gefächert und es lässt sich für fast jedes Budget etwas finden.

Mietzinsen: Tendenz sinkend
«Dass wir Mühe haben, die freien Mietwohnungen zu vergeben, kann nicht nur an den Preisen liegen», so Westemeier, denn die Gemeinden seien nicht an Kapitalanhäufungen interessiert und senkten deshalb den Mietzins auch unaufgefordert im Verhältnis zum Referenzzinssatz. «Wir erhöhen die Mieten nur nach wertvermehrenden Renovationen», sagt Hansueli Perreten von der Liegenschaftsverwaltung Lauenen.

Die Mietpreise sind seit 2017 in der ganzen Schweiz tendenziell am Sinken (Immobilienmonitor Credit Suisse, drittes Quartal 2019). Was sind die Gründe dafür? Da sind einmal die generell tiefen Zinsen, welche dank der folglich ebenfalls tiefen Hypothekarzinsen günstige Immobilienfinanzierungen erlauben. Gerade institutionelle Investoren wie Pensionskassen haben wegen der tiefen Zinsen zuweilen Mühe, ihr Geld im Rahmen des gesetzlichen Rahmens noch einigermassen rentabel anzulegen. Deshalb investieren sie vermehrt in grössere Bauprojekte, was wiederum zu einem erhöhten Angebot an Wohnimmobilien führt. Mehr Wohnungen bei gleicher oder gar rückläufiger Nachfrage führt demzufolge zu tieferen Mietzinsen.

Im Saanenland ist wahrscheinlich der Bauboom nach der Annahme der Zweitwohnungsinitiative der dominantere Faktor. Die Konsequenz ist aber die gleiche wie in den meisten Regionen der Schweiz – ein Angebotsüberhang an neuen Wohnungen. Trotzdem ist seit einigen Jahren eine Abwanderung von Familien ins benachbarte Zweisimmen und Pays-d’Enhaut zu beobachten. Unterstrichen wird dieser Trend durch die tief bleibenden Schülerzahlen in der Gemeinde Saanen.

Gründe für Wohnungsleerstand
«Die Lage ist extrem entscheidend», betont Kaspar Westemeier. So habe er in letzter Zeit beispielsweise mehrere Male die Frage gestellt bekommen, ob sich eine Tagesschule in der Nähe des Objekts befinde. Ein weiterer Hinweis dafür, dass es durchaus jüngere Familien mit Kindern gibt, welche gerne im Saanenland wohnen möchten. Doch zu welchem Preis? Für preisgünstige Objekte müssen sie in den meisten Fällen eine dezentrale Lage oder Einbussen beim Wohnstandard in Kauf nehmen. Viele bevorzugen dann offensichtlich die Abwanderung in die Nachbarschaft, gerade auch, weil sie einfach «mehr fürs Geld» bekommen.

Es scheint also fast so, als ob die angebotenen Erstwohnungen nicht unbedingt der durchaus vorhandenen Nachfrage entsprechen. Mobile, jüngere Single- und Paarhaushalte sollten im Saanenland relativ problemlos eine Wohnung finden. Für alle anderen ist das aktuelle Angebot deutlich kleiner.


Mietwohnung gesucht?

Vor zehn Jahren war alles anders
2009 gab es praktisch keine leer stehenden Mietwohnungen. Im gesamten Verwaltungskreis waren es gerade einmal 23 und davon nur 8 in Saanen. Das äusserte sich natürlich auch in hohen Mietpreisen. Heute stehen in der Gemeinde Saanen 32 Mietobjekte leer. Oder anders betrachtet: 40 Prozent des gesamten Leerstands des Verwaltungskreises sind hier angesiedelt.

Das Saanenland sei immer noch eine Hochpreisinsel, «allerdings bekommt man heute für denselben Preis mehr als früher», sagt Yvonne Blatter, Sekretärin des Hoteliervereins Gstaad-Saanenland. Sie verwaltet die Wohnungsbörse auf yourgstaad.ch. «Im Allgemeinen beobachten wir im Verhältnis mehr Angebotsinserate als früher.» Auch in den Ausgaben dieser Zeitung aus den 2000er-Jahren fällt auf, dass im Vergleich zu heute deutlich mehr Wohnungsgesuche und weniger Angebote abgedruckt waren.

