Eine Randregion ist nicht Bern

  07.01.2020 Leserbriefe

Sehr geehrte Damen und Herren Grossrätinnen und Grossräte
Derzeit hört man überall von der Erhöhung des amtlichen Wertes auf Wohneigentum. Das Saanenland, so vernahm ich, soll davon besonders stark betroffen sein – der Wert unserer Wohnungen und Häuser soll sich verdoppeln, wahrscheinlich gar verdreifachen. Wenn ich richtig informiert bin, sollen unsere Wohnungen und Häuser dann mit den Liegenschaften in Bern gleichziehen.

Nun, uns unterscheidet von Bern, dass ein paar Schritte neben unserer Haustüre ein umfassendes Freizeitangebot in der Natur beginnt. Uns unterscheidet von Bern ebenfalls, dass in unserer Region, da Randregion, seit Jahren der Service public abnimmt – ich kann nicht schnell nach einem frühen Feierabend oder in der verlängerten Mittagspause in Thun meine Identitätskarte erneuern lassen. Um diese amtliche Handlung vorzunehmen, fahre ich zwei Stunden Auto oder drei Stunden mit dem Zug. Uns unterscheidet von Bern, dass unsere Kinder ein- bis zweimal morgens um fünf oder sechs Uhr den Zug besteigen müssen, um rechtzeitig in der Gewerbeschule zu sein – viele brauchen ein GA, denn die Fahrt Bern retour kostet mit dem Halbtaxabonnement Fr. 43.–.Uns unterscheidet von Bern, dass jegliche Weiterbildungen und Kurse im Unterland stattfinden. Wir haben also immer eine längere Anfahrt in Kauf zu nehmen.Uns unterscheidet von Bern, dass wir zwar Gott sei Dank ein Spital in der Region haben, dass aber längst nicht alle Operationen dort vorgenommen werden können. Natürlich resultiert daraus wieder ein langer Weg – in Notfällen sogar ein gefährlich langer Weg.Uns unterscheidet von Bern schliesslich, dass die Lebenshaltungskosten in Randregionen höher sind als in Zentren.

Aus all diesen Gründen kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, weshalb der Grosse Rat gedenkt, den amtlichen Wert in unserer Region derart zu erhöhen. Wir werden zur Kasse gebeten für etwas, worauf wir keinen Einfluss haben. Wir bezahlen für etwas, was uns im besten Fall nichts einbringt – denn die meisten einheimischen Familien wollen ihre Wohnungen und Chalets nicht verkaufen – trotz der Nachteile, die das Leben in einer Randregion mit sich bringt, sind wir hier glücklich. Daher bitte ich Sie, sehr geehrte Grossrätinnen und Grossräte, Ihre Entscheidung diesbezüglich zu überdenken und den amtlichen Wert im Saanenland nicht so übermässig zu erhöhen.

ESTHER MÜLLER-BRAND, GSTAAD


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