Beerdigungen sind anders, aber ebenso würdig

  15.04.2020 Coronavirus, Gstaad, Gsteig, Saanenland, Kirche, Saanen, Lauenen, Schönried

Insbesondere bei Beerdigungen sind die einschneidenden Massnahmen des Bundes, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken, spürbar. Trauerfeiern finden deshalb in einem besonderen Rahmen statt, haben aber an Würde nichts eingebüsst.

KEREM S. MAURER
Gerade im Frühling steigt die Zahl an Todesfällen und damit auch jene der Beerdigungen überdurchschnittlich an. Auch im Saanenland. Doch das liege an der Jahreszeit und nicht am Coronavirus, weiss Bruno Bader, Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Saanen-Gsteig. Obschon auch er von Menschen im Saanenland wisse, die infiziert mit dem Covid19 gestorben sind. Doch wie muss man sich Beerdigungen in Zeiten des sozialen Abstandhaltens, des Versammlungsverbots und der ganzen Hygienevorschriften vorstellen?

Trauerfeiern sind nach wie vor erlaubt – nur in einer etwas anderen Form
Bei Abdankungen weicht der Bundesrat von der Fünfpersonenregel ab und gestattet Feiern mit maximal 15 Teilnehmenden. Solche Feiern sind auf den engsten Familienkreis zu beschränken. Wer dabei sein darf und wer nicht, entscheidet die Trauerfamilie. Pfarrer Bruno Bader: «Auf dem Gebiet der reformierten Kirchen Bern, Jura und Solothurn gilt: Abdankungen finden in der Regel im Freien statt. In Ausnahmefällen auch in der Kirche. Doch dann muss die Trauerfamilie die beschränkte Teilnehmerzahl garantieren. Auch die Hygiene- und Distanzvorgaben müssen eingehalten werden.» Konkret bedeutet dies, dass vor der Kirche, wie vor anderen öffentlichen Gebäuden auch, Desinfektionsmittel steht, damit sich alle vor dem Betreten der Kirche die Hände desinfizieren können.

Distanz schafft nicht immer Nähe
In der Kirche setzt sich die dezimierte Trauergemeinde mit genügend Abstand zueinander hin. Berührungen als Ausdruck von Anteilnahme wie zum Beispiel einen Händedruck, eine Umarmung oder eine Berührung am Oberarm sind nicht gestattet. Wie drückt man denn seine Anteilnahme aus? Pfarrer Bader: «Wer auf Gesten und Handlungen verzichten muss, spricht Worte aus der Distanz, kann sich verbeugen oder faltet die Hände.» Der Pfarrer räumt ein, dass dies nicht immer einfach sei und ergänzt: «Ich spüre meine Hilflosigkeit und Ohnmacht deutlicher als in Zeiten ohne soziales Distanzhalten.» Ähnliches gelte auch für Seelsorge- und Trauergespräche: Bei Risikogruppen dürften Gespräche nur elektronisch oder telefonisch geführt werden. «Wichtige Aspekte eines Gespräches wie Gesten, Mimik oder Körpersprache fallen je nach Medium weg», gibt Bader zu bedenken.

Trauerfeiern sollten nicht verschoben werden
«Wir raten Familien, die von einem Todesfall betroffen sind, unbedingt und in jedem Fall eine kleine Feier oder ein Ritual zu veranstalten und nicht gänzlich darauf zu verzichten», so Bader, denn man hört derzeit oft, dass Familien die Trauerfeiern verschieben wollen, bis man sich wieder uneingeschränkt treffen darf. Doch wann das sein wird, weiss derzeit noch niemand. Auch besteht die Möglichkeit, nach der Kremation des Verstorbenen die Urne entweder von der Kirche kostenlos aufbewahren zu lassen oder sie bei sich zu Hause zu behalten, bis man später eine Abdankung feiern möchte oder kann. Dies sei im Saanenland durchaus nichts Ungewöhnliches, erklärt der Geistliche. Meistens würden das Familien machen, deren Mitglieder in aller Welt verstreut lebten, damit man sich auf ein Datum einigen könne, um die Abdankung zeitlich für alle passend zu organisieren. Doch nur wegen der Corona-Krise sollte man Abdankungsfeiern nicht verschieben, da es vor allem um den Trauerprozess gehe. Denn in einem halben Jahr stünde man diesbezüglich – hoffentlich – an einem ganz anderen Punkt als unmittelbar nach dem Tod eines geliebten Menschen. Möglich, dass man deshalb nach einer gewissen Zeit keine Abdankung mehr feiern wolle, weil es einfach nicht mehr passe. Aus diesen Gründen sollte man unbedingt eine kleine Feier machen, damit der Trauerprozess seinen Lauf nehmen könne. Wer dann in einem halben Jahr noch eine Trauerfeier mit Freunden machen wolle, könne dies ja trotzdem tun.

Nichts an Würde geht verloren
Am Ablauf einer Abdankungsfeier habe sich infolge der Corona-Pandemie nichts geändert, sagt Pfarrer Bader, liturgisch laufe dies nach wie vor gleich ab. «Es gibt keine coronabedingte Light-Version einer Abdankungsfeier», betont er. Äusserliche Umstände wie die vorhin beschriebenen Einhaltungen der Vorschriften müssten sein, hätten aber mit dem Inhalt einer Beerdigung nichts zu tun. Erst kürzlich habe er von einer Trauerfamilie diese Rückmeldung bekommen: «Die Trauerfeier hat wohl in einem besonderen Rahmen stattgefunden, hat aber nichts an ihrer Würde eingebüsst!» Konkret heisst das, man kann sich trotz Corona von geliebten Menschen, die verstorben sind, verabschieden. Und für alle, die jetzt nur eine kleine Feier machen würden, sagt Bader, sei «zu einem späteren Zeitpunkt ein grosser Klage- und Dankgottesdienst geplant, an dem alle Verstorbenen genannt werden sollen, die während der Corona-Pandemie beerdigt worden sind.»

Wir sind nicht unsterblich
Derzeit spielt der Tod in der Öffentlichkeit und in unserer Gesellschaft wegen oder vielleicht auch Dank Corona wieder eine viel wichtigere Rolle als vor der Pandemie. «Das Virus führt uns vor Augen, dass wir trotz herausragender Technik verwundbar sind», sagt Pfarrer Bader. In den vergangenen Jahrzehnten hätten wir das Wissen um unsere Sterblichkeit in den Hintergrund geschoben und alles getan, um den Zeitpunkt des Todes hinauszuschieben oder gar selber bestimmen zu wollen. Jetzt würden wir auf einmal wieder gewahr, dass Leben und Sterben nicht allein in unserer Hand lägen und eng miteinander verbunden seien.


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