Noch fast keine Auswirkungen im Saanenland

  25.02.2020 Coronavirus, Wirtschaft

Das Coronavirus kommt der Schweiz immer näher. Die Auswirkungen im Saanenland sind aber fast noch nicht spürbar.

BLANCA BURRI
Die Ereignisse überschlagen sich. Das Coronavirus dehnt sich in Europa aus. Ein Virusherd in Norditalien forderte bereits drei Todesopfer. Weil die Krankheit nur noch 100 Kilometer südlich vom Tessin grassiert, behandelt das Tessin alle Grippepatienten als Corona-Verdachtsfälle, auch wenn die Patienten keine Verbindungen zu China hatten. Eine Schliessung der Grenze wird momentan noch ausgeschlossen. Doch welche Auswirkungen hat das Virus für die Wirtschaft? Die Automesse in Peking wurde verschoben, Apple schlägt wegen Lieferengpässen Alarm, der Carnevale in Venedig ist abgesagt und der Autosalon in Genf findet mit Vorsichtsmassnahmen statt. Schweizer Firmen in China sind von der Pandemie massiv betroffen. Viele sind geschlossen.

Prozess dauert länger
Das Reich der Mitte ist aus vielen Branchen nicht mehr wegzudenken. 13 Prozent aller Exportgüter stammen aus China. In der Produktion von Pharmaprodukten und Desinfektionsmitteln wie auch in der Automobilindustrie ist China ein wichtiger Teil der Produktionskette. Viele Werke mussten wegen fehlendem Personal geschlossen werden, denn in ganz China sind Städte seit Ende Januar abgeriegelt, Reiseverbote und Quarantäneverordnungen verunmöglichen den Betrieb in den Werken. Der Produktionsstart von Volkswagen in Zusammenarbeit mit SIAC wurde beispielsweise verschoben. Hyundai unterbricht die Produktion in Südkorea, Nissan in Japan und Fiat Crysler überlegt sich, die Produktion in Europa stoppen. Direkte Auswirkungen auf das Saanenland hat das Coronavirus im Moment aber noch nicht. «Die Ersatzteillager in Europa sind im Moment noch voll», sagt Cédric Hänni, stellvertretender Geschäftsführer der Hänni Automobile AG in Gstaad und Lauenen. Ähnlich tönt es bei der Mechanischen Werkstatt Rieben AG in Grund. Für die Landmaschinen seien noch alle Ersatzteile verfügbar, sagt Geschäftsführer Ueli Rieben. Chris Schenk, Geschäftsführer von Pichler GFG AG, vermutet, dass die Lieferengpässe frühestens in sechs bis sieben Wochen zu spüren sind. Einzig Sven Ambort von Moto Ambort in Feutersoey verzeichnet bei Quads einen Lieferengpass von Ersatzteilen. Er rechnet mit einer Wartefrist von drei bis vier Wochen.

Medikamentenmangel nicht wegen Coronavirus
Lieferengpässe in der Gesundheitsbranche sind ein aktuelles Thema und gerade in Spitälern nicht wegzudiskutieren. Apothekerin Marianne Kropf, Geschäftsführerin der Apotheke Dr. Kropf in Gstaad, erklärt einen der Gründe für die Engpässe: «Die Medikamente werden vorwiegend im Ausland, nicht selten in Indien und China, für die ganze Welt hergestellt.» Durch die Globalisierung seien die vielen Abnehmer von nur wenigen Produzenten abhängig. Das macht Kropf Sorgen. Sie ist überzeugt, dass das Thema weniger dramatisch wäre, wenn jedes Land, so auch die Schweiz, über Produktionsstätten verfügen würde. Doch die Entscheide der Politik und der Ruf nach günstigen Generika verschärfe die Problematik noch. Dass das Coronavirus auf die momentan angespannte Medikamentensituation Einfluss hat, glaubt die Apothekerin nicht. Sie vermutet, dass die Auswirkungen erst in ein paar Wochen spürbar werden.

Apotheke in Gstaad leer gekauft
Wegen der Hochsaison ist das Saanenland voller Touristen. Sie haben sich in den letzten Tagen mit Händedesinfektionsmitteln und Mundschützen eingedeckt. Marianne Kropf: «Ich glaube, dass viele Leute aus Italien vorsorglich eingekauft haben, damit sie für die Rückkehr gewappnet sind.» Auch der Nachschub ist nicht mehr garantiert. «Bei den Händedesinfektionsmitteln ist die Situation momentan besonders angespannt», sagt sie. Alternativ würde die Apotheke das alkoholbasierende Desinfektionsmittel selbst herstellen. «Wir sind dafür eingerichtet», versichert sie. Auch bei der Spital STS AG zeigt sich dieselbe Herausforderung: «Wir wollten den Lieferanten wechseln, die Wartefrist für Neukunden beträgt momentan aber mehrere Monate», erklärt Dr. pharm. Edith Hufschmid. Bei ihrem Stammlieferanten aber ist der Nachschub weiterhin gewährleistet. «Die Lieferanten berechnen ihren Bedarf auf Erfahrungswerten und bevorzugen die Stammkunden.» Auch bei einer allfälligen Ausbreitung der Pandemie in der Schweiz geht Hufschmid davon aus, dass es für die Isolation der Patienten genug Material gibt.

Informationsdokumente bezüglich Coronavirus für Bewohner und Hotels gibt es auf der Homepage vom Bundesamt für Gesundheit: www. tinyurl.com/v8deyzp.


DIE ÜBERTRAGUNG

Die Übertragung des neuen Coronavirus geschieht vor allem durch Tröpfcheninfektion: Beim Niesen oder Husten gelangen Viren von einem Menschen entweder direkt auf die Schleimhäute von Nase, Mund und Augen eines anderen Menschen. Oder die ausgeschiedenen Viren überleben einige Stunden in winzigen Tröpfchen auf Händen oder Oberflächen (Türklinken, Knöpfe etc.) Deshalb empfiehlt Apothekerin Marianne Kropf, die Hände nach dem Niessen zu desinfizieren. Ebenfalls soll man statt in die Hände in den Ellbogen niessen. Nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus dauert es in der Regel vier bis sieben Tage bis zu den ersten Krankheitszeichen.
Pakete aus China sind unbedenklich. In der Regel kann ein Virus nur wenige Stunden auf Gegenständen überleben. Bei einem Transportweg von mehreren Tagen sind Bestellungen aus China kein Problem. Da das Transportsystem nach China und in China weitgehend eingeschränkt ist, nimmt die schweizerische Post keine Briefe und Pakete nach China an.
Quelle: Bundesamt für Gesundheit

 


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