Menuhin Festival verzichtet einstweilen auf Spende

  07.01.2020 Gstaad

Der Verwaltungsrat des Gstaad Menuhin Festivals hat an seiner ordentlichen Sitzung vom 28. Dezember 2019 beschlossen, auf die Spende über 25000 Franken von Theresa Sackler einstweilen zu verzichten. Die öffentliche Kritik am US-Pharmakonzern Purdue, welcher der Familie Sackler gehört und eng verknüpft wird mit der Opioid-Krise in den USA, werde auch in der Schweiz lauter. Die Partnerschaft sei damit in den letzten Wochen zunehmend zu einer Belastung für das Gstaad Menuhin Festival geworden, was der Verwaltungsrat nicht länger verantworten wolle.

In den letzten Monaten wurde das Gstaad Menuhin Festival wiederholt in verschiedenen Berichterstattungen mit den aktuellen Entwicklungen rund um die Opioid-Krise in den USA in Zusammenhang gebracht. Anlass hierzu habe die Bekennung des Festivals zu Zuwendungen seitens von Theresa Sackler gegeben, schreibt der Verwaltungsrat in einer Medienmitteilung. Theresa Sackler verbringe seit vielen Jahren viel Zeit in Gstaad und bringe sich kulturell und gesellschaftlich sehr engagiert in die Region ein. Ebenfalls seit vielen Jahren sei Theresa Sackler unter anderem als private Förderin Teil des «Club des mécènes», der das Gstaad Menuhin Festival mit individuellen Beiträgen finanziell unterstütze.

«Familie Sackler kam in den letzten Monaten unter starke öffentliche Kritik, da sie eng mit dem US-Pharmakonzern Purdue verknüpft ist, der als mitverantwortlich für die Opioid-Krise in den USA wahrgenommen wird», heisst es weiter. Die Kritik werde nun auch in der Schweiz lauter. Der Verwaltungsrat und die Geschäftsführung der Gstaad Menuhin Festival & Academy AG hätten in den letzten Wochen realisieren müssen, dass die bislang sehr gute und etablierte Partnerschaft mit Theresa Sackler zu einem Anliegen von öffentlichem Interesse geworden sei. Zudem hätten verfängliche, widersprüchliche oder schwammige Aussagen zu einer allgemeinen Unsicherheit geführt und seien so zu einer Belastung für das Gstaad Menuhin Festival geworden. Um seiner grossen Verantwortung gegenüber der Region, den zahlreichen Partnern, Mitwirkenden, Besuchern und nicht zuletzt der öffentlichen Hand gerecht zu werden, habe der Verwaltungsrat deshalb beschlossen, das komplexe Thema in seiner ordentlichen Sitzung vom 28. Dezember 2019 prioritär zu behandeln. «In der Sitzung wurde einstimmig beschlossen, auf die Spende von Theresa Sackler einstweilen zu verzichten, bis Klarheit über den weiteren Verlauf der juristischen Situation besteht.» Der Verwaltungsrat orientiere sich nach umfassender Güterabwägung hierbei vollumfänglich am Wohl des Festivals und betone, dass dieser Beschluss in keiner Art und Weise gegen Theresa Sackler gerichtet sei. «Der Verwaltungsrat reagiert damit letztlich auf eine Dynamik, die er zu Beginn des Prozesses so nicht hat kommen sehen.»

Aus der Privatschatulle
Bei der Zuwendung von Theresa Sackler geht es um einen Betrag von 25’000 Franken. «Es handelt sich um eine private Spende von Theresa Sackler. Sie kam nicht aus der Sackler-Stiftung, wie fälschlicherweise in Print- und Online-Medien des Festivals kommuniziert», betont Verwaltungsratspräsident Aldo Kropf auf Nachfrage. «Es gab keinen zusätzlichen Beitrag aus der Sackler-Stiftung oder anderen, mit der Familie Sackler zusammenhängenden Stiftungen.»

Finanziell auf gesunden Beinen
Er kenne Theresa Sackler seit mehr als 20 Jahren, sie hätten ein vertrauensvolles Verhältnis, betont VR-Mitglied Hans-Ueli Tschanz. «Wir führen regelmässige Gespräche und sie hat zugesagt, die 25’000 Franken für die kommenden Jahre wieder zu bezahlen.» Aus verschiedenen Gründen habe der Verwaltungsrat entschieden, auf die Spende bis auf Weiteres zu verzichten. «In erster Linie geht es um das weitere Bestehen des Festivals und um die Verantwortung, die wir gegenüber der Region haben, und die Wertschöpfung, die das Festival auslöst», erklärt Tschanz. «Es ist nicht in erster Linie unsere Aufgabe, juristische Abklärungen zu machen oder herausfinden, ob die Anschuldigungen gerechtfertigt sind oder nicht.» Die schwammigen Aussagen in den Medien hätten die Bevölkerung verunsichert. «Es kam die Frage auf, ob das Festival allenfalls substanziell gefährdet ist», so Tschanz. «Es kursierten Gerüchte, dass nach dem Beachvolleyball-Turnier nun auch das Menuhin Festival von der öffentlichen Hand gerettet werden muss», ergänzt Aldo Kropf. Die 25’000 Franken seien zwar ein respektabler Betrag, aber im Verhältnis zu den vier Millionen Franken, die das Festival jährlich an Sponsoringgeldern einnehme, ein sehr kleiner prozentualer Anteil. «Das Festival ist finanziell gesund», betont Tschanz. «Wir haben eine breit abgestützte Sponsoren- und Mäzenenlandschaft.»

Druck auf das Festival
Theresa Sackler bedaure die Entwicklung und habe den Entscheid zur Kenntnis genommen, sagt Tschanz. Sie lege aber Wert darauf, dass die Spende temporär ausgesetzt werde und es kein definitiver Entscheid sei, so Tschanz. Man werde nun verfolgen, wie sich die ganze Sache entwickle. Das Medikament werde in der Schweiz zur Schmerzbekämpfung ja immer noch verschrieben, sagt Apotheker Aldo Kropf. «Die gesetzlichen Vorschriften in der Schweiz lassen es gar nicht zu, dass es zu einer Suchtepidemie kommt wie in den USA.» Vielen Krebspatienten im Endstadium habe man dank dem Schmerzmittel zu mehr Lebensqualität verhelfen können. Aus dieser Erkenntnis heraus habe man erst keine Veranlassung gesehen, auf die private Spende von Theresa Sackler zu verzichten. Doch nun sei der Druck zu stark geworden, auch von der Politik. «Wir haben Reaktionen bekommen von andern Mäzenen, vom Kanton und sogar vom Bund», sagt Tschanz. «Es geht letztlich um das Image, um die Reputation des Festivals».

ANITA MOSER/PD


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