Für Entspannung im Segment der günstigen Kleinwohnungen sorgten Neubauten mit erschwinglichen Kleinwohnungen auf dem Gelände der alten Hotel-Zentralwäscherei (HZW) an der Lauenenstrasse. Mit dem Bau von 88 Wohneinheiten – davon 41 Studios – reagierten die HZW und fünf Gstaader Hotels auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden. «Das Hotelleriepersonal fand eine Zeit lang keine passenden Wohnungen in der Region und musste teilweise nach Zweisimmen ausweichen», so Blatter. Die drei Chalets auf dem Areal der ehemaligen Fuchsfarm wurden im Frühjahr 2017 fertiggestellt und bieten Platz für maximal 183 Personen.

Besser als früher – noch nicht optimal
Abschliessend darf festgehalten werden, dass es im Vergleich zu den vergangenen Jahren heute für viele Wohnungssuchende einfacher geworden ist, ein passendes Mietobjekt im Saanenland zu finden. Wer aber eine grössere Wohnung oder ein Einfamilienhaus an zentraler Lage zu einem für den Mittelstand erschwinglichen Mietzins sucht, muss auch heute «die Nadel im Heuhaufen» finden. Das gilt auch für günstige, kleinere Wohnungen mit komfortablem Ausbaustandard. Im Vergleich zu anderen ländlichen Wohnregionen ist das Saanenland noch immer ein eher teures Pflaster, wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass die vielfältigen Freizeitangebote wie auch die generell hohe Lebensqualität gegenüber anderen Landregionen auch überdurchschnittlich sind. Das gilt leider nicht für das Lohnniveau. Tendenziell sind die ausbezahlten Gehälter hier tiefer als in den städtischen Regionen, und wer weniger Mittel zur Verfügung hat, kann folglich auch weniger fürs Wohnen ausgeben. Was bleibt, ist die durchaus berechtigte Hoffnung auf das Glück, denn nicht verändert hat sich über die Jahre die Möglichkeit, «unter der Hand» ein Zuhause zum Schnäppchenpreis zu finden – die attraktivsten Objekte werden häufig gar nie ausgeschrieben …

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Wir haben vier fiktive Haushalte bei der Wohnungssuche begleitet. Wo liegen die Knacknüsse?

Temporär

Luzia 20
Beruf: Servicepraktikantin
Haushaltseinkommen pro Monat: 2500 CHF
Wohnungsbudget pro Monat: 800 CHF

Luzia ist überglücklich. Heute Morgen hat sie die Zusage für ein Servicepraktikum in einem renommierten Hotel in Schönried erhalten. Während ihrem letzten Jahr am Gymnasium in Bern hat sie in einem kleinen Restaurant in der Innenstadt serviert und dabei ihre Freude am Gastgewerbe entdeckt. Bis sie ihr Studium an der Hotelfachschule Thun antritt, braucht sie nun dringend eine billige Unterkunft für die Wintersaison von Dezember bis März.

Auf der Wohnungsbörse von yourgstaad.ch sind einige Studios ausgeschrieben. Ein WG-Zimmer für 640 Franken – das würde gut ins Budget passen. Aber die Wohnung befindet sich im Grund. Luzia realisiert, dass die Region Gstaad nicht nur aus dem schmucken Zentrum besteht. Im benachbarten Feutersoey ist ein Studio für denselben Preis ausgeschrieben. Luzia wähnt sich bereits glücklich, doch ohne Auto müsste sie ganz schön früh aufstehen, um jeweils rechtzeitig im Hotel zu sein. Sie sucht also weiter. In Lauenen entdeckt sie für das gleiche Geld ein weiteres Studio, doch das Dorf ist noch weiter von Schönried entfernt.

