Sexuelle Ausbeutung macht oft sprachlos und ohnmächtig

  17.03.2020 Gstaad, Gesellschaft, Event

Um die 70 Personen besuchten den Informationsabend zum Thema sexueller Missbrauch im Hotel Arc-en-ciel. Die Zahlen, die Roy Gerber, Gründer und Geschäftsführer der Kummernummer auf Grund von Studien preisgab, machten betroffen. Er rief dazu auf, nicht wegzuschauen, sondern zu handeln, wenn irgendwo Verdacht geschöpft wird.

VRENI MÜLLENER
Roy Gerber hat dem Missbrauch in der Schweiz den Kampf angesagt. Kinderund Jugendpornografie ist weltweit eine der grössten Einnahmequellen. Aufgrund der UBS-Optimus-Studie wird jedes vierte Mädchen und jeder siebte Knabe in der Schweiz während seiner Jugend mindestens einmal sexuell missbraucht. Täter sind meistens Männer, oft Wiederholungstäter, in der Regel aus der Familie oder dem engeren Bekanntenkreis der Opfer. Sexuell Ausgebeutete sind traumatisiert und leiden oft lebenslang an den Folgen.

Anlaufstelle: die Kummernummer
Seit dem 2011 gibt es die Anlaufstelle, die Kummernummer, an die sich Hilfesuchende Kinder und Jugendliche wenden können. Die Probleme und Fragen, die am Telefon gestellt werden, sind so verschieden wie die Menschen selber, die sie stellen. In einem ersten Schritt gehe es darum, zuzuhören und dem Kind oder Jugendlichen zu glauben. «Die Anrufer bleiben anonym, sie sollen wissen: Mit uns haben sie einen Partner an ihrer Seite, der ihnen glaubt und mit ihnen den Weg geht!», betonte Roy Gerber. Falls es zu einem Treffen kommt, geht das Team immer zu viert hin: zwei Mitarbeitende des eigenen Care Teams und die beiden Therapiehunde. Die Hunde helfen in solchen Begegnungen sehr, im Gegensatz zu Menschen begegnen die Hunde Kindern und Jugendlichen ohne zu werten oder etwas von ihnen zu erwarten. Mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und Opferhilfeorganisationen werde eng zusammengearbeitet, dabei stehe die Sicherheit der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund.

«Hört auf euer Bauchgefühl»
«Sexuellen Missbrauch gibt es überall, in den grossen Städten wie auch in den einfachsten Dörfern auf dem Land», rief Gerber zur Wachsamkeit auf. Die Täter seien oft fürsorgliche, liebevolle Menschen, die sich Zeit nehmen für Kinder. Es sei wichtig, Lagerleiter, Sportleiter, Seelsorger, Kirchenleitung, Vereinsleitung, Freizeitleiter, Kita- und Schulleiter etc. zu fragen, was unternommen werde, um sicher zu sein, dass kein Missbrauch stattfinden kann. Es reiche nicht, dass Verantwortliche einen Ehrenkodex unterzeichnen. Wenn Leiter verschiedene Massnahmen wie das Vieraugenprinzip anwenden und auch klar die Konsequenzen definieren, was geschieht, wenn die angeordneten Massnahmen nicht angewendet werden, kann sehr stark davon ausgegangen werden, dass sexueller Missbrauch verhindert werden kann. «Wer als Bezugsperson, Lehrer, als Mutter oder Vater im Bauch das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt, soll nicht zuwarten und Rat holen», riet der engagierte Theologe. Leider sei es so, dass aufgrund von Studien in 98 Prozent der Fälle etwas Wahres dran sei, ermutigte der Referent die Zuhörenden, im Verdachtsfall zu handeln.

Die (Kosten-)Folgen
«Wenn du laut und deutlich Nein sagst, dann geschieht dir kein sexueller Missbrauch!» Diese Aussage stimme leider nicht und gebe den Opfern das Gefühl, sie seien selber schuld, an dem was ihnen widerfahren ist. Sehr oft sei es einem Betroffenen nicht möglich wegzurennen oder um Hilfe zu schreien. Wer solche schmerzhaften Erfahrungen hinter sich hat, leidet später oft an psychischen Störungen, Magersucht oder Essstörungen. «Neben dem menschlichen Leid kostet das die Allgemeinheit sehr viel Geld, das viel besser investiert wäre in der Prävention von sexueller Ausbeutung.» Damit sprach der Referent ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld an, das er und sein Team betreut: Sie bieten Schulen, Sportvereinen und Jugendorganisationen sowie Kirchen jeder Couleur Präventionsanlässe an, um zu sensibilisieren und informieren. www.kummernummer.org/naegel-mit-koepfen


ZUR PERSON

Roy Gerber ist Gründer und Geschäftsführer der Kummernummer von Be Unlimited und nimmt seit 2011 mit seinem Team täglich Anrufe auf der Kummernummer entgegen. Der Unternehmer hat nach dem erfolgreichen Aufbau dreier Firmen die Wirtschaftswelt hinter sich gelassen und in Los Angeles ein Theologiestudium mit Schwerpunkt Katastrophen-Seelsorge absolviert. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz arbeitete er als Betriebsleiter der Sunestube, Notschlafstelle Nemo und aufsuchender Gassenarbeit und war Teil der Geschäftsleitung der Sozialwerke Pfarrer Sieber.
Die Kummernummer ist für die Hilfesuchenden kostenlos, ist nicht subventioniert und finanziert sich ausschliesslich durch Spenden.

QUELLE: WWW.KUMMERNUMMER.ORG


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