Besuch in der Schule, die geschlossen ist

  24.03.2020 Schule

Seit Freitag, 13. März sind die Schulen auch im Saanenland geschlossen. Der Jubel darüber hält sich in Grenzen. Spannung liegt in der Luft, wie alles weiter geht in dieser unsicheren «Coronazeit». Und schulfrei heisst nicht Ferien. Es wird weitergearbeitet, einfach zu Hause. Das Schlagwort heisst Homeschooling. Wie haben Schüler, Lehrer und Eltern diese erste Woche erlebt? Eine Momentaufnahme der Schule Turbach-Bissen.

DANIELA ROMANG-BIELER
In der Unterstufe wurde bei den Lehrerinnen angeklopft und für einmal bekamen sie selbst Hausaufgaben: Schreiben Sie über Herausforderungen und Chancen des Homeschooling. Heraus kam ein spannender Einblick in die Köpfe und Herzen derer, die jetzt so ganz anders unterrichten müssen.

Martina Reichenbach, Lehrerin Unterstufe, findet als Erstes lobende Worte: «Die Kinder und Eltern unserer Klasse sind wunderbar. Wie zuverlässig, pflichtbewusst und aufmunternd, ideenreich und selbständig sie an das Homeschooling gehen, ist bewundernswert.» Besonders freut sie sich über die Rückmeldungen von Schülern und Eltern. Es sei schön, so positive Echos per Telefon oder mit Fotos zu bekommen.

Mit der Schulschliessung kamen aber viele Herausforderungen auf die Lehrerinnen zu: Wie gestalte ich die Einführung in ein neues Thema? Wie erkläre ich Aufgaben und Aufträge? Inwieweit sind sie selbsterklärend?

Ruth Schranz, ebenfalls Lehrerin Unterstufe, fragt sich: «Wie schaffen es schwächere Schüler, die auf zusätzliche Erklärungen und Hilfsmaterialien angewiesen sind?» Hier fällt das Wort Facetime, das für alle noch so neu ist, aber ein guter Weg sein könnte. Dazu meint Ruth Schranz: «Man wird auch stärker im IT-Bereich. Wir müssen uns jetzt dem stellen und dankbar sein, dass es diese Möglichkeiten gibt.»

Die beiden Lehrerinnen sind sich einig, dass ein wichtiges Element im Homeschooling fehlt: der Direktkontakt zwischen Lehrern und Schülern. Der natürliche Dialog, der sich ergibt, wenn alle zusammen in einem Raum arbeiten. Das Einanderspüren. Ruth Schranz vermisst gerade auch deshalb ihre Schüler sehr: «Die Schüler inspirieren mich jeweils zu neuen Ideen.»

Die Lehrerinnen sind sich sehr bewusst, dass diese neue Situation für die Eltern eine enorme Belastung sein kann. Für viele kam nur schon mal die Hüterfrage. Plötzlich sind wieder grössere und kleinere Kinder zu Hause, die sonst schön versorgt waren. Und die müssen nicht nur «gehütet» werden, sondern auch unterrichtet! Ein klarer Wochenplan bildet da ein schöner Rahmen. Und starke Schüler werden selbstständig weiterarbeiten können. Aber die Betreuung eines schwächeren Schülers kann schwierig sein. Dazu Martina Reichenbach: «Je nach Entwicklungsstand der eigenen Kinder kann es eine enorme Zeitbelastung für die Eltern werden, wenn sie immer neben dem Kind sitzen und alles erklären müssen.»

Und was tun, wenn Mama und Papa selber nicht drauskommen? Wenn mit grosser Anstrengung im Hinterkopf nach altem Schulwissen gegraben wird und nicht mehr so viel hervorkommen möchte? Unterschule könnte noch gehen, aber Mittelstufe könnte brenzlig werden, um nicht von der Oberstufe zu reden. Da kommen Eltern ins Schwitzen. Schwitzen geht ja noch, aber auf die Nerven kann es auch schlagen. Ich schreibe da aus eigener Erfahrung. Wieso bekam ich genau Anfang der Woche einen Knacks in den Rücken? Vielleicht war das der Startknall in meine neue Mama-Aufgabe: Lehrerin sein.

Martina Reichenbach appelliert an die Eltern: «Es ist mir ein Wunsch und ein Anliegen, dass die Eltern sich wirklich bei uns Lehrkräften melden, wenn sie Hilfe und Unterstützung brauchen und es ihnen zu viel wird.»


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