Natürlich spricht sie mit all ihren Bekannten und Verwandten über den temporären Job in den Bergen. Die beste Freundin ihrer Tante hat eine kleine Ferienwohnung in Saanenmöser und erkundigt sich, ob Luzia diese für drei Monate mieten könnte. Leider ist die Wohnung während der Wintersaison fast durchgehend von Feriengästen besetzt. Schliesslich meldet sich Luzia auf ein Inserat für ein Studio in Gstaad ohne Mietpreisangabe, welches sie im Supermarkt entdeckt hat. Wie auch andere Vermieter/innen betont die Dame am Telefon, dass es ihr wichtig sei, eine ruhige und saubere Person in ihrem Studio zu haben. Den Preis erfährt Luzia nicht, als klar wird, dass sie das Zimmer auf dem Oberbort nicht längerfristig beziehen würde. Im Austausch mit einer vorherigen Praktikantin erfährt die 20-Jährige, dass in der alten Wäscherei Gstaad Wohnungen für Personal der am Gebäude beteiligten Betriebe vermietet werden. Die Studios kosten zwischen 800 und 900 Franken, je nachdem, ob sie einmal pro Woche gereinigt werden oder nicht. Darin sind Nebenkosten und freies Internet enthalten. Leider sind die billigeren Objekte bereits an Hotelleriepersonal vergeben und Luzias Budget ist klar beschränkt.

Auf yourgstaad.ch und an den Anschlagbrettern im Supermarkt gibt es nicht nur viele Studioangebote, sondern auch Suchende. Sie könnte sich vorstellen, eine WG zu gründen. Viele Wohnungen sind für zwei Personen entweder zur Dauermiete ausgeschrieben oder pro Person insgesamt teurer als ein eigenes Studio. Da entdeckt Luzia eine 2½-Zimmer-Wohnung in Schönried für 1300 Franken inklusive Heizkosten. Als 2-Personen-WG würde das gehen, sofern die Chemie stimmt. Doch die Zeit drängt und sie will sich den Stress ersparen, innerhalb kurzer Zeit eine sympathische Mitbewohnerin zu finden.

Luzia trifft auch bei den Studios auf die Situation, dass wirklich günstige Objekte nur mit dem Auto gut erreichbar sind. Als sie mit ihrer Grossmutter über das Dilemma spricht, bietet ihr diese an, sie könne ihr Auto ausleihen, sie brauche es sowieso sehr selten. Luzia meldet sich sofort auf das Studio in Feutersoey für 650 Franken. Die elektronischen Geräte sind zwar nicht auf dem neusten Stand, dafür ist die Aussicht schön. Für Gstaad sei der Preis unschlagbar, versichert ihr eine einheimische Mitarbeiterin am ersten Arbeitstag.


Für heute und morgen

Rolf 31, Tanja 29, Kinder 3 und 6, Neugeborenes
Berufe: Architekt und Hausfrau
Haushaltseinkommen pro Monat: 7000 CHF Wohnungsbudget pro Monat: 1900 CHF

Tanja hat vor zehn Tagen ein gesundes Baby geboren. Zusammen mit ihrem Mann Rolf und den drei Kindern bewohnt sie aktuell eine ältere 4-Zimmer-Wohnung an der Hauptstrasse in Saanenmöser. Durch den Familienzuwachs fehlt nun der Platz, denn die Eltern möchten dem Nachwuchs weiterhin eigene Zimmer ermöglichen. Eine modernere Wohnung mit effizienter Heizung und zeitgemässer Küche wären Rolf und Tanja sehr willkommen, eine ruhigere Lage ebenso. Idealerweise wäre ein grösseres Dorf in Gehdistanz erreichbar, dann könnten sie mit nur einem Familienauto auskommen. Wenn der Kindergarten und die Schule zudem auch in der Nähe lägen, würde dies den Familienalltag erleichtern. Tanja und Rolf wissen natürlich, dass sie auf einen Glücksfall spekulieren, denn noch vor der Geburt des Babys sind sie nicht fündig geworden. Also aktivieren sie das «Buschtelefon», kontaktieren die einschlägigen Internetplattformen und prüfen die Immobilien-Inserate im «Anzeiger von Saanen» und an den Anschlagbrettern von Migros und Coop.

Fünf Zimmer sollte das neue Zuhause mindestens haben und nicht mehr als 1900 Franken pro Monat kosten. Auf homegate.ch finden sie ein einziges Angebot, welches ihrem Budget und ihren Anforderungen theoretisch entspricht. Eine charmante 5-Zimmer-Wohnung mit 100m² Wohnfläche mitten im Dorf für 1870 Franken pro Monat inklusive Nebenkosten. Der einzige Haken ist, dass die Wohnung in Château-d’Oex liegt. Tanja und Rolf lieben zwar auch das Pays-d’Enhaut, aber die Sprachgrenze ist eine unüberwindbare Hürde. Die Suche geht also weiter.

