«Mobile Boten» sind fast täglich im Einsatz

  09.04.2020 Coronavirus, Gesellschaft, Volkswirtschaft

Die reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn haben schnell auf den Lockdown reagiert und die «Mobilen Boten» ins Leben gerufen. Auch im Saanenland erledigen sie für meist ältere Leute Botengänge.

BLANCA BURRI
Im Saanenland ist Daniel Burri Koordinator der «Mobilen Boten». Der Katechet und Sozialdiakon der reformierten Kirchgemeinde Saanen-Gsteig berichtet von bisher rund zwanzig Botengänge, die bisher vermittelt wurden. Das Angebot wird also rege genutzt. Da die Boten und die «Kunden» sich inzwischen zum Teil direkt austauschen, sind es vielleicht noch mehr, als in seiner Excel-Liste erfasst sind.

Von 15- bis 64-jährig
Als freiwillige Boten haben sich elf Personen aus unterschiedlichen Lebensphasen gemeldet. Es sind Jugendliche, junge Erwachsene, gestandene Leute und sogar ein Politiker. Gemeinderat Hanspeter Schwenter liess sich für das Projekt begeistern und hat bereits erste Einsätze geleistet. «Ich bin noch nicht ganz 64 Jahre alt und somit gehöre ich noch nicht zur Risikogruppe. Deshalb erscheint es mir wichtig, die Leute zu unterstützen, die nicht mehr aus dem Haus dürfen», begründet er sein Engagement. Weil viele Sitzungen verschoben worden sind, habe er Zeit für die Botengänge. Der 15-jährige Schüler Maurus Donker fährt gerne Rad. «Ich möchte in meiner Freizeit etwas Sinnvolles machen», nennt er als Grund für den Einsatz.

Koordinator Daniel Burri: «Ich bin total überrascht, dass sich so unterschiedliche Menschen als Freiwillige gemeldet haben.» Auch dabei seien Leute, die ganz wenig oder überhaupt nichts mit der reformierten Kirche zu tun hätten. Diese Solidarität und der Wille, selbstlos zu helfen, seien toll.

Bis nach Abländschen
Um die möglichen Kunden zu informieren, waren vor allem die Pfarrpersonen zu Beginn sehr initiativ. «Sie haben ältere Personen und Risikopatienten kontaktiert und sie auf das Angebot aufmerksam gemacht», lässt Burri durchblicken. «Längst nicht alle haben Fernsehen oder Internet, deshalb war dies sehr wichtig.» Dadurch hätten die Boten schon kurz nach dem Lockdown erste Botengänge gemacht. Sie kaufen für ihre Auftraggeber ein, gehen für sie auf die Post oder auch schon mal mit dem Kaninchen zum Tierarzt.

«Letzte Woche habe ich für eine Person eingekauft, die drei Wochen lang von ihren Vorräten gelebt hat. Sie war sehr froh, konnte sie ihren Vorrat wieder auffüllen», sagt Hanspeter Schwenter. Die Kunden kommen aus dem gesamten Saanenland, also auch aus Abländschen. «Das verlangt den Boten einiges ab, denn der Mittelberg hat noch Wintersperre», sagt Sozialdiakon Burri. Glücklicherweise lasse sich fast alles mit etwas anderem kombinieren. So auch der Auftrag in Abländschen, der einer Lernfahrenden einige Strassenkilometer einbrachte. Auch Käti Raaflaub aus Saanen hat den Lieferservice beansprucht. «Maurus Donker hat meine letzten Einkäufe gemacht. Ich war sehr zufrieden und werde das Angebot wieder nutzen», sagt die 87-Jährige.

Die Anfragen koordiniert Daniel Burri meist telefonisch. Diese Gespräche mit den Klienten gehen ihm unter die Haut. «Oft tauschen wir uns am Telefon etwas länger aus.» Und so erhält Burri Einblick in neue Welten: «Wir haben einen Kunden, dessen Grossvater an der Spanischen Grippe gestorben ist. Für ihn ist die momentane Situation ein Déjà-vu, keine einfache Situation.»

Weshalb Boten und nicht Lieferdienst?
Viele Risikopatienten lassen sich momentan durch den Lieferdienst von einheimischen Geschäften mit Lebensmittel eindecken. Doch das können sich nicht alle leisten, sagt Burri. Deshalb ist es ihm wichtig, dass die Boten genau das und genau dort einkaufen, wo es der Klient wünscht. «Das Budget ist nicht überall gleich hoch und das gleiche Produkt nicht bei jedem Händler gleich teuer.»

Direkt und unkompliziert
Direkt und unkompliziert, das haben sich die Initianten auf die Fahne geschrieben. Daneben geht es um den solidarischen, also freiwilligen Gedanken und darum, dass alles kostenlos ist. «Vielleicht bekommt der eine oder andere ein Trinkgeld, doch der Dienst ist grundsätzlich kostenlos», so Burri. Der Dienst werde rundum sehr geschätzt, und gleichzeitig gerechtfertigt wahrgenommen. Jemand habe gesagt, dass er schliesslich auch Kirchensteuer bezahle und dieses Angebot nur gut und recht sei. Eine andere Person lobte die reformierte Kirche als sehr initiativ.

Das Angebot bleibt solange bestehen, bis die Risikogruppen keine Einschränkungen durch das Coronavirus mehr haben.

mobileboten.ch
Daniel Burri: 079 204 69 39

Video: tinyurl.com/v2h47lc


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