Bei immoscout24.ch treffen sie auf insgesamt fünf Angebote mit mindestens fünf Zimmern. Beim schönen Chalet mit 6½ Zimmern in Saanen ist der verlangte Mietzins nur auf Anfrage zu erfahren. Rolf und Tanja sind sich sicher, dass dieser sich deutlich jenseits ihres Budgets befindet. Ebenso wie die knapp 4000 Franken Miete für ein anderes Chalet in Lauenen. Die beiden anderen Objekte befinden sich im Pays-d’Enhaut und fallen aus bekanntem Grund weg.

Was bleibt, ist eine 5-Zimmer-Wohnung im Zentrum von Zweisimmen für 1890 Franken inklusive Heizkosten. Auf 116m2 bietet sie eine offene Küche mit Wohn- und Essbereich, drei grosse und ein kleines Zimmer, zwei Badezimmer, einen verglasten Balkon, einen grossen Keller, Mitbenutzung des Gartens und einen Parkplatz. Die Wohnung scheint vor kurzem renoviert worden zu sein. Rolf und Tanja freuen sich über das Angebot, wenngleich es auch Nachteile bietet: Das Haus steht direkt an der frequentierten Hauptstrasse und vor allem steht es nicht im Saanenland. Wie viele seiner Freunde und Bekannten müsste Rolf dann täglich zu seinem Büro in Gstaad pendeln.

Das wäre von Gsteig aus deutlich näher. Auf yourgstaad.ch ist nämlich eine 5-Zimmer-Wohnung im alten Schulhaus für 1670 Franken Mietzins inseriert. Im attraktiven Preis sind die Nebenkosten und ein Autoeinstellhallenplatz inbegriffen. Auch diese Wohnung hat auf 116,7m² nebst einer modernen Küche und zwei Badezimmern einen grossen Balkon zu bieten. Nachteilig für Tanja und Rolf sind auch hier die dezentrale Lage und die damit verbunden längeren Anfahrtswege zu grösseren Dörfern wie Saanen, Gstaad oder Zweisimmen.
Dennoch vereinbart Tanja sofort Besichtigungstermine für beide Wohnungen. Sie und Rolf wissen, dass sie mit ihrem zur Verfügung stehenden Budget nicht um Eingeständnisse herumkommen. Die moderne, familienfreundliche 5-Zimmer-Wohnung im Zentrum von Saanen für unter 2000 Franken im Monat gibt es einfach nicht.


Dringend

Anna 41, Lia 19, Björn 15
Beruf: Primarlehrerin
Haushaltseinkommen pro Monat: 4600 CHF
Wohnungsbudget pro Monat: 1500 CHF

Anna ist 41 Jahre alt und lebt mit ihrem Partner Stefan und den gemeinsamen Kindern in Saanen. Ihre Beziehung ist nicht schlecht, doch Anna ist bewusst geworden, dass sie nur aus Gewohnheit bei Stefan bleibt. Vor einigen Tagen hatten sie ein klärendes Gespräch, weshalb Anna jetzt möglichst bald eine eigene Wohnung beziehen möchte. Der fünfzehnjährige Björn hat gerade das Gymnasium in Gstaad begonnen, Lia hingegen befindet sich im letzten Jahr ihrer Lehre zur Zeichnerin und möchte danach die Berufsmaturität in Thun nachholen.

Stefan wünscht sich, dass seine Kinder in seiner Nähe bleiben und Björn würde die spontane Biketouren mit seinem Vater vermissen. Anna versteht das. Ihr ist es sehr wichtig, dass sich die neue Wohnung in Bahnhofsnähe befindet, da sie selbst noch kein eigenes Auto besitzt und der Nachwuchs früher oder später zwischen Ausbildungsort und Elternhaus pendeln wird.

Zuerst schaut sie sich nach 4-Zimmer-Wohnungen in Saanen, Gstaad, Schönried und Saanenmöser um. Auf den gängigen Onlinebörsen wie immoscout24.ch und homegate.ch ist keine Wohnung unter 1500 Franken inseriert. Nur wenn sie den Umkreis ausweitet, werden einzelne Objekte im benachbarten Pays-d’Enhaut angezeigt, die im Budget liegen. Auf der regionalen Wohnungsbörse von yourgstaad.ch werden einige Objekte angeboten. Im Zentrum von Saanenmöser ist zum Beispiel für 2300 Franken inklusive Nebenkosten eine grosszügige 4½-Zimmer-Wohnung ausgeschrieben. Im Bereich des finanziell Möglichen liegen Wohnungen in den abgelegeneren Orten wie Gsteig. Dort vermietet die Einwohnergemeinde eine Wohnung mit fast 120m2 zu einem Mietzins von 1670 Franken.

Da das Angebot im Internet zu wünschen übrig lässt, hofft Anna auf Inserate in der Lokalzeitung. Im «Anzeiger von Saanen» findet sie eine 4½-Zimmer-Wohnung, 95m2 in Matten. 950 Franken Nettomietzins – Anna traut ihren Augen nicht. Für einen solchen Preis in der Gstaader Matten würde sie auch eine ältere Küche in Kauf nehmen. Sie ruft sofort den Vermieter an. Schnell wird klar, dass es sich um Matten bei St. Stephan handelt und der Ausbaustandard nicht der neuste ist. Ernüchtert macht sich Anna auf den Weg in den Supermarkt.

«Grosszügige, schöne 3½-Zimmer-Wohnung mit Keller, 1200 Franken inkl. Nebenkosten», «102m2 – 1500 Franken», liest Anna auf handgeschriebenen Inseraten. Allerdings befinden sich die Wohnungen nicht in Bahnhofsnähe, sondern im Turbach, in Lauenen oder Feutersoey, welche nur mit dem Bus oder Auto erreichbar sind. Anna muss sich eingestehen, dass es nicht möglich sein wird, beiden Kindern ein eigenes Zimmer zu bieten, solange sie auf den Zuganschluss angewiesen ist. Mit diesem Hintergrund recherchiert sie erneut im Internet. In Feutersoey wäre eine 3½-Zimmer-Wohnung für 1470 Franken verfügbar, in Gsteig die gleiche Zimmerzahl für 1200. Von Bahnhof leider keine Spur.

Anna besinnt sich, dass es in Zweisimmen vielleicht günstigere Wohnungen gäbe. Sie würde zwar viel lieber im Saanenland bleiben, sieht aber ein, dass die Lage ein vertretbarer Kompromiss wäre. Björn könnte weiterhin das Gymnasium in Gstaad besuchen und für Lia wäre das Pendeln zwischen Thun und Wohnung auch unter der Woche machbar. Im Internet findet sie eine frisch renovierte Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung mit 100m2 im Zentrum von Zweisimmen für 1600 Franken inklusive Nebenkosten. Wegen der zentrale Lage und neuen Infrastruktur blickt Anna darüber hinweg, dass der Mietzins leicht über ihrem Budget liegt.


Höhere Ansprüche

Hanspeter 53, Thomas 45
Berufe: Kunstmaler, Hoteldirektor
Haushaltseinkommen pro Monat: 20’000 CHF
Wohnungsbudget pro Monat: 5000 CHF

Hanspeter und Thomas suchen eine komfortable 5- bis 6-Zimmerwohnung an guter Lage im Saanenland. Sie sollte mindestens einen grossen Balkon haben, eine Terrasse wäre natürlich idealer. Hanspeter hat sich zum gefragten Kunstmaler entwickelt und würde am liebsten von zu Hause aus arbeiten. Damit dies möglich ist, muss sich eines der Zimmer als Atelier eignen. Das heisst, es sollte viel Tageslicht haben, grosszügig dimensioniert sein und nicht zu tiefe Decken haben. Vielleicht ein Galeriezimmer unter dem Dach? Bereits in der Stadt Zürich schätzte das Paar diese Eigenschaften an ihrer Wohnung. Zehn Jahre Stadtleben genügt den beiden aber nun. Besonders dem Schönrieder Hanspeter fehlt die Natur sehr. Mit ein wenig Glück fand Thomas eine neue Stelle als Direktor in einem Fünfsternehaus der Region. Er wird zwar trotz vergleichbarer Position etwas weniger als in Zürich verdienen, doch das lässt sich bestimmt an der Miete einsparen. Teurer als in der Stadt Zürich wird es kaum sein. Hanspeter und Thomas beginnen also mit der konkreten Wohnungssuche.

Bei immoscout24.ch stossen sie gerade einmal auf ein einziges Inserat: Ein 6-Zimmer-Chalet in Lauenen für 3975 Franken pro Monat. Das Objekt kommt jedoch nicht in die engere Auswahl, weil es bereits möbliert ist. Hanspeter und Thomas haben während ihrer langjährigen Beziehung eine umfassende Einrichtung zusammengetragen, die sie auch benützen wollen. Die Suche geht also weiter, nun auf homegate.ch. In Gstaad wird eine 7-Zimmer-Wohnung mit 200m² Wohnfläche angeboten, doch wie hoch die Miete sein soll, erfährt man erst auf Anfrage. Hanspeter und Thomas stören sich ob der Geheimnistuerei und scrollen weiter. Auch bei den anderen drei Angeboten erfährt man den geforderten Mietzins nur auf Anfrage, doch die beiden sind sich sicher, dass sowohl das 9- als auch das 12-Zimmer-Chalet ihr Budget überschreiten. Die dritte Wohnung in Rougemont gehörte eigentlich in die Kategorie Ferienwohnungsvermietung. Hanspeter sucht bei den Inseraten im «Anzeiger von Saanen» weiter. Auch da hat die grösste, aktuell angebotene Wohnung nur 4½-Zimmer. In Saanenmöser gelegen, bietet sie ein grosszügiges Wohn- und Esszimmer, einen Kamin, drei Schlafzimmer mit En-suite-Badezimmer, ein separates Gäste-WC und eine grosse Terrasse mit Garten. Die Miete beträgt 2300 Franken im Monat ohne Nebenkosten, und Einstellhallenplätze sind auch vorhanden.

Da Thomas seine neue Stelle bereits in drei Monaten antreten wird, vereinbaren die Lebenspartner einen Besichtigungstermin, obwohl das Objekt nicht genau ihren Vorstellungen entspricht. Denn offensichtlich ist es hier im Saanenland viel schwieriger, eine 5-plus-Zimmer-Mietwohnung zu finden als anderswo. In der Stadt Zürich werden auf immoscout24.ch aktuell 29 Mietwohnungen mit 5 oder mehr Zimmern im höheren Preissegment angeboten. Im Pays-d’Enhaut und im Simmental wären zwar entsprechende Objekte verfügbar, doch die Distanz zum Saanenland ist den beiden zu gross. Auf dem Weg nach Saanenmöser rechnen sich Hanspeter und Thomas aus, dass sie die Wohnung inklusive aller Nebenkosten, zwei Einstellhallenplätzen und Keller knapp 3000 Franken kosten würde. Im Vergleich zu ihrer ehemaligen Zürcher Stadtwohnung geradezu ein Schnäppchen. Mit ihren beiden sehr guten Einkommen können sie sich diese Wohnausgaben problemlos leisten. Das höfliche, gepflegte Paar ist zuversichtlich, dass ihm die Wohnung gefallen wird und es den Zuschlag erhält. Was bleibt, ist die Ungewissheit darüber, ob es auf einen ebenso freundlichen und toleranten Vermieter treffen wird.


MIETPREISE

Der Mietzins basiert auf folgenden Faktoren: dem Referenzzinsatz, dem Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) und der allgemeinen Kostensteigerung (Teuerung, Betriebs- und Unterhaltskosten).

Der Referenzzinssatz ist ein Durchschnittszinssatz, mit welchem die Hypotheken auf schweizerischen Liegenschaften verzinst sind und welcher vierteljährlich vom Bundesamt für Wohnungswesen neu festgesetzt wird. Für die Berechnung ausschlaggebend ist der hypothekarische Durchschnittszinssatz der Banken. Der aktuelle Referenzzinssatz (Stand 3. Dezember 2019) liegt bei 1,5 Prozent.

Der Vermieter darf den Mietzins erhöhen, wenn der Referenzzinssatz um mindestens 0,25 Prozent angestiegen ist, die Teuerung gestiegen ist, die Unterhalts- und Betriebskosten angestiegen oder grössere Umbauten/Renovationen gemacht worden sind. Der Mietzins soll der Orts- und Quartierüblichkeit entsprechen und der Vermieter soll genügenden Ertrag aus den Mietzinseinnahmen erzielen.

Der Mieter ist berechtigt, die Senkung des Mietzinses zu verlangen, wenn der RZS um mindestens 0,25 Prozent gesunken ist oder der Mietpreis nicht den Orts- und Quartierüblichkeiten entspricht.

Quelle: lexwiki.ch 


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